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Ausgabe:

1930 Nr. 18

Spalte:

429-430

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Edv.

Titel/Untertitel:

Grundvig 1930

Rezensent:

Nojgaard, N.

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Seite 1

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429

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 18.

430

„welttranszendent" aufgefaßt wird, um so mehr nähert dadurch nicht minder fest, es ist nämlich, wie Lehmann

sich Schelling der christlichen Religionsphilosophie, j sehr fein zeigt, ein Charakterzug bei Orundtvig, daß er

ohne ihre Höhe ganz erreichen zu können. außerstande ist, Leute mit denen er — sei es nur in

Anhangsweise wird auf die Verwandtschaft der in- j Kleinigkeiten — nicht einig ist, einigermaßen gerecht zu

tellektualen Anschauung Sendlings sowie der „geisti- ' beurteilen; selbst wenn er ihnen vielen Dank schuldig

gen Schau" von Fichtes zweiter Epoche mit der phä- ist, werden sie scharf und kategorisch verurteilt. Dies

nomenologischen Wesenschau verwiesen und eine kurze
Darstellung und Kritik insbesondere der Religionsphilosophie
Schelers gegeben. Hinter der gesamten Darstellung
steht ein Ideal „wissenschaftlicher Ootteser

gilt z. B. auch von der theologischen Fakultät seiner
Jugend.

In einem Kapitel untersucht Lehmann die spezifisch
Grundtvig'sche Theorie, seine „unvergleichliche

kenntnis", das unverkennbar katholische Züge trägt. Entdeckung", daß das Apostolikum direkt von Jesus

Im Übrigen ist die Arbeit für eine Orientierung über den
Begriff der intellektualen Anschauung durchaus brauchbar
, da die Darstellung die Kritik überwiegt und aus
eingehendem, sachlichem Studium des Idealismus erwachsen
ist.

Bremen. Hinrich Knittermeyer.

Lehmann, Edv.: Grundtvig. Kobenhavn: Jespersen og Pio 1929.
(249 S.) gr. 8°.

Das letzte Buch Edv. Lehmanns, der dieses Frühjahr
gestorben ist, wird von vielen Seiten als sein schönstes
bezeichnet. Und es ist wirklich nicht nur ein sehr
charakteristisches, sondern auch ein außerordentlich reifes
Werk aus der leichtfließenden Feder dieses großen
Religionswissenschaftlers, dieses geistreichen Causeurs,
dieses weitspannenden Humanisten. Mit lebendiger Sympathie
und eindringendem Verständnis (besonders schön
ist das große Kapitel von der Psalmendichtung Grundt-
vigs) schildert er in seiner klaren, meisterhaften Sprache
die größte, kirchliche Gestalt Dänemarks im 19. Jahrh.:
N. F. S. Grundtvig. Im einleitenden Kapitel charakterisiert
er das Lebenswerk Grundtvigs unter drei Gesichtspunkten
: Er hat durch die von ihm ausgehende
geistige — nationale und religiöse — Bewegung einen
großen Anteil am Aufschwung der dänischen Landwirtschaft
gehabt; sein „Hochschul"-Gedanke, der im ganzen
Norden starke Wurzel gefaßt hat und jetzt auch
südlicher verstanden und verwirklicht zu werden scheint,
ist von unübersehbarer kultureller Bedeutung gewesen;
endlich hat er das christliche Leben in Dänemark aufs
neue erweckt und in neue, fruchtbare Bahnen gelenkt:
„Er schuf ein Kirchenvolk da, wo kaum Leute in der
Kirche waren; einen Kirchengesang da, wo der Psalmen

stamme, daß es „das Wort von des Herren eigenen
Mund" sei. Diese Theorie (die übrigens schon Lessing
dargelegt hat) ist natürlich geschichtlich unhaltbar. Daneben
sucht Lehmann zu zeigen, daß das Apostolikum
keine Kirchengrundlage sein könne, erstens seiner Un-
vollständigkeit wegen (es fehlt z. B. ganz ein Ausdruck
für die christliche Gesinnung), zweitens seiner Kürze
wegen, wodurch es als eine viel mehr drückende und freiheitsbeschränkende
Kette wirken werde als ein großes
dogmatisches System.

Dieses Kapitel leidet an der Schwäche, daß es sehr
klar wird, was Lehmann nicht meint, ganz unklar dagegen
, was er meint. Man versteht durch seine Kritik
vollkommen, daß Bibel und Apostolikum als Fundament
der Kirche unbrauchbar sind. In welcher Richtung
dagegen Lehmann findet, daß eine brauchbare Grundlage
zu suchen sei, wird mit keinem Worte verraten —
und er hat doch im Vorwort eine wirkliche Würdigung
versprochen.

Die Bedeutung des Buches liegt — von dem Interesse
abgesehen, das ein Buch von Lehmann immer hat
— erstens darin, daß es (unter teilweiser Benutzung
neuherausgegebener Briefe) den geistesgeschichtlichen
Hintergrund für Grundtvig gegeben hat, zweitens darin,
daß hier zum erstenmal ein „Nicht-Grundtvigianer" eine
ausführliche und sympathische Schilderung (eine eigentliche
Biographie ist das Werk nicht) von Grundtvig
gegeben hat.

Udby. N. Nojgaard.

Mahling, Prof. D. Friedrich : Kurze homiletische Einführungen

zu den altkirchiichen Episteln der Elsenacher Perikopen-

reihen. Frankfurt a. M.: H. L. Brönner 1929. (VIII, 121 S.) 8°.

= Homiletische Hilfsbüchlein, Nr. 2. RM 2.40.

zunge verstummt war, und ein Christenleben da, wo ... , ,-.

man sowohl Christus als das Leben vergessen hatte" | ,Wie, d!e ,t.u,her b'er besprochenen Einfuhrungen

/c 15) I zu den altkirchiichen Evangelien aus Niebergalls Feder,

Sehr verdienstvoll ist die Darstellung des ge- ?«? sind auch, diese kurzen Epistelbesprechungen in der
schichtlichen Hintergrundes für die ganze Entwicklung j Kartensammlung „Christentum und Leben" erschienen.
Grundtvigs I M- kam es darauf an, auf streng wissenschaftlicher

Rousseau und die Verbreitung Rousseau'scher Ge- I Grundlage die Textgedanken zu ermitteln und die Verdanken
ist eine Voraussetzung für die hohe Wert-! ^dung zwischen ihnen und unserer Zeit herzustellen
Schätzung Grundtvigs von dem Natürlich-Menschlichen,
die nicht nur für seine Erziehungsgedanken, sondern
auch für seine ganze Auffassung des Christentums von
entscheidender Bedeutung geworden ist. Ebenso ist er
von der Romantik stark beeinflußt worden. Die romantische
Naturphilosophie hat seinen Eindruck auf ihn gemacht
, und in seiner Betrachtung von der Geschichte als
einer in Stadien verlaufenden Entwicklung ist er ein
Schüler von Schelling, der auch auf seine mythologische
Auffassung maßgebenden Einfluß ausgeübt hat; und in
Fichte fand er den Denker nach seinem Herzen, bei
dem er gelernt hat, daß der Rationalismus philosophisch
falsch ist, und daß wir Gott nicht durch den Gedanken

Daß bei der gebotenen Kürze M. sich nicht auf eine
exegetische Auseinandersetzung mit anderen einlassen
konnte, ist deutlich; er mußte seine eigene Erklärung
stillschweigend voraussetzen. Das mag dem, der eine
andere Exegese hat, zuweilen eine Schwierigkeit bedeuten
; doch wird diese Schwierigkeit nur selten ein
Hemmnis für die Benützung der trefflichen Gedanken
sein, die M. für die homiletische-Verwertung herausstellt
. Er geht nicht unmittelbar auf die praktische Auswertung
ein; er gibt (in der Eingangsübersicht S. 1 ff.)
wohl Themata, aber nirgends Vorschläge für Gliederung
. Er bietet somit eine anregende Einführung, die
auch auf die Gegenwartsverwerturig hinlenkt, aber kei-

narlni J— er» 1 C* K*4i nlrr* CiS „ J _ 1~__ff _ nnlk r>4- ! - n « « n mm a

sondern nur durch Intuition, durch Glauben erlangen ! ner,lll ^sel?.b,rucke- pür den Prediger selbst Kann eine

können; es ist auch klar, daß die Lehre Fichtes von der | s,olcne Einführung eine große Hilfe bedeuten, weil sie

„Bestimmung des Menschen" ihm willkommen gewesen j lhm ze1^' wie er den Text am besten anpacken kann,
ist: ein wirklicher Mensch werde man eben erst dadurch, Breslau. M. Schi an.

daß man die Stimme im eigenen Inneren vernehme und

lflr folge. Riggenbach, prof. D. Eduard: Predigten. Basel: Verl. d.

D Natürlich ist Grundtvig Schelling, Fichte Und der . Basler Missionsbuchh. u. Stuttgart: Evang. Missionsverlag 1928.

Komantik im Ganzen gegenüber auch kritisch gewesen, ! (18° s-) er- 8°.

ja er hat ihre Philosophie als „unchristlich, gottlos und
wgenhaft" gestempelt; seine Schuld an ihnen steht doch

Der am 4. Oktober 1927 entschlafene blinde Gelehrte
, dessen tiefgründige exegetischen und auslegungs-