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Ausgabe:

1930 Nr. 17

Spalte:

393-397

Autor/Hrsg.:

Köhler, Walther

Titel/Untertitel:

Das Marburger Religionsgespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion 1930

Rezensent:

Muralt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 17.

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für mittelalterliche Frömmigkeit und ihre wirtschaftliche Ausmünzung ! statt des Historikers schauen, der eine Darstellung des

durch geldbedürftige Fürsten, sowie für das nachsichtige Entgegen- Marburger Gespräches vorbereitet.

kommen, das selbst Humanisten wie> der Kardinal C«« »"d Wto- Die it Schrift DarSTellung und Deutung,

laus V. in einem lochen Falle zeigten. Der Kardinal egat wählte aller- c. • , , , . « . 0 , 0

dings eine vors'htige Fassung und^orderte zugleich, daß das Sakrament ! Sie ist der stark erweiterte Und mit Fliegen versehene

nur einmal im Jahre gezeigt und dabei dem Volke gesagt werden solle, ; Vortrag den Kohler am 13. September 1929 in Mar-

.quomodo sacramenta illa vera putantur sacramenta ex indiciis veresi- j bürg anläßlich der Gedachtnisteier des Gespräches von

milibus" (S. 21). Sollte es aber den beiden gelehrten Humanisten ver- 1529 hielt. Sie stellt einen Überblick Über die gesamte

borgen geblieben sein, daß es zu Papst Gregors I. Zeit weder eine Problematik des Abendmahlstreites zwischen Luther und

Elevatio der konsekrierten Gestalten bei der Messe, noch einen Unter- | Zwingli dar, hebt ganz besonders die entscheidenden

schied von großen und kleinen „Hostien" gegeben hat, was beides in j theologischen Fragen heraus und stellt das Gespräch als

der Legende vom Gregorssakrament (s. 25) vorausgesetzt Ist? Anhang I , Höhepunkt der spannungsvollen Beziehungen der bei-

^« wiJ „ feH- *VobT" ?^mao^M™% > den Reformatoren in diesen Zusammenhang. Köhler

Schnftstellen, auf die S. 27 in der „Invectiva angespielt wird, sind i , ,,, , ,A „ . , , , . h w, ,

Rom. 3,3 und Act. 13,48). Anhang Ii eine kurze Inhaltsangabe der ' ste 1t das Ganze unter den Gesichtspunkt eines Wortes

Eintragungen in Clm. 3005 in Regestenform, Anhang III eine Zusammen- Bllllkans „de flde ent COntentlO et de mysteno dlVinae
Stellung der Andechs betreffenden Handschriften aus der Münchner j Operationis in nobis". In einem I. Abschnitt wird geStaatsbibliothek
, dem Münchner Hauptstaatsarchiv, der Wiener National- j zeigt, wie zunächst beide Reformatoren vom Glauben
bibliothek,.der Bibliothek des Priorats Andechs, dem biscthöflmli^en Ordi- | aus die katholische Lehre des Meßopfers auflösen, indem
sie jedes Werk ausschalten. Dieser Auflösung muß

naratsarchiv Augsburg, sowie von Wiegendrucken. Beigegeben sind
3 Tafeln mit den Pergamentblättchen in den Hostienkapseln des Klosters
Andechs, der Abschrift einer Urkunde des Bischofs Otto I. von Bamberg
aus dem Jahre 1102 im Clm. 3005 und der Abschrift der Notiz
des Chunradus conversus de Monte s. Petri qui dicitur Madron im

der kultische Neuaufbau der Abendmahlsfeier folgen
und damit die Besinnung über den positiven Gehalt der
Handlung. Die Abendmahls 1 e h re rückt in den Vorder-

Köhler, Walther: Das Marburger Religionsgespräch 1529.
Versuch einer Rekonstruktion. Leipzig: M. Heinsius Nachf. Eger&Sievers
1929. (III, 141 S.) gr. 8°. = Schriften des Vereins f. Reformations-
gesch., Jahrg. 48, H. 1 (Nr. 148). RM 3.80.

Ders.: Das Religionsgespräch zu Marburg 1529. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1929. (43 S.) gr. 8°. = Sammig. gemeinverständl.
Vortr. und Schriften, 140. RM 1.80; in Subskr. 1.50.

Zur Erinnerungsfeier des Marburger Gespräches
1929 legte der unermüdliche Erforscher des Abendmahlstreites
einen rekonstruierten Text der Verhandlungen
vor, der von Studenten in Marburg aufgeführt
werden konnte. Der Referent kann leider, weil er nicht
zugegen war, nichts über den dramatischen Wert dieser
Rekonstruktion aussagen. Doch ist dieser ja gar nicht
zu bezweifeln, da das Gespräch von 1529 sehr dramatisch
war und der Text ganz einfach dasselbe wiedergeben
will. K. übersetzt die meistens lateinischen Berichte
ins Neuhochdeutsche und verwandelt sie in direkte
Rede. Wo noch deutsche Worte überliefert sind, nimmt
er sie als „wertvolle Findlinge" buchstäblich auf. Über
die Art und Weise der Quellenbenutzung legt er in
einem zweiten, quellenkritischen Teil Rechenschaft ab.
Dieser will also nicht eine Neuausgabe der Quellen zum
Marburger Gespräch sein, er ersetzt die Weimarer Ausgabe
und die andern Quellenpublikationen nicht, ergänzt
sie aber wertvoll. Als wichtigste Quelle bezeichnet
K. wie die WA das Itinerarium Hedios, an zweite Stelle
setzt er Collin, ein ebenfalls auf selbständigen Notizen
beruhender Bericht, während der sogenannte Anonymus
eine „bewußte Komposition" aus Notizen darstellt.
Bullinger, in der WA nicht benutzt, bietet oft brauchbare
Erläuterungen zu kurzen, kaum verständlichen
Stellen. Auch alle in Betracht kommenden Briefe sind
benutzt. Erstmalig werden die Originalaufzeichnungen
Zwingiis über seine Vorverhandlungen mit Melanchthon
vollständig abgedruckt. K. gibt nun eine vollständige
Synopse aller Quellen. Darin geht er weit über die
W A hinaus. Die Berichte erscheinen in kleine Abschnitte
zergliedert unter bestimmten Titeln. Die Reihenfolge
der Quellen, die zu einem Abschnitt oder einem
Votum zusammengestellt sind, wechselt fortwährend,
K. stellt die ihm am besten scheinende Quelle an die
erste Stelle. Der ursprüngliche Bericht ist so völlig zerschnitten
, gar nicht immer vollständig abgedruckt, sondern
oft wird auf die entsprechende Stelle in einem
andern Bericht hingewiesen. K. erläutert seine Anordnung
durch kleingedruckte Bemerkungen, besonders da,
wo die Quellen inhaltlich und in der Reihenfolge nicht
übereinstimmen. Dieser Text K.s stellt also eine Zwischenstufe
zwischen den ursprünglichen Quellen und
aem rekonstruierten Gespräch dar, läßt uns in die Werk-

selben Codex ! g™"0- Beide Reformatoren lassen die Transsubstantia

Mürrhen Hueo Koch i tion fallen als ein Werk der Consecrationsworte des

Priesters. Der Glaube tritt auch im Sakrament an des
Werkes Stelle. Luther und Zwingli haben gerade im
Zusammenhang mit der Abendmahlslehre Tiefstes und
Frömmstes über den Glauben geredet. „In diesem religiösen
Quellpunkt sind sie eins" (S. 11). Schon in der
Zeit, da Zwingli noch an der Realpräsenz des Fleisches
und Blutes Christi in Wein und Brot festhält, betont er
doch, daß diese nur dann eintritt, wenn der Genießende
im Glauben darnach verlange. Den folgenschweren
weitern Schritt der Ablösung der Realpräsenz tut Zwingli
unter dem Einfluß des Briefes des Niederländers Ho-
nius. Christus sagt in den Einsetzungsworten: Das bedeutet
meinen Leib. W. Köhler betont nun vor allem
die Bedeutung des gläubigen Subjektes in dieser Abendmahlslehre
. Er formuliert sehr scharf: „Das objektive
Moment liegt also nur in der Einsetzung der Handlung
als solcher, ihren Wert aber schafft das subjektive
Gedenken". Es ist „der subjektive Glaube allein konstitutiv
gesetzt" (S. 13) und oben (S. 11) „wenn Christus
unter der Erscheinung des Brotes nur da ist, wenn
der Glaube nach ihm verlangt, so ist der Glaube
schöpferisch und absolut primär im Abendmahl". Der
zweite Abschnitt zeigt zunächst, daß auch bei Luther der
Glaube von wesentlicher Bedeutung ist beim Abendmahl
. Nun zeigt es sich aber, daß „Glaube und Glaube
hüben und drüben nicht dasselbe war" (S. 15). Köhler
erweitert den Gedankengang. Er spricht allerdings auf
der einen Seite immer wiederr vom Glauben der Reformatoren
in Bezug auf das Abendmahl, andrerseits
verallgemeinert er die an diesem Punkte gefundenen
Verschiedenheiten zwischen Luther und Zwingli und
will sie auf grundsätzliche Verschiedenheiten im Glaubensbegriff
überhaupt zurückführen, auf eine contentio
de fide schlechthin, „es geht um das Herzstück der
Reformation" (S. 17), „Es geht um eine Monographie
de fide hüben und drüben" (Anm. 17). Köhler führt
aus: Christlicher Glaube ist immer eine polargespannte
Lebensbewegung. Bei Zwingli steht der subjektive Pol
des Glaubens im Vordergrund. Luther dagegen „denkt
in religiösen Dingen primär von oben nach unten, primär
von Gott und nicht vom Menschen her" (S. 16).
So ist in Bezug auf das Abendmahl bei Luther das
Wort maßgebend, objektiv, das Wort setzt die Gegenwart
Christi, unbekümmert um die Haltung des Menschen
, auch der Ungläubige empfängt Leib und Blut
Christi, er freilich zum Gericht. „Die Polarität des
Glaubens tritt also in Luther und Zwingli in dem Sinne
auseinander, daß hier der subjektive, dort der objektive
Pol primär wird. Hier die Mystik, dort das Wort"
(S. 17).

Nun betont aber Köhler, daß bei beiden die Polarität
selbst nicht gesprengt wird, „es bleibt ein ge-