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Ausgabe:

1930 Nr. 17

Spalte:

389-390

Autor/Hrsg.:

Weiser, Artur

Titel/Untertitel:

Religion und Sittlichkeit der Genesis in ihrem Verhältnis zur alttestamentlichen Religionsgeschichte 1930

Rezensent:

Rudolph, Wilhelm

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Seite 1

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389

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 17.

390

Landersdorfer, Abt Dr. Simon, O.S.B.: Die Bücher der ,
Könige. Übere. u. erkl. Bonn: Peter Hanstein 1927. (IX, 251 S.
m. 2 Abb.) 4°. = Die Heilige Schrift d. A. T. Bd. 3, Abt. 2.

RM 7.50; geb. 9.30.

In einer kurzen Einleitung referiert der Verf. richtig über die Stellung
d« Königsbuchs im Kanon, über Inhalt und Tendenz, über Quellen j
und Entstehungszeit; bezüglich des „Verfassers" hält er sich merkwürdig
lange bei der Frage auf, ob dieser Jeremia gewesen sein könne. In
den schwierigen chronologischen Problemen folgt er den Aufstellungen
von Kugler. Die Glaubwürdigkeit des Königsbuchs wird unbedingt bejaht
, aber hier kann nicht so in Bausch und Bogen geurteilt werden.
Eine Literaturauswahl schließt die Einleitung ab. Die Übersetzung des
Textes ist flüssig, auch die Erklärung bemüht sich, dem Zweck dieses
Kommentarwerks entsprechend, um gute Lesbarkeit. Sie geht vor allem
auf die Realien recht genau ein (z. Tl. in engem Anschluß an Sandas
Kommentar); demgegenüber tritt das Biblisch-Theologische mehrfach
stärker zurück, als man wünschen möchte. Z. B. die Behandlung von
1. Rg. 19, 11 ff. ist sehr summarisch, auch was über 1. Rg. 22, 19 ff. gesagt
wird, befriedigt zu wenig. Gegen die landläufige, auch von L. gegebene
Darstellung der Ereignisse von 701 (2. Rg. 18 f.) verweise ich
auf meine Einwände im Palästinajahrbuch 1929, S. 59 ff. Bei der Besprechung
der Kultreform Josias (2. Rg. 22 f.) ist ein Eingehen auf die
neueste Phase der wissenschaftlichen Diskussion (bes. Oestreicher und
Hölscher) zu vermissen; im übrigen zeigt der Verf. bei diesem umstrittenen
Stück eine erfreuliche Zurückhaltung des Urteils. Auf Einzelheiten
einzugehen ist hier nicht der Ort.

Gießen. W. Rudolph.

Weiser, Privatdozent Lic. Artur: Religion und Sittlichkeit der
Genesis in ihrem Verhältnis zur alttestamentlichen Religionsgeschichte.
Heidelberg: Evangelischer Verlag 1928. (78 S.) 8°. RM 2.50.
Die aus einem Vortrag vor Geistlichen und Lehrern
herausgewachsene Schrift ist ein schöner Beitrag zur
theologischen Betrachtung des AT. Nachdem die
literarkritische Methode mit einem bewundernswerten
Maß von Scharfsinn u. Geduld den Pentateuch in seine
einzelnen Bestandteile zerlegt hat, und die literar- und
religionsgeschichtliche Betrachtung der Herkunft seiner
Stoffe bis ins letzte nachgegangen ist, hat unsere Generation
die Aufgabe der Synthese, der Zusammenschau.
Die dankbare Benützung des von den früheren Generationen
Erarbeiteten verhindert dabei einen Rückfall in
die vorkritische Periode. Gerade die wissenschaftliche
Erforschung der Genesis hat uns dieses Buch in eine
Fülle von Einzelstücken auseinandergelegt, die religiös
auf recht verschiedener Stufe stehen, und hat sich nicht
selten mit dieser Auflösungsarbeit begnügt. Aber es
kommt nicht nur darauf an, zu wissen, woher die einzel-
zelnen Stoffe stammen und was einmal ihr Ursinn gewesen
sein mag, viel wichtiger ist, zu erkennen, was die
Genesisschriftsteller aus der ihnen vorliegenden Überlieferung
gemacht haben und aus welchen Motiven sie
sie übernahmen oder umbildeten, damit deutlich wird,
wie trotz der Buntscheckigkeit des Bildes hier ein einheitlicher
Wille den Pinsel geführt hat. Diese Aufgabe
hat W. in vorbildlicher Weise gelöst. Er zeigt, wie der
einzigartige Gottesglaube Israels das formende Prinzip
ist, das das Rohmaterial der Überlieferung gestaltet;
Meinung und Absicht der großen Genesisschriftsteller
tritt nicht in der Übernahme von teilweise viel tiefer
stehendem Traditionsgut zu Tage, so daß es ganz verfehlt
wäre, sie mit solchen primitiven religiösen Anschauungen
zu identifizieren: „nicht im Vorhandensein
der Reste aus primitiven Religionsstufen, sondern in
deren Überwindung liegt das Wesen der a.t.lichen Reli-
gionsentwicklung in der Genesis" (S. 67). Diese Überwindung
aber geschieht durch die eigenartige Intensität
der Jahwereligion. W. weist das im einzelnen am
Gottesbegriff, an der Frömmigkeit und an der Sittlichkeit
nach und kommt zu dem Schluß: „Die Religion der
Genesis setzt ein mit der Entfaltung der Idee eines in
der Geschichte erlebten, aber von Anfang an Natur und
Geschichte überragenden, sittlichen Gottes. Der Verlauf
der israelitischen Religionsgeschichte ist bedingt
durch Vermengung und Auseinandersetzung dieses genuin
israelitischen Gottesbewußtseins mit den aus den
umgebenden Kulturen übernommenen Religionsformen.
tr hat sich vollzogen nicht in Gestalt einer mehr oder

weniger logisch-mechanischen Evolution, sondern eines
geschichtlichen Lebensprozesses, zu dem prophetische
Persönlichkeiten aus eigenem Gotterleben die religiösen
Triebe empfingen und weitergaben. Und diese Geschichte
der a.t.lichen Religion erreicht ihr Ziel in der
klaren Herausstellung des über Natur und Geschichte
erhabenen Gottes, wie sie uns auf den ersten Seiten der
Bibel begegnet" (S. 76 f.). Daraus ergibt sich, wie verkehrt
es ist, in den großen Schriftstellerpersönlichkeiten
nur Sammler zu sehen oder gar an die Stelle der Persönlichkeiten
die „Erzählungsschulen" zu setzen (S.
18 f.). Man kann dem allem nur zustimmen und wird
hinzufügen (was vielleicht nicht stark genug betont
ist), daß Männer wie der Jahwist (ein J1 u. J-' ist nicht
anzuerkennen, gegen S. 93) oder der Verfasser von P
zur religiösen Elite gehören, so daß ihre Gottesanschauung
nicht zu der Israels überhaupt verallgemeinert werden
darf. — Widerspruch möchte ich, um von Einzelheiten
zu schweigen, nur gegen einen Punkt erheben,
gegen die Leugnung universalistischer Tendenzen oder
Ansatzpunkte beim Jahwisten in der Urgeschichte (S.
34 ff.). Gewiß darf man den aus dem Mythus stammenden
Weltschöpfungsgedanken nicht überschätzen, aber
die Darstellung der Zerklüftung der Welt in Völker und
Sprachen als eine aus Sünde geborene Tragik, die nicht
hätte sein müssen, geht über das Nationale hinaus (s.
W. selbst S. 55), und die Bedeutung der genuin jahwisti-
schen Bezeichnung Jahwes als „Gott des Himmels und
der Erde" (24, 3) sollte nicht verkleinert werden
(gegen S. 33).
Gießen. W. Rudolph.

Wuttke, Lic. theol., Dr. phil. Gottfried: Melchisedech, der
Priesterkönig von Salem. Eine Studie zur Geschichte der Exegese
. Gießen: A. Töpelmann 1927. (IV, 76 S.) gr. 8°. = Beihefte
zur Zeitschrift f. die neutestamentliche Wissenschaft, 5. RM 3.50.

Diese Arbeit beschäftigt sich nicht mit Melchisedek
selbst, sondern mit der Geschichte der Exegese der von
ihm handelnden Stellen, und zwar soll an diesem Einzelbeispiel
eine Geschichte der Exegese überhaupt gegeben
werden mit dem Zweck, verschiedene exegetische
Typen herauszuarbeiten. Als wichtigste „Auslegung"
von Gen. 14, 18—20 und Ps. 110, 4 wird Hebr. 7 an
den Anfang gestellt (beachtlich ist die Annahme, die
Verse 7, 2b—3 stellen ein „rhetorisches Schmuckstück"
dar, das der Verfasser des Hebräerbriefs nicht selbst
geschaffen, sondern aus einer Tradition übernommen
habe). Der heilsgeschichtlichen typologisierenden Auffassung
des Hebräerbriefs steht/ die von allem Geschichtlichen
absehende allegorische Methode Philos
gegenüber. Nach einem kurzen Blick auf den „Historiker
" Josephus wird die rabbinische Exegese besprochen
mit ihrer geschichtslosen „Kombinationstechnik
von Worten und Buchstaben der Schrift" (S. 24) (der
Aufsatz von Billerbeck [in Strack-Billerbeck IV 452ff.]
ist in der früher im „Nathanael" erschienenen Form
beigezogen und ausgewertet). Leistet schon die Phantasie
der Rabbinen Erkleckliches, so wird die der Gno-
stiker uferlos, so daß die Anwendung des Wortes Exegese
auf diese gnostischen Melchisedek-Spekulationen
und ebenso auf die Melchisedeklegenden eigentlich zu
schade ist. In Gefilde größerer Nüchternheit kommen
wir mit der kirchlichen Auslegung der griechischen und
lateinischen Väter: zwar kann es sich auch bei ihnen
i nicht um eine historische Betrachtung der Melchisedek-
gestalt handeln, aber dadurch daß sie die Gedankengänge
des Hebräerbriefs weiter ausbauen, wird doch der
geschichtliche Boden nicht so völlig verlassen, wie es
außerhalb der Kirche geschah. Besonders die Antioche-
ner erweisen auch hier ihren gesunden Sinn für geschichtliche
Wirklichkeit. Vertreten sie die typologische
I Exegese und ist die allegorische Methode in der älteren
I Zeit seltener, so beherrscht die letztere die mittelalter-
; liehe und spätmittelalterliche Periode: sie ist „trotz aller
; Rücksicht auf den grammatischen Wortsinn die heim-
I liehe Vorliebe der Exegeten" (S. 59). Den entscheiden-