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Ausgabe:

1930 Nr. 17

Spalte:

388

Autor/Hrsg.:

Cadbury, Henry J. (Ed.)

Titel/Untertitel:

Annual of the American Schools of Oriental Research.Vol. IX for 1927-1928 1930

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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387

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 17.

388

schaffen, die diese mangelhafte Vorbildung ihrer Studenten
mit „großem" oder „kleinem" Graecum vertiefen
sollen. Für diese Proseminare (in Wttbg.: Kursus
„Griechisch III") ist die hier anzuzeigende Sammlung
geschaffen. Sie enthält Texte aus der griechischen Religionsgeschichte
von Homer bis Julian, aufgeteilt in
drei große Abschnitte: L die klassische Zeit von Homer
bis Plato (Homer, Hesiod, Altgriechische Frömmigkeit,
Philosophische Kritik der Religion, Lyriker, Orphik,
5. Jahrhundert), II. die Zeit Alexanders des Großen
und der Hellenismus (Philosophen und Dichter, Volksreligiosität
, Gottmenschentum), HI. die römische Kaiserzeit
(1.—2. Jahrhundert, Ausgang der antiken Religion
). Es sind nur die reinen Texte (natürlich nach den
neusten, genau vermerkten Ausgaben) abgedruckt, und
dem Ganzen ein Verzeichnis der angeführten Schriftsteller
mit den wichtigsten biographischen Daten beigegeben
.

Über das Recht dieser Sammlung bedarf es wohl
keiner Diskussion mehr. Da unter der eingangs geschilderten
Notlage der mangelhaften Vorbildung der Theologiestudierenden
wie gesagt bereits sämtliche deutsche
Fakultäten leiden, ist das Büchlein ein ganz dringendes
Bedürfnis. Daß es aber mit soviel Sorgfalt geschaffen
ist, daß man wird sagen müssen, es hätte kaum besser
gemacht werden können, das fordert die Bezeugung
ausdrücklicher Dankbarkeit heraus. Die Auswahl ist
so glücklich und reichhaltig, die Begrenzung des Stoffes
Im Einzelnen so weise im Hinblick auf den Zweck des
Büchleins, daß ein für den Dozenten außerordentlich
anregendes, und wie ich habe feststellen können, vor
allem auch die Studenten zu interessiertem Studium verführendes
Werk entstanden ist, das den von den Herausgebern
beabsichtigten Zweck aufs Beste wird erfüllen
können. In einer Hinsicht wird der Dienst, den die
Sammlung der wissenschaftlichen Durchbildung der
Theologiestudenten leisten kann m. E. sogar noch viel
konkreter sein als beabsichtigt. Die Bereicherung, die
die historische Exegese in den letzten Jahrzehnten durch
das neu herangezogene kultur- und religionsgeschichtliche
Material erfahren hat, kommt meist dem Studium
der Studenten deshalb recht wenig zu Gute, weil
dies Material ihnen überwiegend nur in der abgekürzten
Form vor Augen kommt, in der es die Kommentare
bieten können. Mit den herausgerissenen Sätzen, die
ihnen hier geboten werden, können die Studenten nichts
anfangen, weil sie sie nicht verstehen und das Nachschlagen
an Menschlich-Allzumenschlichem scheitert.
Wenn die Studenten nur bevor sie Exegese treiben
religionsgeschichtliche Texte einmal in, wenn auch naturgemäß
beschränktem, Zusammenhang lesen und beurteilen
lernen, so werden sie an das Material der Kommentare
mit ganz anderem Interesse und Verständnis
herangehen und man darf hoffen, daß dann so kostbare
Hilfsmittel wie etwa Lietzmanns Handbuch künftig von
den Studenten verständiger ausgenutzt werden als es
— wie man immer wieder aufs schmerzlichste erfahren
muß, wenn man genau zusieht — heute geschieht.

Nur ein Wunsch ist mir aus den ersten Unterrichtserfahrungen
mit der Sammlung erwachsen. Er strebt
keine Änderung an, wohl aber eine Ergänzung: ein
knapper Kommentar zu ihr wäre nötig. Man muß im
Laufe eines Semesters verhältnismäßig vielerlei Texte
aus der Sammlung lesen, wenn religionshistorische Erkenntnisse
herausspringen sollen. Für die Studenten
aber wird die Vorbereitung zu schwer, wenn sie sich das
nötige Material zum Verständnis einzelner Texte, etwa
für 3—5 verschiedene Schriftsteller zu jeder Stunde
neu selbst zusammensuchen müssen, zumal da sie in der
Literatur und den Hilfsmitteln der klassischen Philologie
ja gar nicht zu Hause sind. Die Folge davon ist
jetzt, daß die Vorbereitung notwendig mangelhaft ausfällt
und der Dozent selbst unverhältnismäßig viel Zeit
zur Klarstellung peripherer Probleme des Textes aufwenden
muß, was dem Zweck der Sammlung sehr ab-

i träglich ist. Was nötig ist, wäre deshalb ein ganz
1 knapper Kommentar in einem Zusatzbändchen, der kurz
den Zusammenhang, aus dem die einzelnen Stücke stammen
, skizziert, Realien und besonders sprachliche
Schwierigkeiten erklärt und die neuste, zum wissenschaftlichen
Verständnis des Textes unbedingt nötige
und meist sehr zerstreute Literatur nachweist. Ich
glaube, daß die mustergültige Sammlung erst dann ihre
I volle Fruchtbarkeit erhalten würde.

Altona-Oöttingen.__Helmuth Kittel.

| Annual of the American Schools of Oriental Research, Vol.
IX for 1927—1928. Edited by H. J. Cadbury. New Häven: Yale
University Press. 1929. (IX, 94 S.) 4°.

Über Ausgrabungen im alten Beth Schemesch, wo
Mackenzie schon 1911/12 gegraben hatte, berichtet E.
Grant S. 1—15. Unter den Funden ist zu nennen ein
Astartebild, ein Freiluftheiligtum und zwei Tempelfundamente
, bei denen freilich überzeugende Beweise für den
kultischen Charakter nicht gegeben sind, außerdem
Gräber mit reicher Keramik aus der Mittleren Bronzezeit
. Ein zweiter Bericht von E. A. Speiser S.
17—94 gilt „vorläufigen Grabungen" in Tepe Gawra
östlich von Mosul, einer prähistorischen Ortslage mit
Keramik aus drei Perioden von der neolithischen Zeit
ab und einem „Heiligtum" mit Altar in dem Hauptraum,
den an einem Ende drei Nebenräume umfassen. Sorgsame
Erörterung der Einzelheiten und 135 Abbildungen
geben dem Leser die Möglichkeit der Nachprüfung.
Greifswald._G. Dal in an.

Beer, Prof. Georg: Welches war die älteste Religion Israels?

Vortrag, geh. am 20. Juli 1927 in der Versammlung des Badischen
Prediger-Vereins zu Karlsruhe. Gießen: A. Töpelmann 1927. (39 S.)
gr. 8°. RM 1.50.

Mit der „ältesten Religion Israels" ist die vormosaische gemeint,
der Name Israel ist also proleptisch gebraucht. Die Antwort auf die
Themafrage lautet: „ein durch den Kult eines Ober- oder Großgottes
— bei den israelitischen Südstämmen bzw. ihren Vorgebilden ist es
Jahwe — gemilderter Polytheismus, hinter dem noch ältere niedere Religionsformen
durchschimmern" (S. 6). Der Vortrag ist somit ein erfreulicher
Beweis dafür, daß man in der heutigen alttestamentlichen Wissenschaft
immer mehr von jener evolutionistischen Theorie abrückt, die die Anfänge
der israelitischen Religion möglichst tief herabdrückte. Die ani-
mistischen oder, wie der Verf. sich ausdrückt, dynamistischen Elemente
sind nicht mehr die dieser Stufe entsprechende Religionsform, sondern
leben nur noch in „Reststücken" (S. 34) weiter, und „bereits vor Mose
hat die Religion Israels den Standpunkt der bloßen Naturreligion zu
verlassen begonnen" (S. 28). Mag man auch nicht alle religiösen Erscheinungen
, die der Verf. beim vormosaischen „Israel" findet, für gesichert
halten - Ahnenkult und Totemismus (S. 23 f.) scheint mir unbewiesen
—, so bleibt es doch richtig, daß der Polytheismus die dieser
Zeit adäquate religiöse Ausdrucksform ist. Auch daß Jahwe als vor
Mose schon bekannt angenommen und als „Großgott" aus den anderen
göttlichen Wesen herausgehoben wird, verdient Zustimmung, auch wenn
man die Keniterhypothese (S. 11. 16 f.) für textlich nicht genügend begründet
hält und deshalb vielleicht auch gegen die Annahme vorsichtiger ist,
der Jahwe vom Sinai sei der Gott einer Amphiktyonie gewesen, zu der auch
Israeliten gehörten (hier wird übrigens Bezugnahme auf Moritz, der
Sinaikult in heidnischer Zeit, 1916 vermißt). Dagegen wird es kaum
möglich sein, die Bekanntschaft mit Jahwe auch bei den „Vätern" d. h.
den vor Mose in Kanaan ansässigen Hebräern (S. 12 f.) anzunehmen,
i da sich so der Unterschied zwischen der El-Religion der Genesis und
j der Jahwereligion nicht erklärt: der Hinweis auf die Erschlaffung, die
i durch die Ansiedlung im Kulturland auch in religiöser Beziehung eingetreten
sei, befriedigt nicht, da man von dieser Religion der Väter
durchaus nicht den Eindruck eines Dekadenzproduktes hat. Vielleicht
hat inzwischen Alts „Gott der Väter" (1929) dem Verf. selbst Anlaß
i gegeben, seine Meinung zu ändern.

An einer etwas versteckten Stelle steht der Satz: „schon oft mögen
vor Mose israelitische Karawanen oder Einzelpersonen am Sinai und bei
Kadesch gerastet und dem hier hausenden Jahwe ihre Reverenz gezollt
haben, ohne daß sie etwas Besonderes erlebten: nur dem einen Mann
Mose war beschieden, daß ihm Jahwe hier erschien und ihm einen Auftrag
gab" (S. 12). Damit ist der Hauptpunkt berührt: was für ein und
welches Volkes Gott Jahwe vorher gewesen sein mag — dadurch, daß
Mose seine Offenbarung empfing, entstand etwas prinzipiell Neues,
durch das allein die weitere Entwicklung der Religion Israels sich erklärt
. Die vormosaische Religion hat nur insofern theologisches Interesse,
als durch sie einerseits Anknüpfungspunkte für Mose, andererseits Hemmungen
deutlich werden, mit denen der Jahwismus Moses zu ringen hatte.
Gießen.____W. Rudolph.