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Ausgabe:

1930 Nr. 1

Spalte:

362

Autor/Hrsg.:

Wotschke, Theodor

Titel/Untertitel:

Georg Friedrich Rogalls Lebensarbeit nach seinen Briefen 1930

Rezensent:

Völker, Karl

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Seite 1

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361

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 15/16.

362

geschiedkundige brennen" 1928 „Quellen zum Leben liehen Finnland in östlicher, nordöstlicher und nörd-
und den Werken von D. V. Coornhert" in niederländi- j licher Richtung beobachten. Das Verhältnis zwischen
scher Sprache herausgegeben hat, eine äußerst wertvolle , Pastor und Gemeinde beruhte ursprünglich auf gegen-
Publikation. — A. Eekhof: De Geschiedenis van ; seitigem Vertrauen, aber allmählich wurde das Gefühl
het „Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis 1829 der inneren Verbundenheit geschwächt durch Eingriffe
bis 1929", gibt die äußere Geschichte der Zeitschrift, ; von Adel und Königtum in das Wahlrecht der Ge-
die sieben Mal ihren Titel, sechs Mal den Verleger meinden, der zu dem anstößigen Handel mit Pastoraten
wechselte, aber als „het orgaan van een bepaalde neder- im 18. Jahrhundert führte.

landsche kerkhistorische school" eine feste, gute Tradi- Zwei Gruppen innerhalb der finnischen Geistlichtion
verkörperte. Welch entzückendes Bild für den, der | keit waren streng von einander geschieden, eine Pa-
Holland kennt: „het Archief is in het roefje van de storenaristokratie, gering an Zahl, aber im Besitz der
trekschuit van Leiden naar Utrecht geboren"! Es spie- [ einträglichen Stellen, und auf der anderen Seite ein
gelt sich in der Geschichte der Zeitschrift ein Stück nie- i zahlreiches Pastorenproletariat auf den entlegenen
derländischer Geschichte wieder; in einem ergänzenden j schlecht dotierten Stellen und in Kapellanstellungen.
Artikel zeigt der Mitherausgeber J. Linde boom die Endlich wird das Verhältnis der Geistlichkeit zu den
spezielle kirchenhistorische Auffassung, die das Archief anderen Gesellschaftsklassen dargelegt und gezeigt, wie
vertritt — ein Beitrag zur Geschichte der Kirchenge- ! Geschlechter im Wandel der Jahrhunderte aufsteigen

' und herabsinken, nur selten gelang es durch seltene
Energie, gepaart mit starker Begabung, Mitgliedern des
Pastorenproletariats die Hindernisse zu überwinden,
welche die traditionellen Verhältnisse ihnen in den Weg
stellten.

Suolahtis Buch ist mit seiner überaus gründlichen
Untersuchung und dem Reichtum an originalen Gesichtspunkten
sehr aufschlußreich für die Geschichte des

schichte. Namen wie Moll, de Hoop Scheffer, Acquoy
Pyper begegnen unter den Herausgebern, die sämtlich
im Bilde erscheinen, neben den opferwilligen Verlegern.
Ein ausgezeichnetes Namen- und Sachregister zu allen
erschienenen Bänden ist beigegeben. Die Zahl der deutschen
Mitarbeiter ist klein, aber wenn Gieseler, damals
in Bonn, in den „theol. Studien und Kritiken" das Erscheinen
der Zeitschrift freudig begrüßte und ihr „einen

guten Fortgang" wünschte, so sei das nach dem Ab- i geistlichen Standes in seiner Heimat, aber auch darüber

Schluß des ersten Jahrhunderts an dieser Stelle herz
liehst wiederholt. In multos annos!
Heidelberg. W. Köhler.

Suolahti, Gunnar: Finlands Prästerskap pl 1600—och
1700 — Talen. Översättning frän Finskan av Herman Gummerus.
Helsingfors: Holger Schiidts Förlag 1927. (423 S.) 8°.

Im Jahre 1909 gab der Professor der Geschichte

hinaus dürfte seine Forschung Interesse an einer wenig
gepflegten wichtigen Seite der lutherischen Geistlichkeit
erwecken.

Hadersleben. Thomas Otto A c h e 1 i s.

Wotschke, Pfarrer D. Dr. Theodor: Georg Friedrich Rogalls
Lebensarbelt nach seinen Briefen. Königsberg i. Pr.: F. Beyers

Bh. in Komm. 1928. (191 S.) gr. 8°. = Schriften der Synodalkommiss.

in Hdsin^on'-Qnnnar Suolahti ein Buch „Suomen I f. ostpreuß. Kirchengesch. H. 27. rm 4.80.

papisto 1600 — ja 1700 — luvulla" heraus. Diese . Der Briefwechsel Rogalls mit Francke, Vater und Sohn, den W.
Arbeit wird jetzt in schwedischer Übersetzung darge- aus dem Franckeschen Nachlaß in dei- Berliner Staatsbibliothek verboten
und dadurch einem größeren Leserkreis zugäng- ™^^J^*™n^™ *JL;Ä52 ^SESTL Cc3Ä2

,. , , . ~. , ... , .& „ , °,n,°n in der Zeit von 1724 bis 1731, sondern wntt zugleich ein Schlaglicht

lieh gemacht Sie bildet eine Ergänzung zu dem 1912 £ d|e KirchenpoIitik des Pietismus Oberhaupt, in jungen Jahren zu
erschienenen Buch „Suomen pappillat 1700—luvulla" (die Amt und wiirden gelangt - im 25. Lebensjahr Professor an der
Pastorate in Finnland im 18. Jahrhundert). Auf Grund j Königsberger Universität, im 28. Konsistorialrat — ging Rogall mit
sehr umfassender Studien in Archiven und unter Be- ] sich verzehrendem Eifer — er starb im 33. Lebensjahr — daran, Kirche
nutzung der einschlägigen Literatur untersucht Suolahti i und Hochschule für die pietistische Richtung, der er schroff und ein
die Geistlichkeit Finnlands als Gesellschaftsklasse im
17. und 18. Jahrhundert, ihre soziale Struktur und ihr
Verhältnis zu den anderen Gesellschaftsklassen. Es
kommt dem Verfasser also nicht auf den Einfluß der
Geistlichkeit auf kirchlichem Gebiet an, sondern auf
die sozialen und ökonomischen Verhältnisse, unter denen
sie lebte, und den Einfluß, welchen sie auf diesen Gebieten
ausübte.

Die lutherische Geistlichkeit Finnlands stammt aus
den alten Kulturgebieten im Westen und Süden des
Landes; namentlich die Schulen in Aabo, Viborg und
Björneborg bereiteten vor zur Universität, in älterer Zeit
auch direkt zum Predigtamt. Hier war das Kulturniveau
höher als im Osten und Norden. Merkwürdig klein ist
die Anzahl der aus der schwedischen Bevölkerung hervorgegangenen
Pastorenfamilien im Gegensatz zu der
finnischen "Bevölkerung _ trotz schwedischer Unterrichtssprache
. Das muß mit auf ungleichen Rasseneigenschaften
beruhen; gleichzeitig mit dem Aufkommen
finnischer Pastorenfamilien entstehen in Nyland schwedische
Adelsgeschlechter. Auch in den schwedischen
Gemeinden waren meist finnische Pastoren oder aus
Schweden eingewanderte Geistliche tätig. Außer finnischem
ist in der Zeit von Schwedens Großmachtstellung
auch viel ausländisches Blut, namentlich aus Deutschland
, Holland und Schweden, in die Pastorenfamilien

Finnlands gekommen. Trotz harter Konkurrenz der Pa- Wotschke, Pastor D. Dr. Theodor: Der Pietismus in Thü-
sl°renfamilien gegen einander machte sich eine starke ringen. Sonderdr. a. Thüringisch-Sächsische Zeitschrift f. Gesch. u.
lendenz zur Bodenständigkeit bemerkbar, sodaß oft die- Kunst. XVIII. Bd., l. H. Halle a. S.: Gebauer-Schwetschke A.-G.
jelbe Familie in derselben Gegend in drei oder mehr (&5 s-) 8°.

LJenerationen blieb; häufig kann man das allmähliche Auch in Thüringen fand der Pietismus weite Verwandern
von Familien aus dem Zentrum im Südwest- : breitung und eifrige Anhänger. Erfurt, Gotha, Weimar,

seitig anhing, zu erobern. Dieses Ziel suchte er vor allem in der
Weise zu erreichen, daß er auf dem Umwege über Francke Friedrich
Wilhelm L ausgesprochene Pietisten für frei gewordeue Stellen im
Kirchen- und Schuldienst empfahl; selbst bei der Besetzung der mathematischen
Professur griff er zu diesem oft erfolgreichen Mittel. Andrerseits
scheute er nicht davor zurück, Gegner ebenfalls mit Hilfe Franckes
durch Verunglimpfungen und Verdächtigungen kaltzustellen. Bei der
Ausweisung des Philosophieprofessors Fischer, eines Anhängers Chr.
Wolffs, aus Ostpreußen, hatte er ebenso seine Hand im Spiel wie bei
der Verfügung, daß nicht der Generalsuperintendent Quandt, sondern
er selbst die Anstellungsatteste für Kandidaten des Kirchendienstes auszufertigen
habe. In den Briefen erscheinen die Pietisten als „die Guten",
deren Gegner als moralisch minderwertige Subjekte, über deren Tun
und Lassen R. den belanglosesten Klatsch weiterzugeben nicht müde
wird. So mancher Bericht hinterläßt den Eindruck beabsichtigten
Denunziantentums und Spitzelwesens. Die dauernden Klagen über Verfolgungen
„der Guten" stehen im Widerspruch zu den Mitteilungen
über die allerdings gegen den Willen der in Königsberg maßgebenden
Faktoren, die sich gegen die pietistische Nebenregierung zur Wehr
setzten, erfolgten Beförderungen der Pietisten. Es berührt peinlich,
wie für die oft nur allzumenschlichen Beweggründe eine religiöse Rechtfertigung
gesucht wird. Ernstes Mühen um die unter dem Einfluß einer
verknöcherten Orthodoxie und eines oberflächlichen Rationalismus verkümmernde
ostpreußische Kirche wird man R. ohne weiteres zugestehen
müssen; der verdienstliche Herausgeber des Briefwechsels geht aber
in Anbetracht der offenkundigen Schranken Rs. doch zu weit, wenn er
ihn als „einen der Väter derselben" gelten lassen möchte.
Wien. Karl Völker.