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Ausgabe:

1930 Nr. 1

Spalte:

17-21

Autor/Hrsg.:

Müller, Joseph

Titel/Untertitel:

Das Friedenswerk der Kirche in den letzten drei Jahrhunderten. Bd. 1 1930

Rezensent:

Dannenbauer, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 1.

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Scheinen in der Diözese Magdeburg den Treffpunkt von Grund des Abzugs der Hunnen nüchterner denken (partim fame, partim

Harmonie Fvanfrelien- und Enistelperikopenübersetzung morbo bewogen verließen sie Italien, MG. Auct. Antiqu. XI, 26, das

tSS&LOpS^SS^L^S ZU Halle ver- Schicksal Alarichs fürchtend, ebda V I, I.4f.); ähnlich steht es mit der

Stärket außerdem noch durch ™»^hgen Q«cUchte, die der über Pontifical.s über den Eindruck

Starken aie Wdiiisciiciiiiiciiiccu, u'^a .1:~, . . p.- Gregors II. auf den ümgobardenkomg berichtet; wenn der eutkatholi-

die sprachlichen Eigenheiten von ü gestutzt wirü. uiese sche Könjg auch dem Papst a„e äulieren Ehrc„ erwies> so Hnflte dieser

doch politisch vollständig nachgeben (vgl. L. Mi Hartmann, Gesch. Italiens
II 2, 98). Noch bedenklicher ist der Lobpreis Bonifazens VIII. als
„Friedensstifter Italiens" und seiner Nachfolger als Vermittler im 100 j.
Krieg zwischen England u. Frankreich. Dali Bonifaz ungeheuere Kosten
aufwandte, um Sizilien wieder den Franzosen zu unterwerfen, daß er
Toskana zu erobern suchte, Palestrina zerstörte usw., daß ihm seine Ankläger
später — zum mindesten nicht ohne Schein des Rechts — das Wort

weisen in dieselbe Richtung, in den Südteil des Magdeburger
Sprengeis. Dagegen leitet die Spracheigenheit
von U nach dem Westen, wohl in die Mainzer Gegend.

Überprüfen wir noch einmal nach dem Ergebnis die
Verwertbarkeit der von Maurer aufgestellten methodischen
Grundsätze, so kann wohl gesagt werden, daß

7 ,. ; , j '• il_e 7,„™,o.lv;linicce mit Kläger spaier — zum mindesten mein onne »cnem aes Kecms — das Wort

komplizierte und wichtige Überlieferi^ | jn den Mund IeKen konnten: Der Papst kaml nicht Papst sein wenn Jjj

Krieg zwischen den Fürsten, Zwietracht zwischen den Kardinälen, Zwietracht
zwischen den Großen der Stadt besteht, das scheint Herrn M.
ebenso unbekannt zu sein, wie der Umstand, daß der 100 j. Krieg begonnen
worden ist mithilfe päpstlicher Gelder, die Johann XXII. dem
König von Frankreich dazu vorstreckte. Ähnlich haben ja auch spätere Päpste
(im Schmalkaldischen und im 30 j. Krieg) sich durch Geld- und Truppensendungen
als „Friedensstifter" betätigt. Mit Erstaunen liest man auch
den Satz über die Dienste, die das Papsttum den Deutschen erwies, indem
es 43 Kaiser krönte (ich bringe, auch wenn ich die fränkischen
Könige, die Kaiser wurden, einrechne, nur 23 von den Päpsten gekrönte
deutsche Herrscher heraus), daß das Kaisertum grundsätzlich als Friedensinstitution
gedacht war, und daß die päpstliche Prüfung der Würdigkeit
des Kandidaten „völkerbeglückend" war (z. B. bei Philipp, Otto IV.
und Friedrich II. oder bei Ludwig d. B. und Friedrich d. Sch.?!).
Schließlich erfahren wir gar noch, daß die bekannte Weltverteilung
Alexanders VI. (Bulle Inter caetera 1493) ein päpstlicher Schiedsspruch
gewesen ist, der weiter nichts bezweckte als eine Zuteilung von Einflußsphären
zum Zweck der Mission und im Interesse der Eingebornen.
Wer die Bulle einmal gelesen hat (s. Mirbt4 S. 247), der weiß, was von
den Bemühungen Pastors (Gesch. d. Päpste III 5—7 S. 619 ff; übrigens
nur eine Paraphrase mit z. T. wörtlichen Entlehnungen von Ehrle S. J.
in Stimmen aus M. Laach 46, 1894, S. 383 ff) sie zu einem Schiedsspruch
Hinzudichten zu halten ist. Ein höchst merkwürdiger Schiedsspruch
in der Tat, der ergeht auf Anrufen lediglich einer Partei (Spaniens),
ohne daß die andere Partei überhaupt etwas davon weiß (noch ein
Vierteljahr später kannte Portugal den Inhalt nicht). Wenn das „die
berühmteste Urkunde internationaler Schiedsgerichtsbarkeit" (Müller S. 23)
ist, dann können wir uns ja auf interessante „Schiedssprüche" der
Päpste gefaßt machen. Dann war der Versailler Vertrag am Ende auch
ein schiedsgerichtlicher Spruch. Mit Interesse hört man auch von den
kolonisatorischen Verdiensten der spanischen Conquistadoren in der
Neuen Welt, diesen „Vorkämpfern der Humanität" und „Märtyrern der
Idee", die nie auf die Menschenjagd gingen und frei waren vom Geiste
des Utilitarismus (Müller S. 23).

ihrer Hilfe hier geklärt sind. Neben den wohl kaum
widerlegbaren Hauptfeststellungen, neben den mit abfallenden
wertvollen Einblicken in die Zeitverhaltnisse,
die die (symptomatische) Geschichte dieser Urkunden
uns tun läßt, erfreut vor allem auch die betont vorsichtige
Form, die Zurückhaltung im Schließen und
Verwerten, die das Buch zu einem Beispiel sorgsamer
und scharfsinniger Hs-Untersuchung macht.
Göttingen. W. Kohlschmidt.

Müller, Joseph: Das Friedenswerk der Kirche in den letzten
drei Jahrhunderten. Die Diplomatie des Vatikans im Dienste
des Weltfriedens seit dem Kongress von Vereins 1598. Völkerrechtliche
dokumentierte Darlegung in zwei Bänden. Bd. 1 : Die
Friedensvermittlungen und Schiedssprüche des Vatikans bis zum
Weltkriege 1917. Sammig. ausgewählter Aktenstücke über die
Friedensutigkeit des Heiligen Stuhles. Berlin: Deutsche Verlags-
gesellsch. f. Politik und Geschichte 1927. (VIII, 483 S.) gr. 8°.

Lwd. Rffl 27-; Hldr. 30-.

In der modernen Friedensbewegung hat die katholische
eine besondere Eigenart dadurch, daß sie sich bemüht
, das Papsttum als die gegebene internationale Instanz
für Vermittlung und Schiedssprüche zu empfehlen.
Auf diesen Gedanken sind mehr oder minder abgestimmt
die Schriften von H. Wehberg, Das Papsttum und der
Weltfriede 1915, J. B. Sägmüller, Der Apostolische
Stuhl und der Wiederaufbau des Völkerrechts und Völkerfriedens
1919; ders., Papst, Völkerrecht und Völkerfrieden
1924, endlich das Buch des Dominikaners F. M.
Stratmann, Weltkirche und Weltfriede 1924, der sogar
geneigt ist, den Krieg mit Bann und Interdikt zu verbieten
. Ähnliche Zwecke verfolgt die Aktensammlung
des päpstlichen Cavaliere und Dr. jur. J. Müller; sie
will die römische Kirche als traditionelle Trägerin des
Friedensgedankens zeigen, um dadurch die öffentliche
jMeinung itnd die Diplomaten „zu einer gerechten Würdigung
des Friedenswerkes der Kirche zu veranlassen und
für künftige Großtaten kirchlicher Friedensstiftung vorzubereiten
".

Über die religiöse Berechtigung des päpstlichen Anspruches, der
Schiedsrichter der Welt zu sein, kann man ja verschiedener Meinung
sein. Es wird vielleicht Leute geben, die an Luk. 12 v. 13. 14 und daneben
an Joh. 13, 16 denken. Auch ist es nicht ohne Interesse, sich
die voraussichtlichen Rückwirkungen auf das Papsttum vorzustellen: die
einzelnen Staaten werden dann wohl, wie im 13.—17. Jahrhundert, sich
um eine Partei im Kardinalskollegium und unter den Kurienprälaten bemühen
und langedauernde, heftige Konklavekämpfe — zumal wenn die
Papstwahl in eine schwebende große europäische Streitfrage hineinfällt,
man denke sich etwa einen italienisch-französischen Konflikt — können
dann sehr wohl wieder sich einbürgern. Doch lassen wir solche Zukunfts-
betrachtungen, wie es werden könnte, und erforschen wir aus Müllers
Aktensammlung, wie es gewesen ist.

Das Buch hat eine doppelte Einleitung: ein sehr
panegyrisches, einen yollen Druckbogen langes Widmungsschreiben
an den König von Spanien, in dem Spanien
als die Heimat großer humanitärer Ideen gepriesen
wird, und ein Vorwort, das den päpstlichen Stuhl als
die älteste standige Vermittlungsinstanz der Weltgeschichte
rühmt.

Was der Herausgeber hier an geschichtlichen Kenntnissen von sich
gibt, ist geeignet, lebhaftes Erstaunen zu erregen. „Das päpstliche Rom
h a nur eine heÜige Weltstadt d« ewigen Friedens sein, an dem
sich die Wogen menschlicher Leidenschaften brechen". Bewiesen wird
d»s mit Berufung auf die „Vermittlung" Leos I. bei Attila — andere
Leute würden diesen Schritt für Friedensbitten halten, auch über den

Die Aktensammlung setzt ein mit dem Frieden von
Vervins 1598; dann folgen in der Hauptsache Vermittlungsaktionen
aus dem 17. Jahrhundert: italienische
Streitigkeiten, Westfäl. Friede, die Friedensschlüsse Ludwigs
XIV.; für das 18. ist die Ausbeute in Anbetracht
der zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Papsttums
sehr spärlich. Erst mit Consalvi wird die Kurie wieder
diplomatisch aktiv, und die volle zweite Hälfte des Bandes
ist mit Dokumenten aus dem 19. und 20. Jahrhundert
gefüllt, die bis zu dem päpstlichen Vermittlungsangebot
vom 1. Aug. 1917 reichen, dem „Höhepunkt
der Weltgeschichte" (Müller S. 41). Die Frage ist nun
ob die mitgeteilten Dokumente alle zum Beweis geeignet
sind für die besondere Rolle der Kurie als Vermittler
und Schiedsrichter in internationalen Streitigkeiten.

Die erste Gruppe, die Akten zum Frieden von Vervins und zum
Saluzzokonfiikt (1598—1601) enthält, entspricht dem auch; der Friede
zwischen Frankreich und Spanien ist großenteils ein Verdienst der Kurie,
die sich seit 1595 darum bemüht hatte; ebenso verhält es sich mit den
Vermittlungen in italienischen Angelegenheiten (no 28 -46), besonders
dem Streit um Mantua (1628 ff). Aber - und das ist wohl im Auge
zu behalten - so uneigennützig, wie die von M. mitgeteilten Stücke
es erscheinen Jassen können, war das Friedensstreben der Kurie keineswegs
. Den Frieden von 1598 erstrebte sie, weil ihr die Erschöpfung
der katholischen Mächte und das Aufsteigen der protestantischen (Englands
und Hollands vor allem) schwere Sorgen machte (Lavisse, Histoire
de France VI 1, 411), die Rolle des Schiedsrichters im Saluzzokonfiikt
war ihr sehr unerwünscht (ebda. VI 2, 108; Ranke, S. W. 9,28), und
sie suchte sich ihr lange zu entziehen, und in Italien suchte sie teils
aus Furcht für ihren eigenen Staat den Frieden zu erhalten, teils um
die Kräfte Spaniens und Österreichs ganz für den Krieg in Deutschland
freizumachen. Denn dem deutschen Krieg gegenüber waren die Päpste
(Gregor XV. und Urban VIII.) keineswegs pazifistisch angehaucht; über
ihre fortwährenden großen Geldopfer zur Unterstützung des Kampfes