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Ausgabe:

1930 Nr. 1

Spalte:

358-359

Autor/Hrsg.:

Bibl, Viktor

Titel/Untertitel:

Maximilian II., der rätselhafte Kaiser; ein Zeitbild 1930

Rezensent:

Völker, Karl

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357

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 15/16.

358

Besonders klar orientiert H. über die Frage der „Bekehrung" Calvins.
„Calvins Glaube und Persönlichkeit" erhalten einen großen Abschnitt.
In der Beurteilung der altgenferischen Partei im Abschnitt „Das Werk
in Genf" hätte ich etwas schärfere Akzente gewünscht. Gewiß „hat
Calvin . . . eine Härte gezeigt und Mittel verwandt, die menschlicher
Billigkeit und dem Geiste des Evangeliums nicht entsprechen" (S. 60),
aber die Perrinisten haben doch die französischen Refugianten und die
Gesetzgebung Calvins völlig blind bekämpft und nach ihrer Verbannung
bei Savoyen Hilfe gesucht. Das war nicht mehr Patriotismus, sondern
Kampf um die persönliche Macht. Gerade durch die Härte Calvins und
durch die Treue der Refugianten wurde die Freiheit Genfs gesichert.
Bei der Beurteilung des Servetprozesses betont H., „daß die Reformation
überhaupt noch nicht die Gewissensfreiheit gebracht hat" (S. 57).
Er versteht darunter, wie aus seiner Schrift „Religiöser Individualismus
und religiöse Gemeinschaft im Christentum", Gotha 1928, hervorgeht,
freie Religionsübung im Staate. Das ist aber hier nicht ganz deutlich.
Es fehlt eben der Hinweis darauf, daß es Calvin wie den andern Reformatoren
klar war, daß der Glaube nicht erzwungen werden kann (vgl.
Doumergue VI, 143). Calvin erhebt auch im Servetprozeß nicht den
Anspruch, über den Glauben zu urteilen; denn diesen gibt und kennt
nur Gott, sondern es handelt sich für ihn um die Bestrafung eines
öffentlichen Gotteslästerers. Ich glaube darin doch Doumergue folgen
zu müssen. Sehr lehrreich ist die Parallele zwischen Calvinisten und
Jesuiten (S. 91). Doch wäre es nach meinem Dafürhalten hier notig
gewesen, noch einmal ganz deutlich zu sagen, wie Calvin das Verhältnis
zwischen Gott und Mensch versteht, daß nämlich der Mensch in all
seinem Tun Gott gegenüber keinen Anspruch auf irgendwelche Anerkennung
begründen kann.

Das Büchlein ist zur Verbreitung der Calvinkenntnis sehr zu
empfehlen.

Zürich. Leo v 0 n M u r a 11.

Fendt, Pfr. Dr. Leonhard: Der Wille der Reformation im
Augsburgischen Bekenntnis. Ein Kommentar für Prediger und
Predigthörer. Leipzig: H. G. Wallmann (1929). (137 S.) 8°.

RM 4.50 ; geb. 5.50.

Fendt bietet zunächst eine eigene Übersetzung des
lateinischen Textes Wittenberg 1531. Anmerkungen
geben die Abweichungen nach dem von Paul Tschackert
gebotenen lateinischen Text an. Die Übersetzung ist
gut, wirklich „gegenwärtig" und leicht lesbar. Zu beanstanden
ist aber, daß Fendt den Eingang des ersten
Artikels „Ecclesiae ... apud nos docent" wiedergibt
mit „Die Gemeinden auf unserer Seite lehren".
Die Ecclesiae sind die Landes- (oder Stadt)-kirchen.
„Gemeinden" gibt einen falschen Eindruck. Ferner stört,
daß Fendt vielfach, zum Glück nicht immer, dem Worte
Christus den Artikel vorsetzt: „wegen des Christus",
„durch den Christus".

Der „Kommentar", der jeweils der Übersetzung
der einzelnen Artikel folgt, steht unter dem Vorzeichen:
„Das Jubiläum der Augustana darf nicht in der Vorzeigung
einer Reliquie bestehen, sondern der Impuls
der Reformatoren, der in der Augustana gebunden da-
liegt, muß hervorbrechen" (12). Nicht gelehrte historische
Erklärung bietet Fendt, aber in die Sache, von
der das Bekenntnis redet, führt er mit großem theologischen
Ernste ein. Nicht um die damals aktuellen Antithesen
, sondern um die Thesen des Bekenntnisses geht
es ihm, oder wenn um die Antithesen, dann in ihrer
heutigen Aktualität, also als solche gegen den Menschen 1
von heute, „auch mitten in den reformatorischen Kirchen
" (38). Der ganze tiefe Ernst, die ganze Höhe,
Schärfe, Einfalt des reformatorischen Bekenntnisses
kommt zu geistesmächtigem, eindringlichem, oft gewaltigem
Ausdruck. Man steht im Banne der durch Fendt
so treu vermittelten Sache, von der ersten bis zur letzten
Zeile. In jedem Abschnitte freut man sich prächtiger
Wendungen. Dabei tut die Anschaulichkeit und Schlagkraft
dieses Predigers der Klarheit und Strenge des
theologischen Gedankens keinen Abbruch. Ich wurde
an H. Bezzel erinnert, nur daß Fendt schlichter und
knapper redet. Man könnte unter sein ganzes Buch den
Satz schreiben, den er selber ähnlich am Schluß der
Erläuterung des 20. Artikels, mit besonderer Beziehung
auf diesen formuliert (S. 90): „Nun lese man nochmal
• .• • die Augustana und man wird staunen, wie modern
sie ist". Treue und Freiheit aus dem eigenen Verhältnis
zur Sache heraus durchdringen sich vorbildlich. Zu den

Formeln des 2. Artikels über die Erbsünde heißt es
(25): „Die Formulierung ist menschlich und muß
menschlich sein; die Formulierung könnte an und für
sich anders werden . .; es darf also wegen anderer
Formulierungen wirklich niemand verketzert werden,
falls einer die Sache ganz festhält unter anderen Formeln
. Aber gerade die Sache lädt uns ein, nicht erst
andere Formulierungen zu suchen". — Alles in allem:
wir danken dem Verf., daß er uns zum Jubeljahr dieses
Buch gegeben hat. Es wird — dessen bin ich gewiß —
seine Aktualität und Wirkung über dieses Jahr hinaus
haben, als eine besonders klare, lebendige und machtvolle
Vergegenwärtigung des reformatorischen Bekenntnisses
.

Die Darstellung von Luthers Rechtfertigungsgedanken auf S. 136,
Anm. 5 („daß die Sündenvergebungsgewißheit auf der Erneuerung aufruht
") halte ich für verkehrt. — S. 51 findet sich ein Versehen: das
Wort „Wer da glaubet und getauft wird . . ." steht nicht bei Johannes,
sondern im Markus-Schlüsse.

Erlangen. P. Alt haus.

Bibl, Viktor: Maximilian IL, der rätselhafte Kaiser; ein Zeitbild
. Hellerau b. Dresden: Avalun-Verlag 1929. (426 S. und 33
Bilder). RM 20—.

Maximilian II. fällt aus dem Rahmen der Geschichte
seiner Familie insofern heraus, als er als einziger
Habsburger zur Reformation eine persönliche
Stellung gewonnen hat. Während die Mitglieder des
Herrscherhauses, dem er angehörte, durchwegs bis auf
Josef IL eine ihrer Hauptaufgaben in der Befestigung
des römischen Katholizismus erblickten, machte er aus
seinem Interesse für den Protestantismus kein Hehl.
Zur neuen Lehre trat er zwar nicht über, der alten
Kirche gegenüber verhielt er sich aber so lau, daß man
in Rom zeitweilig seinen Abfall befürchtete. Als Kronprinz
verkehrte er ungeachtet seiner spanischen Gemahlin
, einer Schwester Philipps IL, mit besonderer
Vorliebe freundschaftlich mit protestantischen Reichsfürsten
, deren Sorgen um das Augsburgische Bekenntnis
er teilte, als Kaiser hielt er sich zwar äußerlich bei
Amtshandlungen zur Papstkirche, in der Todesstunde
wies er aber trotz seiner behaupteten Bekehrung die
Sterbesakramente zurück, wohingegen er sich bei einem
andern Anlaß das Abendmahl sub utraque von dem
Linzer Prädikanten hatte reichen lassen. In seinen Erblanden
tat er nicht nur nichts, um die Ausbreitung der
neuen Glaubensrichtung zu unterbinden, sondern stellte
das junge evangelische Kirchenwesen, wenigstens in
Nieder- und Oberösterreich, sogar auf eine Rechts-
gi-undlage, wobei er dem Römischen Stuhl gegenüber
auf dessen Vorstellungen seine Handlungsweise durch
zweideutige Erklärungen, worin er mit seinem angeborenen
diplomatischen Geschick auch sonst ein Meister
war, zu verschleiern suchte. Beim Niederländischen Freiheitskrieg
verurteilte er die Maßnahmen seines Vetters
und Schwiegersohnes Philipps IL, und die Bartholomäusnacht
erfüllte ihn wie sein von B. in photographischem
Abdruck veröffentlichter Brief an den sächsischen
Kurfürsten August v. 23. Dez. 1572 beweist, mit
Abscheu, wiewohl .sein Schwiegersohn Karl IX. daran
beteiligt war. Andererseits mißtrauten die Protestanten
dem Kaiser gerade wegen seiner Verschwägerung mit
dem spanischen und französischen Hof. Bei diesem Tatbestand
hat die Frage nach der konfessionellen Einordnung
Maximilians II. die historische Forschung begreiflicherweise
lebhaft beschäftigt. Seit Hans Hopfen
(1895) ist es üblich, vom Kompromißkatholizismus des
Kaisers zu reden, wiewohl Robert Holtzmann (1903)
nachgewiesen hat, daß Maximilian II. vor seiner Thronbesteigung
als Protestant Melanchthonischer Richtung
anzusehen sei. Der Wiener Historiker B. greift dieses
Problem in seiner groß angelegten Monographie, der
ersten in dieser Art, abermals auf. Die Voraussetzungen
für eine solche Arbeit sind bei dem V. in besonderer
Weise vorhanden. In einer Reihe von Einzeluntersuchungen
hat er, jedesmal unter Heranziehung neuer