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Ausgabe:

1930 Nr. 1

Spalte:

352-353

Autor/Hrsg.:

Bilkins, W.

Titel/Untertitel:

Die Spuren von Vulgata, Brevier und Missale in der Sprache von Heinrichs Chronicon Livoniae 1930

Rezensent:

Masche, ...

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 15/16.

352

österliche Taufliturgie (S. 118-163). 4. Der Vf. des 4. Evangeliums hat
den Aufriß der Didache seinem Leben Jesu zugrunde gelegt (S. 163—194).

Diskutabel ist von alledem, was der Vf. an Neuem vorbringt,
lediglich die These, daß Did. 1 — 10 eine einheitliche liturgische Feier
beschrieben wird: c. 1—6 Taufpredigt; c. 7 die Taufe; c. 8 Tauffasten
und Vaterunser; c. 9—10 die auf die Taufe folgende eucharistische
Feier. Es wäre in der Tat möglich, daß eine Taufe mit Erstkommunion
die Reihenfolge der Ausführungen Did. 1 —10 bestimmt hat. Aber ein
Doppeltes mahnt zur Vorsicht: 1. es fehlt auch die geringste Andeutung
nach dieser Richtung und 2. das neugefundene koptische Fragment
zu Did. Xs — Xlh (ed. Horner in: Journal of Theol. Studies,
April 1924, S. 225—231) bringt das im Byrennios-Text nicht enthaltene
Salbölgebet nach den eucharistischen Gebeten (c. 9/10) und nicht, wie
nach der These des Vf.s zu erwarten wäre, nach der Taufe.

Der von Gr. behauptete Zusammenhang zwischen den Gebeten
Did. 9/10 und der jüdischen Passahliturgie besteht nicht. Es sei für
den Leser, der die jüdische Gebetsliteratur nicht voll übersieht, ausdrücklich
bemerkt, daß die zum Vergleich mit Did. c. 9—10 auf S. 40—45
abgedruckten jüdischen „Passahgebete" mit Ausnahme des Müsäph-Gebetes
auf S. 41 identisch sind mit den vier Benediktionen des üblichen
täglichen Nach-Tisch-Gebetes, das natürlich auch nach dem Passahmahl
gesprochen worden ist. Ist es schon irreführend, daß das nicht
klar gesagt wird, und der Anschein erweckt wird, als handele es sich
nm specielle Passahgebete, so durfte vollends nicht S. 44/45 ein Teil
der vierten Benediktion abgedruckt werden, dessen späte Entstehung, wie der
Vf. wissen mußte (S. 40 4), Billerbeck soeben (Komm. IV 628) erwiesen hat.

Der Beachtung wert sind dagegen die mit der Arbeit
nur ganz lose zusammenhängenden einleuchtenden
Ausführungen zum alttestamentlichen Q^-Problem (S.

89—105). „Sem bedeutet niemals ,Wesen' im A.T."
(S. 99). Auf die richtige Erkenntnis führen vielmehr
Stellen wie Gen. 11,4; 16,13 (hier ist Jahwä Glosse);
2. Sam. 8, 13a. Wenn es beispielsweise in der Turmbaugeschichte
heißt: „Auf, bauen wir uns eine Stadt
und einen Turm, dessen Spitze bis in den Himmel ist,
und machen wir uns einen damit wir nicht zerstreut
werden auf der Erde" (Gen. 11,4), so läßt die
babylonische Zikkurät, mit der Gotteswohnung auf der
höchsten Spitze, vermuten, daß mit sem die Gottheit (bzw.
das Gottesbild) gemeint ist. Von sem = Gottheit (Gottesbild
) aus erklären sich alttestamentliche Wendungen wie:
„einen sem aufstellen"; „einem sem ein Haus bauen";
„einen sem wohnen lassen" usw. Ferner bezeichnet sem
das Eigentumskennzeichen, das dem Gezeichneten das
Anrecht auf den Schutz des Besitzers verbürgt; den, der
Gottes sem trägt, schützt er „um seines sem willen"
(S. 104 f.). Endlich wird die Wendung Q$

'D »em Name wird über jemandem ausgerufen" im

Zusammenhang mit alten Hochzeitssitten als Formel der
Besitzergreifung gedeutet (S. 97 f.).

Greifswald.__Joachim Jeremi as.

Knopf, D. Rudolf: Ausgewählte Märtyrerakten. 3., neu-
bearb. Aufl. von Gustav Krüger. Tübingen: J. C. B. Mohr 1929.
(XI, 135 S.) gr. 8°. = Sammlung ausgew. kirchen- und dogmen-
geschichtl. Quellenschriften, N. F. 3. H. RM 5.60.

Die ausgewählten Märtyrerakten, deren 2. Auflage (1913) noch
Rudolf Knopf selbst hatte herausgeben können, sind in der neuen, von
Gustav Krüger besorgten Auflage rein äußerlich angesehen nur um
21 Seiten gewachsen; aber die Verwendung einer bedeutend kleineren
Typengattung hat ermöglicht, daß auf den 135 Seiten der neuen Ausgabebedeutendmehr
geboten wird, als in dem Plus von 21 Seiten zum Ausdruck
kommt: Die Zahl der abgedruckten Märtyrerakten ist von 21 auf
33 gestiegen. Die Akten des Karpus, des Papylus und der Agathonike
(Nr. 2) sind um die lateinische Fassung der Karpusakten vermehrt. Neu
hinzugekommen sind die Quellen zu den Martyrien des Acacius (Nr. 11),
des Konon (14), des Marianus und Jakobus (15), des Montanus und
Lucius (16), des Eructuosus (17), des Cassianus (21), die griechische
Fassung der Akten des Euplus (Euplius, 25), die Martyrien bez. Akten
des Irenäus (26), des Julius (27), des Claudius Asterius und seiner Genossen
(28), der Crispina (29), des Sabas (33). Die Stücke Nr. 4
(Justin), 20 (Marcellus), 22 (Felix) werden in verbesserter Textgestalt
geboten. Der Druck ist, nach Stichproben zu urteilen, korrekt (kleinere
Versehen: S. 119, Z. 16 lies ulov, Z. 25 f. lies üjcaKof|V, S. III, Z. 15
lies Marianus). Für Seminarübungen sind Märtyrerakten ein in seiner
Ergiebigkeit wohl erprobter Gegenstand; die Knopf-Kriigersche Ausgabe
bietet dazu ein treffliches Hilfsmittel.

Jena. _ Karl Heussi.

H alkin, Francis, S. J.: Les Vies grecques de S. Pachöme.

Bruxelles: Societü des Bollandistes u. Paris: A.Picard 1929. (S.
376—388) gr. 8°. = Analecta Bollandiana, XLVII, 3/4.

Der gelehrte Bollandist berichtet hier über acht auf
Pachomius bezügliche Texte (6 ßloi, der Brief des Bischofs
Ammon an den Patriarchen Theophilus von
i Alexandrien und die von Papebroch Paralipomena ge-
i nannte Sammlung von Einzelberichten) und ihre hand-
i schriftliche Überlieferung. Von diesen Texten ist nur
einer, und zwar der am wenigsten wichtige, die sechste,
eine „compilation bizarre" bildende vita, in einer heutigen
Anforderungen genügenden Weise von M. F. Nau
in Bd. IV der Patrologia Orientalis nach der einzigen
noch vorhandenen Handschrift, dem cod. Parisinus 881
aus dem 10. Jahrhundert, herausgegeben worden. Die
drei von den Bollandisten des 17. Jahrhunderts in den
Acta Sanctorum, Bd. III Mai, veröffentlichten Texte
(die älteste vita, der Brief Ammons und die Para-
| lipomena) sind infolge schwieriger Verhältnisse mangelhaft
und unzuverlässig ausgefallen. H. hat eine neue
Ausgabe aller Texte, mit Ausnahme des von Nau veröffentlichten
und der Vita Quarta, die nur zur Ver-
gleichung der Lesarten herangezogen wurde, fertiggestellt
. Sie beruht auf einer neuen Collationierung der
j Handschriften und soll unter dem Titel Sancti Pachomii
i Vitae graecae als Nr. 20 der bollandistischen Subsidia
Hagiographica in Bälde erscheinen. Am wichtigsten und
Quellen ersten Ranges sind die Vita Prima, die allem
nach auf unmittelbare Schüler des Pachomius zurückgeht
, und der Brief Ammons, dessen Verfasser zwar den
Mönchsvater nicht mehr selbst gesehen, aber kurz nach
dessen Tod drei Jahre mit den Pachomianischen Koino-
biten unter der Leitung des hl. Theodor zugebracht hat.

München. Hugo Koch.

Bilkins, W.: Die Spuren von Vulgata, Brevier und Missale

in der Sprache von Heinrichs Chronicon Livoniae. Riga: (Walters 8c
Rapa) 1928. (95 S.) 8°. RM 2.50.

Der Verf. gibt in seiner wohl von Arbusow angeregten
Arbeit tabellarisch alle Entlehnungen Heinrichs
von Lettland aus der Vulgata, dem Brevier und dem
Missale sowie im Anhang aus dem Martyrologium wieder
, ohne freilich dann einen ernstlichen Versuch zur
Auswertung seiner Tabellen zu machen. Auch bei ihm
bleibt die Frage ungelöst, welche Wortverbindungen
denn nun wirklich „Zitate", d. h. der Literatur ent-
i nommen sind, welche andern sich wohl in der Sprache
| der Vulgata usw. finden, aber selbstverständlicher
1 Sprachschatz eines Geistlichen des 13. Jahrh. sind.
So besagt es schließlich nicht mehr viel, wenn etwa der
Ausdruck in Heinrichs Chronik IX, 2 (ed. Arndt, M. G.
SS. in us. schol. p. 21) maior natu auf Judith 2, 2 zurückgeführt
wird.

Sehr beachtlich ist die Feststellung, daß ein großer
Teil der Vulgata-Zitate — B. zählt einschließlich der
Wiederholungen ca. 775 — nicht unmittelbar, sondern
aus dem Brevier entnommen sind, und daß zwei Zitate,
deren erstes schon Arndt in seiner Ausgabe der Chronik
auf Sulpicius Severus zurückgeführt hatte (1. c.
I, 11 p. 4 und XVII, 1 p- 106, Bilkins S. 9 u. 37), nicht
aus originaler Lektüre desselben, sondern auf dem gleichen
Wege, durch das Breviarium dem Chronisten bekannt
geworden sind.

Am wichtigsten wäre die systematische Sammlung
des Zitatenschatzes natürlich für die historische Kritik.
Gerade hier aber begnügt sich B. mit einigen oberflächlichen
Bemerkungen und mit der Annahme, daß alles,
was nicht mit den eigenen Worten des Chronisten ausgedrückt
sei, nicht „wörtlich zu verstehen" (S. 92) sei
und zu falschem Urteil führe. Aber wenn Heinrich die
in Brevier, Missale und Martyrologium häufige Verbindung
humiles et pauperes in dem Satz Wendi autem
humiles erant eo tempore et pauperes (1. c. X, 14 p. 40)
anwendet, so ist doch viel eher anzunehmen, daß ihm
die Eingeborenen damals tatsächlich in diesen Eigen-