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Ausgabe:

1930 Nr. 13

Spalte:

308-311

Autor/Hrsg.:

Husserl, Edmund

Titel/Untertitel:

Formale und Transzendentale Logik 1930

Rezensent:

Winkler, Robert

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 13.

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für seine mannigfachen Spezialarbeiten, besonders die
„Politische Geschichte des Eichsfeldes" (1792 t.) und die
„Geschichte des Gymnasiums von Heiligenstadt" (1816)
die historia eingehend benutzt und der letzteren Schrift
Auszüge beigefügt, die er sich für Schulsachen aus der
historia, aber auch gelegentlich aus den literae annuae
gemacht hatte. Später hat er aus der gleichen Quelle
einen Appendix historiae ecclesiasticae Eichsfeldiae
(1820) veröffentlicht. Alsdann hat Joh. Brüll in einem
rleiligenstädter Gymnasialprogramm (1897) u. d. T.
„Urkundliches zur Geschichte des Heiligenstädter Jesuitenkollegiums
" Joh. Wolfs Arbeiten kritisch erörtert
und sich hierbei ausführlich mit der historia beschäftigt;
seine Abhandlung verdient an dieser Stelle noch besondere
Erwähnung, weil Freckmann seiner Publikation
keine einleitenden Worte vorausgeschickt hat. Sogar die
wichtige Frage, wer den ersten Teil der historia verfaßt
hat, ist nicht in einer Einleitung, sondern in einer versteckten
Anmerkung (S. 61 f.) behandelt; Freckmann
leugnet übrigens die Annahme von Wolf und Brüll, daß
der Pater Joh. Kopper die historia bis 1602 geschrieben
habe, und führt deren Übereinstimmung mit Koppers
adversaria auf deren Benutzung durch den Autor der
historia zurück. Da ferner das Jesuitenkolleg in Heiligenstadt
die Gegenreformation auf dem Eichsfelde entscheidend
beeinflußte, und diese in den letzten Jahrzehnten
wissenschaftliche Auseinandersetzungen verursachte
, gewann für dieselben die historia eine besondere
Bedeutung, namentlich für die katholischen Forscher.
So hat Knieb bei seiner ^„Geschichte der Reformation
und Gegenreformation auf dem Eichsfelde" (2. Aufl.
1909) die historia stark ausgebeutet. Endlich treffen
wir in den beiden ersten Bänden von Duhrs deutscher
Jesuitengeschichte öfter Zitate aus der historia an.

Schon wegen der Häufigkeit, mit welcher die historia
ausgebeutet wurde, und wegen der Kontroversen,
die sich an die religiösen Vorgänge auf dem Eichsfeld
anknüpften, erweckt die Veröffentlichung dieser Quelle
Interesse. Das Kolleg wurde zunächst als Mission 1573
gegründet. Aber erst der Methodus historiae collegi-
orum conscribendae, welchen 1602 der Jesuitengeneral
Aquaviva erließ und durch welchen den einzelnen
Kollegien chronikartige Aufzeichnungen nach bestimmten
Richtlinien vorgeschrieben wurden, gab den Anstoß
zur historia. Man ersieht die nachträgliche zusammenhängende
Abfassung des ersten Teiles nicht bloß daraus,
daß derselbe von einer Hand stammt, während die späteren
Abschnitte wechselnde Schriftzüge aufweisen. Auch
inhaltlich zeigt der Text, daß der Autor die ganze Entwicklung
bis 1602 von vornherein kennt und nicht
selten in seiner Darstellung früherer Jahre sich auf
spätere Ereignisse bezieht.

Dramatisch am interessantesten sind natürlich die
Kriegsnachrichten. Obgleich die Verfasser entsprechend
dem allgemeinen Bestreben derartiger Jesuitenchroniken,
gleichzeitig seelsorgerische Ordensbedürfnisse zu befriedigen
, in erster Linie Nachrichten über das religiöse
Leben teils im Kolleg selbst, teils in Heiligenstadt und
Umgebung bringen wollten, griffen doch von 1622 ab
die politischen Ereignisse zu sehr in das Dasein der
Jesuiten ein, als daß ihre Schilderung nicht einen breiten
Raum einnehmen mußte. 1622 mußten sich die
meisten Insassen vor den Scharen des Braunschweigers
in benachbarte Kollegien flüchten, die größere Sicherheit
boten, und von da vergeht kein Jahr, ohne daß das
Kolleg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Anfangs hielt
es sich ziffernmäßig noch einigermaßen. Die historia
notiert für 1622 23, 1623 27, 1625 28, auch 1630 noch
21 Genossen. Aber seit den Schwedeneinfällen und als
1632 Wilhelm von Weimar sich das Eichsfeld tributpflichtig
machte, verlangte er zunächst vom Rektor des
Kollegs, daß er und alle Insassen schriftlich der Krone
Schweden Treue gelobten und daß die Patres an den
Kriegskosten sich beteiligten. Letzterer Forderung begegnete
der Rektor mit dem Hinweis, daß das Kolleg sich

j nur durch Jahresrenten erhalte und nur bei deren ungestörtem
Fortbezug beisteuern könne. Damals wurde der
Rektor noch anständig behandelt und auch in den folgenden
Monaten vermochten sich die Jesuiten unter
| schwierigen Verhältnissen noch zu behaupten. Am 3.
i März 1633 wurden sie jedoch aus dem Eichsfeld von
j Herzog Wilhelm ausgewiesen, und erst der Prager Friede
1 brachte sie nach Heiligenstadt zurück. Allmählich schien
sich das Kolleg wieder zu heben und vor allem die
Schule aufs neue in Gang zu kommen. Jedoch nicht einmal
das Jahr 1635 verstrich ohne einen frischen Schwedeneinfall
nach Heiligenstadt, und 1640 wurde das
Kolleg sogar 5 mal geplündert. Kein Wunder, daß die
Niederlassung auf einen Tiefpunkt sank. Für Anfang
1641 notiert die historia 6, 1642 zeitweilig nur 5, 1643
i 6 Insassen, und bis zum westfälischen Frieden wurde
| die Zahl 10 nicht überschritten. Diese niedrige Frequenz
verursachte den Patres angesichts der starken Unterrichtsbedürfnisse
eine große Arbeitslast. Übrigens blieb
auch nach 1648 die Ziffer der Anwesenden fast durchweg
unter der vor Gustav Adolfs Kommen erreichten
Höhe.

Freiburg i. Br. Gustav Wolf.

Husserl, Edmund: Formale und Transzendentale Logik. Versuch
einer Kritik d. Logischen Vernunft. Halle a. S.: M. Niemeyer
1929. (XI, 298 S.) gr. 8°. = Sonderdr. a. „Jahrbuch f. Philos. u.
Phänomenolog. Forschg.", Bd. X. RM 14 — ; geb. 16—.

Die vorliegende Schrift des Verf.'s der „Logischen
Untersuchungen", denen an Leistung und Einfluß innerhalb
der exakten Philosophie der Neuesten Zeit vielleicht
nur noch Richerts „Grenzen der naturwissenschaftlichen
Begriffsbildung" gleichkommen, verdient
auch im Rahmen einer theologischen Literaturzeitung
eine besondere Würdigung.

Transzendentale Logik ist nicht eine zweite Logik neben
der traditionellen formalen Logik, sondern die in
phänomenologischer Methode erwachsende radikale und
konkrete Logik selbst. Den Weg von der traditionellen
formalen Logik zur transzendentalen aufzuzeigen, versucht
Husserl in der vorliegenden Schrift. Er setzt damit
die Bemühungen seiner „Logischen Untersuchungen"
fort, die diese innerlogische Wendung zum erstenmal
in theoretischer Klarheit vollzogen hatten.

Die erste Etappe auf diesem Weg bildet die Herausstellung
des on to 1 ogi s c he n Charakters auch
schon des Formal-Logischen. Es sind zwei sich wieder
mannigfach miteinander verflechtende Gedankenreihen,
mit deren Hilfe die ontologische Tendenz der traditionellen
formalen Logik herausgearbeitet wird.

Die eine Gedankenreihe: Die traditionelle Logik ist
als apophantische Logik Bedeutungslogik, Theorie der
geurteilten Aussagen. Sie hat als solche die Urteile in
ihrem Blickfeld. Diese Urteile sind aber nicht nur der
Reflex urteilender Aktivität, der mit letzterer wieder verschwindet
. Sie sind vielmehr ideale Gegenstände, haben
ontischen Charakter. Wenn ihr Sinn als eine Art von
Gegenständen eigentümlichen Wesens zugunsten der
subjektiven Erlebnisse oder Leistungen, aus denen sie
entspringen, negiert wird, ist von Psychologismus zu
sprechen (S. 151). In weitausholenden Analysen zeigt
H., wie es die formale apophantische Logik ihrer sich
allmählich durchsetzenden Gleichsetzung mit der formalen
Mathematik zu verdanken hatte, daß von den
theoretischen Gebilden, mit denen sie es zu tun hat, der
psychologistische Anschein genommen wurde. Auf dem
Gebiet der formalen Mathematik lag die Versuchung
kaum nahe, die Zahlen usw. zu subjektivieren, weil der
Blick von vornherein wegen ihrer sinnlichen Gegeben-
I heit objektiv dirigiert war (S. 63ff.). Ist die Äquivalenz
I von formaler Mathematik und apophantischer Logik erkannt
, dann überträgt sich der ontologische Charakter,
den die erstere mit einer gewissen Selbstverständlichkeit
I ihren Objekten zuerteilt, auf die Denkgebilde der letzte-
! ren. Sie haben ein in ihren vielfachen psychischen Ver-