Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1930 Nr. 13

Spalte:

306-308

Titel/Untertitel:

Historia collegii Heiligenstadiani. Tl. 1 (1575-1685) 1930

Rezensent:

Wolf, Gustav

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

305

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 13.

306

eben nicht so nebenher bei einer Arbeit mit andrer Ziel- i
setzung nachholen. Bei den Quellen der späteren Zeit
hat Scheel die Sigla der W.A. (R=Rörer usw.) stets
vorangestellt. Im übrigen hat er dem Urteil nicht vorgreifen
wollen, wie weit die einzelnen Quellenstücke zuverlässig
sind oder nicht. Der Student, für dessen Hand
die Sammlung in erster Linie bestimmt ist, wird hier
zunächst ein wenig im Dunklen tappen; vielleicht
hätten einige wenige Literaturhinweise unter dem Text
ihm schon viel geholfen. Nun ist er genötigt, sich mühsam
, aber heilsam einen Weg mit Hilfe der im Vorwort
ausführlich genannten Literatur zu bahnen.

Königsberg i. Pr. E. Vogelsang.

Meyer, Professor D. Johannes: Historischer Kommentar zu
Luthers Kleinem Katechismus. Gütersloh: C. Bertelsmann 1929.
(XII, 546 S.) gr. 8°. geb. RM 27—.

Das vorliegende umfangreiche Werk ist eine wertvolle
Gabe zum Katechismusjubiläum und will keine
der herläufigen Auslegungen sein, sondern die Entstehung
des kleinen Katechismus, die ursprünglichen
Gedanken Luthers bei seinen Erklärungen und die Anerkennung
des Katechismus in der Lutherischen Kirche
beschreiben, also einen historischen Kommentar zu diesem
Büchlein bieten. Der Verfasser beklagt, daß sein
Werk, das erst bedeutend umfangreicher gewesen ist
und nun vielfach hat gekürzt werden müssen, nicht
schon zum Reformationsjubiläum 1917, wo es fertig
vorlag, erscheinen konnte. Aber auch so ist es noch
ein sehr inhaltreiches, belehrendes Werk geblieben.

Es zerfällt in drei Teile. Der erste nennt sich eine
Einführung in den Katechismus. Nachdem in minutiösen
Vergleichungen der verschiedenen Drucke und mit vielen
kritischen Randnoten der ursprüngliche Text festgelegt
ist, wird die Entstehung des kl. Katechismus eingehend
beschrieben: Luthers katechetische Anfänge, seine Katechismuspredigten
und der Gr. Katechismus werden besprochen
, um darnach die Entstehung des Kl. Katechismus
ausführlich darzulegen. Darauf wird in einem Kapitel
: Luther und das mittelalterliche Erbe nachgewiesen
, was Luther in der Auswahl, Anordnung und dem
Text der Lehrstücke wie in den herkömmlichen Auslegungsformeln
vorfand. Methodische Bemerkungen
über Geschichte und Hilfsmittel der Auslegung bilden
den Übergang zum zweiten, dem Hauptteil, der auf 366
Seiten die einzelnen Teile des Katechismus, Hauptstücke
und Anhänge im Einzelnen behandelt. Nach Besprechung
des Titels und der Vorrede Luthers werden die
10 Gebote erst als Ganzes, dann die einzelnen eingehend
erläutert, wobei das erste mit dem Beschluß verbunden,
vor dem fünften gemeinsame Bemerkungen zu den letzten
sechs Geboten gegeben und das neunte und zehnte
zusammengenommen werden. Beim zweiten Hauptstück
wird zuerst der Glaube als Ganzes, das Apostolikum als
Zusammenfassung des Evangeliums, das Verhältnis von
Glauben und Fürwahrhalten und die praktische Ab-
zweckung des Bekenntnisses behandelt, darauf die einzelnen
Artikel, bei denen der Einheitsgedanke für die
Auslegung herausgearbeitet wird. Auch beim Vaterunser
wird Anrede und Beschluß zusammengenommen, ehe in
den einzelnen Bitten Luthers allmählich entstehende Auslegung
aufgezeigt wird. Bei den Sakramenten wird nach
allgemeinen Erörterungen über Aufbau, Sakrament als
Zeichen und Objektivität der Sakramente gleich auf Behandlung
der Taufe das Lehrstück der Beichte und
darauf beim Abendmahl das Wesen und der Genuß des
Abendmahls ausgelegt. Im Vergleich mit den beiden
ersten Hauptstücken ist die Behandlung der letzten drei
kürzer ausgefallen. Die in den Anhängen enthaltenen
Gebetstafeln und die Haustafel bilden den Schluß des
kommentierenden zweiten Teils. Als Beispiel der Erörte-
pjngen sei die 5. Bitte gegeben, die ohne besonderen
Grund herausgenommen sein möge:

Die Besprechung wird in zwei Teile zerlegt: die Vergebung der
Sunden durch Gort, und unsere Vergebung gegenüber unsern Schuldigern.

Im ersten Abschnitt wird zunächst ausgeführt, daß Luther auf die Unterscheidung
von Schuld und Sünde kein Gewicht gelegt und schon früher
in den Katechismuspredigten ausgesprochen hat, daß das Erbetene schon
ohne unser Gebet geschieht. Auch der Gr. Kat. habe den Satz, Gott
hat uns das Evangelium geschenkt, darin eitel Vergebung sei. Aber diese
Bitte will als Lehrstück zunächst an die Tatsache unserer Sünden erinnern
, um dann den Trost der Vergebung zu bringen, damit wir vor
den Abwegen der superbia und der desperatio bewahrt bleiben. Der Kl.
Kat. aber gibt dem Gedanken an die Vergebung die besondere Wendung,
die in den Kat.predigten noch nicht zu tage tritt, daß wir nur mit
gutem, von Gott geschenktem Gewissen recht beten können. Daß die
Vergebung ein getröstetes Gewissen vermittelt, hat Luther stets geltend
gemacht und dabei zunächst in der früheren Auslegung des Vaterunsers
von 1519 die heimliche und öffentliche oder die objektive und subjektive
Vergebung unterschieden. Später aber sah er von dieser Unterscheidung
ab und erwähnt nur die ins Bewußtsein tretende, Frieden
schenkende Vergebung. Auf ihr beruht die Zuversicht beim Beten, wie
es der Gr. Kat. ausführt. Eine gewisse Vorlage fand sich in der Vaterunserauslegung
eines deutschen Betbüchleins, aber der Kl. Kat. macht
den christlichen Kerngedanken der Vergebung zur notwendigen Voraussetzung
für das Vaterunserbeten. Dabei wird nachgewiesen, daß „solche
Bitte" als Plural genommen werden müsse und weder auf die fünfte
Bitte selbst, was unlogisch sei, noch auf die vorhergehende vierte Bitte,
sondern auf alle Bitten des V. U. gehe. So mahnt die fünfte Bitte, daß
wir kein Recht der Erhörung haben aller unserer Bitten, nicht nur der
einzelnen. Verwandt mit diesen Gedankengängen sei Luthers Lied „Aus
tiefer Not", wie im Einzelnen nachgewiesen wird. — Im anderen Abschnitt
wird durch reichliche Zitate bewiesen, daß Luther unsere Versöhnlichkeit
stets als „Bedingung" für den Empfang der Vergebung angesehen
hat, aber nicht als ein Mittel Gottes Vergebung zu verdienen.
So sei auch die Zusage der fünften Bitte zu verstehen: Der Beter bekundet
damit vor Gott, daß in seiner Versöhnlichkeit die gottgestellte
Bedingung gegeben ist. Weiter werden dann noch die altertümlichen
Formen „zwarten" = zwar und widerum = hingegen erklärt. — Später
(S. 520) wird noch auf die praktische Gliederung der Bitte eingegangen.
Nicht die Folge der Satzteile würde sachgemäß sein, sondern folgende
Umstellung derselben: 1. Wir sündigen viel und haben nichts als Strafe,
also keinerlei Gutes verdient. 2. Wir sind daher der keines wert, das
wir im V. U. bitten. 3. Aber wir bitten in dieser Bitte, daß Gott uns
unsere Sünden nicht anrechnen wolle, und in der Gewißheit, daß er
vergibt, bitten wir weiter, daß er uns alle Bitten im V. U. nicht versagt.

Im letzten Teil wird zuerst von der Geltung des
Kat. geredet, a) bis 1580, b) bis 1820 und c) seitdem.
Das Schlußkapitel: Bleibende Bedeutung, behandelt
unter religiösem Gehalt die rel. Grundhaltung des Kat.,
seine dogmatischen Aussagen und angeblichen Lücken,
unter pädagogischem Gehalt wird die Kindesgemäßheit,
didaktische und methodische Brauchbarkeit verteidigt.
Als Abschluß wird an veraltete Sprachformen und eine
nötige Textrevision erinnert.

Wie diese Übersicht zeigt, ist das Werk für alle,
die mit dem Kl. Kat. zu arbeiten haben, fördernd und
interessant. Man mag manches anders ansehen, aber im
Ganzen wird kein Ausleger des Kat. daran vorbeigehen
dürfen, ohne sich mit ihm auseinanderzusetzen. Manche
Auslegung, die sich mit der Zeit eingenistet hat, wird
unmöglich erscheinen und verschwinden. Vielleicht gibt
der Verfasser, wie er in Aussicht stellt, selbst eine auf
seinem Werke beruhende praktische Handreichung zur
Erklärung des Kl. Kat. heraus. Das Buch ist mit außerordentlichem
Fleiß gearbeitet, wie schon das Verzeichnis
der gebrauchten Literatur, die ausführlichen Sach- und
Personenregister und die Menge der Siglen zeigen, die
aber auch das Studium etwas erschweren. Die reiche
Fülle von Zitaten aus Luthers Werken ist noch besonders
dankbar hervorzuheben und zeugt für den Sammelfleiß
des Verfassers.
Bad Zwischenahn. e. w. Bussmann.

Historia collegii Heiligenstadianl. Tl. 1 (1574—1685). Hrsg.
v. d. Histor. Kommission f. d. Prov. Sachsen u. f. Anhalt. Bearb.
v. Johannes Freckmann. Magdeburg: Selbstverl. d. Histor. Komm.
[Auslfg. d. Ernst Holtermann] 1929. (IX, 359 S.) gr. 8°. = Geschichtsquellen
d. Prov Sachsen u. d. Freistaates Anhalt N. R.,
Bd. 8. RM 20—.

Die historia collegii Heiligenstadiani war den Spezialgelehrten
nicht unbekannt. Zuerst hat der Nörtner Kanonikus
Joh. Wolf, welcher selbst dem Heiligenstadter
Jesuitenkolleg bis zu dessen Auflösung angehört hatte,