Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1930 Nr. 12

Spalte:

274-275

Autor/Hrsg.:

Büchler, Adolph

Titel/Untertitel:

Studies in Sin and Atonement in the Rabbinic Literature of the First Century 1930

Rezensent:

Jeremias, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

273

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 12.

274

näischen" Heiligtümer ein, sondern schuf sich neue
Zentren (Silo!); dabei ist auch mit der Möglichkeit zu
rechnen — ich würde es noch stärker tun als Alt, auch
für die mittelpalästinischen Stämme, da mir „Jakob" und
„Joseph" von dem Jakob-el und Joseph-el der Tutmoseliste
nicht zu trennen sind; die Stämme Ephraim und
Manasse erscheinen mir als die jüngsteingewanderten
Träger der Jahvereligion, in denen „Jakob" und „Joseph
" aufgegangen sind — daß ein Teil der Stämme
bereits im Lande ansässig war, bevor der „nationale
Zusammenschluß in der Verehrung Jahves stattfand".
Allmählich usurpiert die Jahvereligion dann aber auch
die alten Heiligtümer. Das Entscheidende dabei ist,
daß die Religion der Vätergötter e i n wesentliches Moment
in sich trug, das die Jahvereligion vorbereitete:
daß sie „eine Religion (war) mit vorwiegender Betonung
des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, weiterhin
zwischen Gott und menschlichem Verband", also die
Betrachtung der Geschichte als der Manifestation
Gottes in der Welt. Ich habe die Bedeutung der Absehen
These für dies Problem der israelitischen Religionsgeschichte
bereits in meiner Schrift Altes Testament
und Geschichte S. 33 ff. hervorgehoben und möchte das
dort Gesagte nicht wiederholen, sondern nur auf die
Konsequenzen verweisen, die Alt für das Alter des Er-
wählungsglaubens in Israel zieht, Folgerungen, denen
gegenüber mich nur die Tatsache bedenklich macht, daß
als Objekt der Erwählung in den Genesissagen die einzelnen
Patriarchen stets so gelten, daß in ihnen das Gesamtvolk
erwählt wird. Mir will scheinen, daß die
Erscheinung des jeargwog &eög vor einem Menschen
samt dem, was er ihm etwa zusagt, von dem „Erwäh-
lungs"- und „Verheißungs"glauben des Jahvisten stärker
geschieden sind, als es bei Alt den Anschein hat.
Darin aber glaube ich jetzt von meiner früheren Unterscheidung
des Kultstifters und des Stammvaters
Abraham abweichen zu sollen, daß ich jetzt die
Betonung der von ihm gebauten Jahvealtäre und seine
Voranstellung unter den „Ezvätern" von derselben Hand
(J) meine ableiten zu sollen; Alt hat mich davon überzeugt
, daß es sich bei dem Ahnen und dem Urheber des
Kultus der Gruppe nicht um zwei verschiedene Betrachtungsweisen
derselben Person handelt, sondern daß beides
ineinanderliegt. Meine früher (DLZ. 1928, 705 ff.)
geäußerten Bedenken gegen Galling sind in diesem
einen Punkte damit hinfällig geworden, doch würde ich
jetzt den Jahvisten selbst in die Zeit des hebronitischen
Königtums des David rücken.

Diese Besprechung, durch die ich zugleich meine
Untersuchungen zur Ideologie der Genesiserzählungen
aus DLZ. 1924, 437ff.; 1928, 705 ff. fortsetze und in
dem angegebenen Punkte modifiziere, ist unter der
Feder länger geworden als ich zunächst beabsichtigt
hatte. Das Problem der Altschen Arbeit, das ich im
vergangenen Semester in der Genesisvorlesung und meinem
Seminar über die Mose-Erzählungen nachzuprüfen
Veranlassung hatte, ist aber für die Vorgeschichte Israels
von so umfassender Bedeutung, daß eine genaue
Auseinandersetzung mit seinen Aufstellungen erforderlich
erscheinen muß. Der Grundgedanke Alts hat sich
bestätigt, daß wir in der Genesis noch Reste eines
Religionstypus vor uns haben, der in der Tat die spätere
Jahvereligion stärker vorbereitet hat als die Kulte der
kananäischen Elim und selbst der „Sinaikultus" „vormosaischer
" Zeit, ein Typus, in dessen innere Geschichte
wir, wenn ich recht sehe, noch etwas tiefer hineinschauen
können. Mit dieser Schrift, die auch durch die Zusammenstellung
des semitischen und griechischen Inschriftmaterials
ihren bleibenden Wert hat, ist der Forschung
ein neues Problem gestellt und seine Lösung sofort in
einer Weise in Angriff genommen, die die literarkritische
und historische Fragestellung in gleicher Durchdringung
fordert.

Görtingen. Joh. Hempel.

Büchler, A., Ph. D.: Studles in Sin and Atonement in the

Rabbinic Literature of the First Century. With Prefatory Note by
the Chief Rabbi. London: Oxford University Press 192S. (XV,
461 S.) 8°. = Jews College Publications, Nr. 11.

Es ist eine auffällige Erscheinung, daß, im Unterschied
zu dem steigenden Interesse christlicher Gelehr-
i ter an der Erforschung des Judentums der Zeit Jesu
und der Apostel, die Zahl der Arbeiten jüdischer Gelehrter
über diese Epoche jüdischer Geschichte zur Zeit
j relativ gering ist. Umso dankbarer sind A. Büchler's
| „Studien über Sünde und Sühne in der rabbinischen
I Literatur des ersten Jahrhunderts" zu begrüßen. Der ge-
I lehrte Verfasser hat bereits seit Jahrzehnten durch seine
: scharfsinnigen und auf umfassender Kenntnis des tal-
, mudischen Materials beruhenden Arbeiten über das Ju-
! dentum vor und nach der Zerstörung des Tempels
I 70 n. Chr. die Forschung bereichert. Auch die früheren
j Arbeiten, die an Unterschätzung des neutestamentlichen
I Materials und starker Neigung zur Konstruktion leiden,
sind noch heute reiche Fundgruben verstreuten talmudi-
J sehen Materials; vollends aber sind die späteren Arbeiten
unentbehrlich für die Arbeit auf dem Gebiet der
| spätjüdischen Zeitgeschichte des N.T.s. Das gilt auch
| von der vorliegenden Arbeit. Wer sich zu der zeitge-
i nössischen jüdischen Soteriologie, deren Kenntnis für
j das geschichtliche Verständnis der neutestamentlichen
Soteriologie von größter Bedeutung ist, äußern will,
kann an ihr nicht vorübergehen.

Folgendes ist der Gedankengang des Werkes:
i Kap. I. Obedience to the Torah, its source and sanetion
(S. 1—118) geht aus vom Begriff des Bundes, der
durch die spätjüdische Literatur hindurch — man vermißt
die Untersuchung der Fragmente der Damaskus-
Gemeinde und des Bundesgedankens im N. T. — verfolgt
wird. Der am Sinai geschlossene Bund errichtet
nach rabbinischer Auffassung Gottes Königsherrschaft
über Israel und legt Israel das „Joch der Königsherrschaft
Gottes" auf. Eine eingehende Untersuchung der
mit dem Begriff des „Jochs der Königsherrschaft Gottes"
verbundenen Vorstellungen bildet die zweite Hälfte
dieses 1. Kapitels. Kap. II. The Service of God for
the love or the fear of him and the right attitude to
suffering (S. 119—211) fragt nach den Motiven dieses
im 1. Kapitel behandelten Gehorsams gegen die Tora.
Furcht und Liebe sind die beiden Motive, Hiob und
Abraham gelten im ersten Jahrhundert als Typen der
doppelten Einstellung. Die Furcht vor Gott, im doppelten
Sinn der Furcht vor der Strafe Gottes und der Ehrfurcht
vor ihm, ist das niedere Motiv. Höher steht die
Liebe zu Gott als Motiv des Gehorsams. Sie äußert sich
vor allem in der Willigkeit, mit der der Fromme Gottes
Prüfungen bis hin zum Martyrium erträgt. In eindrucksvoller
Weise wird dieser Gedanke veranschaulicht an
Hand der rabbinischen Theorie von der vierfachen Einstellung
zum Leiden (Hiob-Hiskia-Abraham-David) und
an den Berichten über die Martyrien unter Trajan und
Hadrian.

Kap. III. The defiling force of sin in the Bible (S.
212—269) weist in z. T. etwas breiten Ausführungen
nach, wie schon im A.T. die ursprünglich rituell-levi-
tischen Begriffe der Unreinheit, Befleckung, Reinigung,
Besprengung, Waschung usw. im übertragenen Sinn von
der Sünde und ihrer Tilgung gebraucht werden. Kap. IV.

I The defiling force of sin in post-biblical and the rabbinic
literature (S. 270—374) weist den gleichen Tatbestand
in der spätjüdischen Literatur nach, wobei beson-

I ders die reinigende Kraft der Reue, des Versöhnungstages
und der Leiden untersucht werden.

Kap.V. Atonement of sin by sacrifice (S. 375—461)

j behandelt die Sühnkraft der Opfer. Sie wird zunächst
an einem Einzelbeispiel, dem Schuldopfer zur Sühne
von Eigentumsvergehen, erläutert. Nachdem festgestellt
ist, was alles die Rabbinen als Eigentumsvergehen ansehen
, wird gezeigt, daß erst die Reue des Schuldigen
und ihre Betätigung in der Wiedergutmachung dem
Priester das Recht geben, das sühnende Blut des