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Ausgabe:

1930 Nr. 11

Spalte:

257-285

Autor/Hrsg.:

Fahrner, Rudolf

Titel/Untertitel:

Wortsinn und Wortschöpfung bei Meister Eckehart 1930

Rezensent:

Koch, Joseph

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 11.

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9. In Byzantin. Neugr. Jahrb. V (1926/7) S. 412 habe
ich aus Ignatius und Callist, P. G. 147 Sp. 749 B den griechischen
Euagrios-Text zu Frankenberg p. 425 Nachtr. 52
nachgewiesen. Dieser griechische Wortlaut findet sich auch
in der 'ExXoyr artb xojv ctyiujv Ttaxeqoiv ueq iCQOOevxfjg
xat nqoooyfg P. G. 147 Sp. 832, nur ist im Migne-Text,
mit Ignatius und Callist: OTeorjadrio, statt TrjQrjoarw zu
lesen. Unmittelbar auf diese Stelle folgt in der 'Exloyi]
dann noch ein weiteres (anonymes) Euagrios-Zitat. Incip.
Ovx. av tcW 6 vovg usw. Das ist Cent. Nachtr. Frankenberg
p. 451 nr. 26 und identisch mit Cap. pract. ad Anatol.
71 (P. G. 40 Sp. 1244 B), nur der Schluß variiert.

10. In den Scholien zu Joh. Climacus, P. G. 88 Sp. 957
ist das Euagrios - Scholion = Euagrios P. G. 40 Sp. 1276
§9. In Sp. 1104 ist das Euagrios - Zitat = Pract. ad
Anatol. § 19 (= P. O. 40 S. 1225), jedoch ist das Wort
fteigaoeicg durch rjovyla ersetzt worden. Das Nilus-
Scholion das. Sp. H48 ist = Nilus, De oratione capita 149.
Das anonyme Scholion 3 zu gradus 29 ist = Euagrios,
Practica 39 (P. G. 40 S. 1232).

11. Euagrios, Cent V 28 (Frankenberg p. 329) findet
sich in seinem griechischen Wortlaut unter dem Namen des
Origenes (ed. Lommatzsch Bd. 13 p. 162) als Scholion zu
Ps. 149,6: 'Poiiyctlct korl vovg Xoyiv.bg ewojctojv xpvxr<v
anb xaxt'ae xat ayvwoiag. Danach ist meine Bemerkung,
Byzant.-Neugr. Jahrb. IV (1923) p. 7 zu berichtigen.

12. Die Definitionen Philotheos des Sinaiten bei Hausherr
, La methode d'oraison hesychaste (= Orientalia chri-
stiana vol. IX H. 36) S. 141 stammen wohl aus Johs. Climacus
, Scala. Gradus 15 (= P. G. 88 Sp. 896), der wiederum,
nach eigener Aussage, auf eine ältere Tradition zurückgreift.

13. Das anonym überlieferte Epigramm aus der Antho-
logia Palatina XI 193: '0 (pd-övog «ort xdxtffrog, eysi de ti
xaXbv ev avx(jj xrptei yao (pd-ovegwv OLiLiaxa xat xqadLnv
(xäxioxov Plan, ev eavxdj p.) findet sich wörtlich {ev eavxqj,
wie P.), ebenfalls ohne Angabe des Verfassers, in dem Leben
Georg's von Choziba von Antonius, Anal. Boll. 7 (1888)
p. 353, 20 f. Die Textform des Epigramms in der Inschrift
aus Dokimion, s. Perdrizet in Bullet, de corr. hellen. 24
(1900) p. 292 und in der Inschrift aus Lyon, das. p. 295
wird durch die Vita Georg's nicht bestätigt. Wenn es richtig
ist, daß ein Schüler Georg's die Vita geschrieben hat und
wenn weiter Georg im VI./VII. Jahrhdt. gelebt hat, so ist
damit ein ungefährer Anhalt für die zeitliche Fixierung der
in der Anthol. Pal. überlieferten Fassung gegeben. Übrigens
ist Perdrizet a. a. O. p. 296 ein geringfügiges Versehen
untergelaufen, wenn er sagt, die Inschrift von Lyon „repro-
duit correctement l'epigramme de l'Anthologie'. Die^ Inschrift
aus Lyon beginnt: '0 y&övog tag xaxöv laxi,
Anthol. Palat. dagegen: '0 (pd-övog eoxl xäxioxog.

14. Für den von F. J. Dölger in Sol Salutis 2. Aufig.
Münster 1925 p. 258 ff. besprochenen Brauch der „Ostung
beim Sterben" findet sich in derselben Vita Georgii Choze-
bitae ein bemerkenswerter Beleg: (Georg) eoxQÜcprj xaxa
avaxoXdg xat XeyeL "E^eXde, xpv%f] iov, vvv ev Kvqiqj,
elüde Anal. Boll. 7 (1888) p. 356, 12 f. Die Stelle ist
auch beachtenswert wegen der Auffassung des ev KvqIuj
eivai der Toten. 'Ev Kvgiuj muß hier als Gegensatz zu
einem ev uohtart-Sein verstanden werden.

Bonn a. Rh.___ Erik Peterson.

Fahrn er, Dr. Rudolf: Wortsinn und Wortschöpfung bei
Meister Eckehart. Marburga. L: N.G.Elwert 1929. (VIII, 144 S.)
gr. 8°. = Beiträge zur deutschen Literaturwissensch., Nr. 31. RM 7.50.
Fahrners Schrift zerfällt in zwei Abschnitte; im
ersten behandelt er die Frage, welche deutschen Schriften
und Predigten Eckeharts als echt angesehen werden
können (1—56), der zweite ist dem eigentlichen
Thema gewidmet. Nachdem F. die früheren Untersuchungen
kritisch beleuchtet hat, kommt er selbst zu
dem Ergebnis, daß der Liber Benedictus, die Reden der
Unterscheidung und die Predigten Pfeiffer Nr. 8, 21, 32,
4fJ, 45, 56, 83, 84, 87 echt sind. Im zweiten Abschnitt
widmet er sich der „eigentlich philologischen Aufgabe,

die innere Art der neuen Worte Eckeharts und den
Rang, den sie im deutschen Sprachraume einnehmen,
festzustellen" (60). „Nicht daß ein äußeres oder inneres
Sein benannt wird, steht hier zur Betrachtung, sondern
wie es benannt wird, wie der neue Wortkörper
seinen Gehalt darstellt, wie das neue Wort seinen Sinn
ausdrückt, was an Wirklichkeitsgehalt, was an Vor-
stellungs- und Bildgehalt und was an Begriffsgehalt
Eckehart in seinen neuen Prägungen zu fassen und in
ihnen lebendig zu erhalten weiß, soll erkannt werden"
(61). Ausdrücklich lehnt F. eine Heranziehung der lateinischen
Termini des „antik-christlichen Denkens" zur
Erklärung der neuen deutschen Worte ab, da er ja gerade
zeigen wolle, „was die deutschen Worte in sich, in
ihrem eigenen Sprachkreis vermögen und bedeuten"
(ebda). Die so gestellte Aufgabe verleitet den Verf.
dazu, über die Gedankenwelt E.s zu philosophieren und
ihm Lehren zuzuschreiben, die nie sein Eigentum waren
(vgl. S. 90, 91, 95, 101 f., 105f., bes. 109); hätte er
sie aber vorgetragen, so wären die Verurteilungen von
1329 noch sehr milde gewesen.

Ueber das rein Philologische kann und darf ich mir kein Urteil erlauben
. Aber über die historische und theologische Seite der Sache
seien mir einige Bemerkungen gestattet.

Ich bedaure zunächst sehr, daß F. sich die so wichtigen Arbeiten
Q. Thörys nicht verschafft hat. Wahrscheinlich hätte er sich dann
nicht allein auf die Autorität Karrers verlassen und auch die Bedeutung
der Zensorenarbeit bezw. der Rechtfertigungsschrift E.s für die Echtheitsfrage
viel unbefangener beurteilt. Meine Ansicht ist die, daß jede
Predigt, in der sich ein Satz (oder mehrere) aus den
Kölner Listen findet, für echt gehalten werden muß.
Diese günstige Beurteilung der Zensorenarbeit stützt sich nicht bloß auf
das Studium der Kölner Listen, sondern auf das aller altern Irrtumslisten
, deren wichtigste, die auf Durandus und Olivi bezüglichen, ich
selbst aufgefunden bezw. rekonstruiert habe. In den im Druck befindlichen
Melanges Mandonnet werde ich einen ersten Ueberblick über
die Entwicklung dieser ebenso wichtigen wie bisher wenig beachteten
Literatur von 1270 bis zur Verurteilung Eckeharts geben. Immer wieder
habe ich gefunden, daß die beanstandeten Texte in den Listen wortgetreu
wiedergegeben werden, und ich glaube nicht, daß das bei den
Kölner Listen anders ist. Vielmehr zeigt die Tatsache, daß die Zensoren
auf die verschiedenen Nachschriften derselben Predigt Rücksicht
nehmen (vgl. Theol. und Glaube 20 [1928] 401), ihr Streben nach wissenschaftlicher
Exaktheit. Dabei mögen sie einzelne Predigttexte mißverstanden
oder schlecht übersetzt haben; das hindert nicht, daß ihre
Exzerpte uns den Weg zu den Originalen bahnen. Im übrigen wird
uns erst die Untersuchung der gesamten handschriftlichen Überlieferung
der Eckehart zugeschriebenen Predigten, der sich der Bonner Germanist
J. Quint seit Jahren widmet, eine sichere Grundlage für die Entscheidung
der Echtheitsfrage bieten. Soviel steht aber jetzt schon fest,
daß viel mehr von den Pfeifferschen Predigten echt sind, als man bisher
annehmen mochte.

Da F. seine Untersuchung im Vorwort als den ersten Teil einer
umfassenden Darstellung der Sprache E.s bezeichnet, so darf ich wohl
für die in Aussicht stehende Neubearbeitung bezüglich des zweiten Abschnittes
einige Wünsche äußern. Erstens möge F. doch viel stärker
die lateinische Terminologie E.s berücksichtigen, als er das bisher getan
hat. Der „lateinische" und der „deutsche" Eckehart sind eine
Persönlichkeit, die man nicht ungestraft in zwei zerlegt. Außerdem
weiß jeder^ der die lateinischen Schriften des Meisters studiert hat,
wie „persönlich" sein Latein ist. Zweitens wäre eine größere Vertrautheit
mit der Theologie — ich will nicht sagen : der Scholastik, sondern —
Eckeharts zu wünschen. Bei allen Meinungsverschiedenheiten über
Einzelheiten stehen doch die Grundzüge der E.schen Theologie fest,
und es geht nicht an, sie zu ignorieren. Drittens möchte ich mir etwas
davon versprechen, wenn F. noch mehr deutsche theologische
Literatur zum Vergleich heranzöge. Ich denke da etwa an die von
G r a b m a n n aufgefundene Übersetzung eines Teiles der Summa theo-
logica des Thomas von Aquin und an die Übersetzung von Augustins
De vita beata, die jetzt durch Jos. Klappers Ausgabe allgemein zugänglich
wird. Gerade wenn es sich darum handelt, E. als Sprach-
schöpfer zu erweisen, bedarf es eines recht großen Vergleichs-
j materials, damit Fehlschlüsse vermieden werden.

Diese Wünsche mögen F. zeigen, welch großes
I Interesse seine eindringlichen und fleißigen Unter-
'■ suchungen auch dem Theologen abgewinnen; gerade die
deutsche Mystik ist ein Gebiet, wo Philologie und
Theologie Hand in Hand arbeiten müssen, damit die
Untersuchungen und Editionen alle Beteiligten befriedigen
.

Breslau. _ Jos. Koch.