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Ausgabe:

1930 Nr. 11

Spalte:

246-247

Autor/Hrsg.:

Alfaric, Prosper

Titel/Untertitel:

L‘Évangile selon Marc. La plus ancienne vie de Jésus 1930

Rezensent:

Strathmann, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 11.

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dert errechnet. Das heißt aber doch nichts anderes, als
daß die zuweilen auftretenden „Alliterationen" mnemotechnischen
Charakter hatten, wie auch der Endreim ein
vereinzelt vorkommender Zierrat ist (Eißfeldt, a. a. O.).
Außerhalb der Spruchdichtung in den Psalmen und
Prophetendichtungen geht der Prozentsatz weit unter 1.
Und was etwa die Prosa angeht (vgl. oben Ex. 15, 19),
so kann man da vollends zweifeln, ob ein Stabreim vorliegt
. Jedenfalls ist, auf das Ganze der hebräischen
Poesie gesehen, der Stabreim so selten, daß die These
des Verfassers unwahrscheinlich wird, die These, daß am
Anfang der hebräischen Dichtung der Stabreim stehe
und den Urrhythmus gebildet habe. Wenn der Verfasser
(S. 26) sagt; „daß die biblische Literatur uns nur sehr
dürftige Überreste der hebräischen Urpoesie bewahrt
hat und daß schon zu Jesajas Zeiten die Blütezeit des
streng alliterierenden Urrhythmus längst vorüber sein
mochte", so muß man doch hinzufügen, daß in der
biblischen Literatur die poetischen Stücke an sich sehr
umfangreich sind und auch einen beachtlichen Teil aus
der vorjesajanischen Zeit enthalten. Nimmt man das
alte Lamechlied und erkennt, daß die akzentuierende
Metrik hier ganz deutlich die bewußte Kunstform ist,
dagegen der Stabreim fehlt, so wird man sich fragen,
wie und wo ein großer Zweig der poetischen Urformen
denn verloren gegangen sein sollte.

Hinzu kommt, daß wir in der babylonisch-assyrischen
Poesie als Urform, wie jetzt im A. T„ der
Metrik begegnen, daß dagegen die alliterierenden Poesien
höchst selten sind und spät auftauchen (A. Strong,
PSBA. 1895, S. 131 ff.; B. Meißner, Babylonien und
Assyrien II, S. 154f.).

Es wäre zu wünschen, daß der Verf. in der in
Aussicht genommenen Weiterführung der anregenden
Studie einmal das — wie mir scheint — fruchtbringende
Gebiet des Maschal (in Zusammenhang mit dem Doppelwort
) zugrundelegt und erst mit den dabei gewonnenen
Beobachtungen auf andere Gattungen übergeht.

Halle a. S. Kurt Galling.

Dürr, Prof. Dr. theol. et phil. Lorenz: Psalm 110 im Lichte der
neueren altorientalischen Forschung. (= Programm z. Vor-
lesungsverzeichn. d. Staatl. Akad. in Braunsberg f. d. W.-S. 1929/30.)
Münster i. W.: Aschendorff 1929. (II, 26 S.) gr. 8". RM 1—.

Dürr faßt Psalm 110 als Krönungsritual für die
Thronbesteigung des israelitischen Königs. Folgt er
darin den Bahnen Gunkels, Mowinckels, Hans
Schmidts u. a., so weiß er doch durch umfassende
Beiziehung des religionsgeschichtlichen Materials, namentlich
des 1928 von Sethe herausgegebenen dramatischen
Ramesseumpapyrus, dem Text mehrfach neue
Lichter aufzusetzen. Die Punkte, in denen er die Exegese
weiterführt, sind folgende.

Der Schauplatz der Königskrönung ist der Vorhof
des Tempels, in dem der König seinen eigenen Platz
hatte (2. Rg. n, 14. 23, 3; an beiden Stellen ist nach

2. Chr. 34, 31 r1Dy"7j£ zu lesen); wenn also der

vor dem König stehende (Kult)profet ihm im Auftrag
Jahwes sagt: „setze dich zu meiner Rechten", so ist das
ganz konkret zu verstehen: der Platz, den der König einnahm
, war rechts vom Heiligtum. Einen ebenso realen
Sinn hat V. 2, wo Dürr übersetzt: „das Zepter deiner
Macht sendet Jahwe von Zion her" d. h. aus dem Heiligtum
, aus dem es geholt worden ist: mit diesen Worten
begleitet der Kultprofet die Inthronisierung, die
Überreichung des kgl. Zepters an den König analog dem
assyrischen und ägyptischen Krönungsritual. Auch V.3
ist ganz in diese Szenerie hineinzustellen: „mit dir sind
Fürstlichkeiten (1. nach LXX 7)211 ^D") am Tag
deiner Macht, in heiligem Schmuck (1. mit Delitzsch
rij"!n) aus des Frührots Schoß (perlt) dir der Tau
deiner Jungmannschaft". Also: der thronende König ist

! umgeben von den ihm huldigenden Großen des Landes
und von der Jungmannschaft des Volkes. — Die Verse
; 5—7, die den Exegeten soviel Not machen, setzen das
Krönungsritual einfach fort: die Verheißung siegreichen
| Kampfes gegen alle Feinde bildet ein wesentliches
i Stück der entsprechenden altorientalischen Liturgien, und
| auch Einzelheiten (Aufschichten der Leichen, Abschlagen
i der Köpfe) haben ihre altorientalischen Parallelen. Daß
j der König in V. 5a angeredet wird, während V. 5b—7
von ihm in der 3. Person spricht, hat seine Analogie in
den von Sethe herausgegebenen ägyptischen Texten:
| mit V. 5b wendet sich der Sprecher vom König weg un-
j mittelbar an die Festversammlung. In V. 7 schließt sich
j Dürr an Hans Schmidt an, der übersetzt: „vom

Bach am Wege Jahwes hat er getrunken" ("]~|"12 "i
niD&*) und dabei an ein Trinken des Königs aus dem

Gichon (am Anfang der zum Tempel führenden Prozessionsstraße
) als ein Stück der Krönungsfeier denkt.

So entsteht mit recht geringfügigen Textänderungen
eine völlig geschlossene Auffassung des Psalms, die
nicht bloß lebendiger und farbiger, sondern in mehreren
Punkten sicher auch richtiger als die bisherige Exegese
ist. Dürrs Arbeit bedeutet also ohne Zweifel eine
Förderung des Verständnisses des schwierigen Psalms.

Am überzeugendsten ist die Deutung von V. 1 und 3. In V. 2
kann das bloße schwerlich das Tempelgebäude bedeuten, so daß

der gewöhnliche Vorschlag, statt j"flrP nbw nur nbv zu lesen

und dieses Verb nicht mit „senden", sondern mit „ausstrecken" zu übersetzen
, mehr für sich hat. In der Deutung der Einzelheiten von V. 5—7
wird Dürr nicht überall willige Nachfolger finden; jedenfalls heißt
^HQ nie „(den Kopf) abschlagen", sondern nur „zerschmettern"; yDD
in 6 dürfte ebenso irrtümlich aus 5 eingedrungen sein wie aus
7, so daß in 6 (mit Einfügung eines durch Haplographie ausgefallenen
HIVU)) zu übersetzen ist: „er füllt die Täler mit Leichen auf weiter

T

Erde". — Eine vom Gichon zum Tempel führende Prozessionsstraße hat
keine textliche Grundlage Ith AT.: die ans dem Kidrontal zur Davidstadt
führenden Stufen (Neh. 3, 15. 12, 37) beginnen offenbar weiter südlich
, 1. Chr. 26, 16 redet von einer nicht aus dem Kidrontal, sondern
aus dem Stadttal heraufführenden Straße, und aus Ps. 84,6 ist topographisch
nichts zu entnehmen. Ob man nicht, um einen der Auffassung
von Dürr und Hans Schmidt ähnlichen Sinn zu bekommen, in V. 7
geradezu lesen darf: ^^ltt7, plp bll „Kidronwasser trinkt
er" ? Die Änderung wäre nicht groß.
Tübingen. w. Rudolph.

Alfaric, Prof. Prosper: L'fivangile selon Marc. La plus anci-

enne vie de Jesus. Traduction nouvelle avec introduction et notes.

Paris: Rieder 1929. (212 S.) 8°. = Christianisme, 31. 12 Fr.
Eine möglichst eng an den Text sich anschließende
Übersetzung. Anmerkungen, fast ausschließlich textkritischen
Inhalts. Dabei gilt, unter Einwirkung der Studien
Couchouds, das Hauptinteresse den Eigentümlichkeiten
der alten lateinischen Übersetzung Nordafrikas.
Doch lehnt A. die Annahme einer lateinischen Urge-
stalt des Mc. ab. Die Einleitung sucht vielmehr zu
zeigen, das Evangelium sei um 100 in Rom von einem
Diasporajuden griechisch geschrieben. Besondere Beziehungen
zu Petrus werden bestritten. Vielmehr sei
der Verfasser überzeugter Pauliner. Er gestaltet, unter
Benutzung einer Sammlung alttestamentlicher „Orakel",
den Bericht von Jesus als erfüllte Weissagung. „II
transpose sous forme historique des textes propheti-
ques." Außerdem leitet ihn ein gegenwärtiges kirchliches
Interesse. „L'evangeliste songe bien moins ä
rapporter des propos authentiques du Christ qu'ä donner
aux Chretiens des lecons appropriees ä leurs besoins
presents." Folglich ist der Wert des Evangeliums als
Geschichtsquelle des Lebens Jesu gleich Null. Quellen-