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Ausgabe:

1930 Nr. 11

Spalte:

243-245

Autor/Hrsg.:

Gábor, Ignaz

Titel/Untertitel:

Der hebräische Urrhythmus 1930

Rezensent:

Galling, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 11.

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Totenmahl selber, und diese Ausdrucksweise könnte j
wohl von den Römern übernommen worden sein; der
22. Februar aber, der Tag der „cara cognatio", erschien
immer wieder als der Tag der Toten, denen die Lebenden
durch Spenden von Speise und Trank ihre
Pietät zu beweisen trachteten. Dann aber bot wohl die
Doppeldeutigkeit des Wortes cathedra (zugleich = die
hierarchische, apostolisch-bischöfliche Amtsgewalt) den
Anknüpfungspunkt für die allmähliche Umwertung der
Feier des 22. Februar: „Unter dem Einfluß der steigenden
Hochschätzung des Ordinationstages der römischen
Bischöfe kam eine Deutung auf, die für Paulus keinen
Platz mehr ließ: aus der Totenmahlfeier wurde — vielleicht
schon gegen Ende des 3. Jahrhunderts — ein
Gedächtnistag der Besteigung des bischöflichen Stuhles
zu Rom durch Petrus" (S. 183). — Des hypothetischen
Charakters dieser Erklärung bleibt sich Kl. wohl bewußt
; aber ohne Zweifel hat sie etwas Bestechendes.

Die Bedeutung des vorliegenden Buches dürfte, abgesehen
von den im Obigen angedeuteten methodischen
Vorzügen, darin liegen, daß es an seinem Teil die Verwurzelung
von Bräuchen und Vorstellungen des aufkommenden
Christentums mit antiker Kultreligion besonders
deutlich macht. Sein Wert wird erhöht durch
ein gutes Register und namentlich durch die Beigabe
von 33 Textabbildungen und 23 vortrefflichen Tafeln.

Zu den Literaturnachweisungen zum Ägyptischen
auf S. 61 Anm. 70 wäre etwa nachzutragen: Luise
K1 e b s : Die Reliefs des Alten Reiches, Heidelberg
1915, S. 129ff.; Die Reliefs und Malereien des mittleren
Reiches, Heidelberg 1922, S. 163 ff. (in den Abhandlungen
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
).

Berlin. Alfred Bert hol et.

Gäbor, Ig^iaz: Der hebräische Urrhythmus. Gießen: A. Töpel-
mann 1929. (31 S.) gr. 8°. = Beihefte z. Zeitschrift f. d. Alt-
testamentl. Wissensch., 52. RM 1.80.

Für die Metrik der hebräischen Poesie und Kunstprosa
ist die entscheidende Arbeit seiner Zeit von dem
Germanisten Sievers geleistet worden, und wenn auch
Spezialfragen (Mischmetrum u. a.) innerhalb der alt-
testamentlichen Fachwissenschaft behandelt wurden und
man im Einzelnen (etwa in Kommentaren poetischer
Texte) an der Metrik nicht vorübergeht, so muß man
doch sagen, daß die Metrik als solche gegenwärtig
nicht zu den Diskussionsthemen gehört. Darum ist es
zu begrüßen, wenn wiederum von einem Außenstehenden
ein neuartiger interessanter Versuch zur Bestimmung
des „hebräischen Urrhythmus" vorgelegt wird. Der
Verf. ist Spezialist für ungarische Metrik und hat
hier die Alliteration als den Grundpfeiler des Versbaues
nachgewiesen. Seine These geht nun, kurz gesagt, dahin,
daß der Stabreim auch in der hebräischen Poesie den
Urrhythmus gebildet habe. Die Beweisführung beginnt
mit spruchartigen Ausdrücken (in Analogie der deutschen
Stock und Stein, Kind und Kegel); es werden 116
davon mitgeteilt. „Eine derartige Fülle der alliterierenden
Redensarten . . . sind nur in einer Sprache möglich,
der die Alliteration sozusagen im Blute webt, in einer
Sprache, deren ganzes Denken und Dichten und Singen
und Sagen vom alliterierenden Rhythmus belebt wird"
(S. 10). In einem gewissen Abstand werden unvollkommene
Alliterationen von und T) und 1 und D
hinzugerechnet; es folgen alliterierende Redensarten
ohne Kopula wie U)Bi< ?]1N, 31 n ^1, ^tpjtf 13)5?.

Ferner rechnet der Verf. zur Alliteration die Verbindung
des Verbums mit einem stammverwandten Objektiv (vgl.
J)23 $£3) und weist auf die Konstruktion mit dem
starren Infinitiv hin. Die Ausbeute an alliterierenden
althebräischen Eigennamen im Vergleich etwa mit „Günther
, Gernot, Gieselher" ist spärlich (S. 15f.), da der

Verf. Bedenken hegt, den häufigen Anfang mit "> als
Alliteration anzusprechen [3py br>15!l], l'a» man
wird hier doch wohl noch schärfer betonen müssen, daß
die Praefixe gleicher grammatischer Konstruktion vom
Radikalcharakter der hebräischen Wortbildung aus unmöglich
als Alliteration angesehen werden dürfen. Es
folgt (S. 16 ff.) eine Reihe von Sprichwörtern des
Spruchbuches aus 20 Kapiteln. 39 Beispiele! Das entspricht
ungefähr, auf das ganze Buch gesehen, 3 vom
Hundert. „Daß bei Sirach kaum eine Spur von alliterierenden
Sprichwörtern zu finden ist, zeigt, daß zu dieser
Zeit die ursprünglich so kräftige Alliterationspoesie
schon im Absterben war" (S. 19). Die vorgelegten
fünfzehn Textstellen aus der hebräischen Kunstpoesie
(Propheten und Psalmen) lassen den Verfasser zu dem
Urteil kommen, diese „volkstümliche und effektvolle
Figur sei mit bewußter Kunst (vom Verf. gesperrt
) angewandt . . . und bekräftige die Erkenntnis,
. . . daß die Alliteration in der hebräischen Urpoesie ein
integrierender Bestandteil der poetischen Form und aufs
engste mit dem inneren Wesen des Rhythmus verbunden
war" (S. 20 f.). In einem weiteren Abschnitt wird hervorgehoben
, daß die Alliteration zuweilen dem grammatischen
Wortäkzent widerspräche und daß man daraus
vielleicht schließen dürfe, daß der Wortakzent in einer
älteren Sprachepoche auf der ersten Stammsilbe gelegen
habe. In einer Anmerkung bemerkt der Herausgeber der
ZAW., Prof. Hempel, unter Hinweis auf Bauer-Leander
und Bergsträßer mit Recht, daß die Betonungsentwicklung
wesentlich schwieriger gewesen sei, als daß man
mit der gewiß z. T. vorliegenden Anfangsbetonung
allein operieren könne. Zum Schluß bietet der Verf.
einige Textproben, so Ex. 15 und Jud. 5. Dabei ist zu
bemerken, daß in dem großen Schilfmeerlied von 18
Versen (Ex. 15,1 ff.) nur in 4 Versen ein Stabreim gefunden
wird, dazu in der Prosazeile Ex. 15, 19:

1521331 13313 11)13 D1D N3 *3 (2 X D)

um 'ytn nfcQp dSsi btntri *oi (3 x ^)

Hat die Arbeit in der geradlinigen Zielstrebigkeit,
der Kürze und Frische zunächst geradezu etwas Zwingendes
, so stellen sich bei genauer Durcharbeit doch
vielerlei Fragen und Bedenken ein. Zunächst ist es zu
bedauern, daß der Verf. in der Zusammenstellung der
alliterierenden Doppelworte mit Kopula nur einen Auszug
bietet (S. 5 Anm. 1), sodaß der zahlenmäßige
Umfang der Erscheinung nicht deutlich wird. Denn 116
Beispiele können nur dann als „überraschende Fülle" bezeichnet
werden, wenn man den Prozentsatz zu den
Kopulationen ohne Alliteration errechnet hat. Das Beispiel
Dtn. 12, 9 174131 11133 als Alliteration von 3
anzusehen, ist gewaltsam, da man dementsprechend andere
O-Bildungen wie etwa 311)31 11113 dann gerade
nicht gelten lassen dürfte. Fernerhin ist doch wichtig,
daß innerhalb der hebräischen Substantivbildungen die
Praefixe 0 und D sein häufig sind, sodaß zum mindesten
diese „Alliterationen" nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung
geradezu auftreten müssen. Aber wie hoch
man auch die Tatsache veranschlagen will: daß derartige
Doppelbildungen vorliegen, ist nicht zu leugnen. Zu
311N1 11)1 TINil |0 (1. Reg. 5, 13) bemerkt der
Verf. richtig, daß es sich um eine sprichwörtliche Redensart
handelt, und von da aus hätte er unmittelbar
(oder ausschließlich) zu der Spruchliteratur vorstoßen
sollen, um innerhalb der hebräischen Poesie das Vorkommen
von Alliterationen in den einzelnen Gattungen
festzulegen. Nur so kommt man zu wirklichen
Vergleichszahlen. Im Volkssprichwort findet sich der
Stabreim nur manchmal (O. Eißfeldt, Der Maschal im
Alten Testament, 1913, S. 49), und auch in den Kunstsprüchen
habe ich oben als Verhältniszahl 3 vom Hun-