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Ausgabe:

1930 Nr. 9

Spalte:

210-211

Autor/Hrsg.:

Bachmann, Philipp

Titel/Untertitel:

Luthers Kleiner Katechismus als Aufgabe für die Gegenwart 1930

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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209

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 9.

210

Cohrs, Konsist. Rat, Superint. i. R. D. Ferdinand: Vierhundert
Jahre Luthers Kielner Katechismus. Kurze Gesch. seiner Entstehe
, u. seines Gebrauchs. Ein Beitr. z. Feier seines 400 jähr.
Geburtstages. Langensalza: H. Beyer & Söhne 1929. (96 S.) 8*. =
Frdr. Mann's Pädagog. Magazin, H. 1240 = Abhandlungen z. Pflege
evang. Erziehungs- u. Unterrichtsichre, H. 23. RM 2.20.

Auf 96 Seiten bietet der um die Sache des Kl.
Katechismus Luthers, nicht nur um seine Vorgeschichte
hochverdiente Verfasser einen (nicht für Theologen bestimmten
) Überblick über die wechselvolle Geschichte
des Enchiridions in fünf Abschnitten: „1. bis zur Einreihung
des Katechismus unter die lutherischen Bekenntnisschriften
; 2. in der Zeit des sogen. Orthodoxismus
bis zum dreißigjährigen Krieg; 3. in der Zeit des
Pietismus; 4. in der Zeit der Aufklärung; 5. im letzten
Jahrhundert." Seiu Augenmerk ist nicht allein darauf
gerichtet, uns die Entstehung und die Verbreitung des
„Handbüchleins" in seinen überaus zahlreichen Ausgaben
, Bearbeitungen, Übersetzungen vorzuführen. Er
macht den Leser auch mit dem jeweiligen unterrichtlichen
, volkserzieherischen und theologischen Gebrauch
des Kl. Katechismus bekannt und schildert, je weiter
er sich der Gegenwart nähert um so mehr, seine Anfechtung
und „Wiedergewinnung". Auf engem Raum
ist ein reichliches Material ausgebreitet und ins Licht
gesetzt. Wir überschauen die Unterrichtsariweisungen
von denen Luthers an bis zu denen der Zwickauer Thesen
und der Dresdener Grundsätze. Die Geschichte der
exponierten Katechismen wird uns im Abriß geboten.
Wir beobachten, wie der Katechismus einerseits zum
corpus doctrinae, andererseits zum landesgesetzlichen
Joch, zum Prüfungsgegenstand für Jung und Alt bei
„unnachbleiblichen" Strafen wird, wie aber der ortho-
doxistische Mißglaube an das Wort schon vor der Zeit
des Pietismus seine pädagogische Korrektur erfährt.
Pietismus, Aufklärung, 19. Jahrhundert werden in ihrer
Stellung zum Enchiridion und seiner Auswertung nicht
nur für sich dargestellt, sondern auch in lehrreicher
Weise in Beziehung gesetzt (vgl. z. B. die Erörterung
über die Entwickelungsfrage im 18. Jahrh. und bei
Harnisch). Durch geschickt ausgewählte Proben belebt
der Verf. das von ihm entworfene Bild. Die Schülerantworten
aus dem Theophilus Joh. Val. Andreaes werden
dem Leser ebenso unvergeßlich bleiben, wie die
Art, in der Herder den Katechismus Luthers zugleich
auslegt und unwirksam macht. Cohrs hat also gewiß
den „weiteren Kreisen", für die er schreibt, einen guten
Dienst erwiesen. Er geht aber hier und da über seine
nächste Absicht hinaus, regt z. B. auch gelegentlich
(S. 18) die Forschung an, zu genaueren Erkenntnissen
zu gelangen. Und es kann kein Zweifel darüber sein,
daß viele Theologen keinen Anlaß haben, sich vornehm
der Lesung der „kurzen Geschichte" Cohrs* zu enthalten
. Freilich reichen für sie die grundsätzlichen Betrachtungen
, in die der Verf. seine Darlegungen münden
läßt, nicht aus. Ja es wäre wohl zu wünschen gewesen
, daß sie allen pädagogisch interessierten Lesern
n<>cri ^weitere Klärung vermittelt hätten. Daß Luther den

schwerung fassen könne, und wo der theologische und
katechetische Gegensatz zwischen ihm und etwa den
pietistischen Katecheten lag. Von hier aus wäre über
den Katechismus-Unterricht des 18. und 19. Jahrhunderts
, über seinen Pietismus, seinen Humanismus und
sein repristiniertes Luthertum grundsätzlich Erleuchtendes
zu sagen. Natürlich könnte man dann an Problemstellungen
, wie sie neuerdings Heckel und Bohne darboten
, nicht, ohne sie an unserem Stoffe zu erproben,
vorübergehn. Erst nach solchen tief schürfenden Untersuchungen
könnte man darüber zur Klarheit gelangen,
ob, wieweit und unter welchen Bedingungen das heute
zweifellos ein von Luther (wie vom Pietismus, wie von
Herder, wie vom Neuluthertum des 19. Jahrhunderts,
wie vom Neuprotestantismus) abweichendes Lehrverfahren
erfordernde Enchiridion in der Gegenwart ein
Volksbuch zu werden vermag, wieweit wir es heute
dem Lehrenden, wieweit dem Lernenden zu eigen geben
sollen. Es wäre ungerecht, dem Verfasser vorzurücken
, daß seine kurze Geschichte nicht so umständlich
vorging. Aber der Schluß des verdienstvollen
Büchleins hätte doch zum mindesten mehr Fragen aufwerfen
und weniger schnell bei der These vom Volksbuch
auch der Gegenwart zu einer verhältnismäßigen
Ruhe kommen soflen, als es geschah.
Jena. Waldemar Machol z.

Bachmann, Prof. D. Ph.: Luthers Kleiner Katechismus als
Aufgabe für die Gegenwart. Ein Wort z. Katechismusjubil.
Leipzig: A. Deichert 1929. (80 S.) 8". RM 2.40

Das Katechismus jähr hat die Literatur über Luthers
Kl. Katechismus mannigfach vermehrt. Pietätvoll sind
die Erscheinungen, die mit der Geschichte des Enchiridions
sich beschäftigen; wertvoller die, die zeigen, daß
die beste Erinnerungsfeier die ist, die uns zum rechten
Gebrauch des Lutherschen Katechismus auffordert. Zu
letzteren gehört Bachmanns Buch. Hervorgegangen aus
einem Vortrag, der in der Ev.-luth. Kirchenzeitung
(1929, Nr. 1 u. 2) erweitert unter dem Titel: „Luthers
Kl. Kat. als Urkunde evang. Frömmigkeit" erschienen
ist, wendet es sich der Aufgabe zu, die der Gegenwart
mit Luthers Büchlein gestellt ist.

Wohl ist die Aufgabe im Grunde immer dieselbe,
Leben aus Leben zu schaffen. Und diese Aufgabe ist
auch immer erfüllt worden, teils durch die seltsamsten
Methoden, teils trotz ihrer, denn wäre es nicht so, so bestände
die evang. Kirche nicht mehr. Aber nötig ist es,
daß jede Zeit die ihr angemessene Methode erkenne,
und danach sucht das Buch. Deshalb gliedert es den
Katechismusunterricht in modern pädagogische Ziele
ein: die große Aufgabe sieht es erreicht im Gesinnungsunterricht
, den Weg gewährleistet in der Arbeitsschule
und im erziehlichen Unterricht. Doch nicht willkürlich
wählt der Herr Verfasser, nur weil sie modern sind,
diese Bestimmungen; er entwickelt sie aus dem Wesen
des Enchiridions. Der erste Teil seines Büchleins ist der
Beschreibung dieses Wesens gewidmet. In interessanter
Kl. KateehismuTnTcht für die'Methoden jenes psycholo- I Weise gewinnt er es zum guten Teil aus der Ver-
gischen „ReS hat, der wie in ver- j gleichung des Ench.nd.ons mit den ihm voraufgegange-

„n.eiigiosismus gescnneuc ■■ ■ > _ nen evangelischen Katechismusversnrhen • er beschreibt

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untersuchen was er bei seinen KaW™ s™ , ■ lebendigen Unterricht den Katechismusschüler zu ge-

mu£i dieses HanrihSemeS- ^"i^ Es ! winnen, so daß er, vom Lehrer geleitet, sich die Gruncl-

Mirtel dieses Handbuchleins erreichen wollte, ts j ^„„«iioi',,- /-.„„:______s _„,L,;w« ,.nri

lagen evangelischer Gesinnung „erarbeitet" und im
Unterricht für aktive evangelische Lebenserfüllung „erzogen
wird".

Jene Erarbeitung zu erreichen, legt B. den höchsten Wert darauf,
den Schüler unterrichtend vom sogenannten Text zu Luthers Auslegung
zu führen, letztere ihn entwickelnd aus dein Text gewinnen zujassen:
dieser ist das fest Gegebene, die Auslegung (das „Was ist das?") aber
Stattete in der Weise unterrichtlich ZU Überliefern, Wie das zu Findende. Die erziehliche Aufgabe des Unterrichts läßt B. ganz

besonders eingehend mit der Stellung des Dekalogs im Kat. sich beschäftigen
; wertvolle und höchst beachtenswerte Ausführungen bietet er
dazu dar; das Ziel der Behandlung des ersten Hauptstücks aber sieht

wäre von Wichtigkeit, zu erfahren, wie weit Luthers
Bekenntnis zum dritten Artikel, wieweit die günstigeren
Zeitbedingungen, von denen C. im Anschluß an
Gottschick (S. 94) redet, wieweit der Mangel pädagogischer
Errungenschaften späterer Jahrhunderte ihn bewogen
, sein Büchlein so zu gestalten und das so ge

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es geschah. Es wäre zu erwägen, was Joh. Aumann
mit seiner Behauptung gemeint habe, daß auch ein
Kind von 7—8 Jahren den Kl. Katechismus ohne Be-