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Ausgabe:

1930

Spalte:

193-196

Autor/Hrsg.:

Jeremias, Joachim

Titel/Untertitel:

Jerusalem zur Zeit Jesu. Teil I u. IIa 1930

Rezensent:

Staerk, Willy

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. Emanuel Hirsch unter Mitwirkung von
Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Hans Lietzmann, Prof. D. Arthur Tltius, Prof. D. Dr. G. Wobbermln

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften, unter Mithilfe von Prof. Lic. K. D. Schmidt, Kiel,
bearb. v. Lic. H. Kittel U. Lic. Dr. Reich, beide in Göttingen.
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50. — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

CC Ighrir Mr O Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Oöttingen, Jf. April IQsfl

00. Janrg. i*r. y. Hainholzweg 62, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. P tyov

Spalte

Jeremias: Jerusalem zur Zeit Jesu (Staerk). 193
Zimmer: Spiel um den Elefanten (Haas). 196
Scheftelowitz: Die Zeit als Schicksalsgottheit
in der indischen und iranischen

Religion (Ders.)...............196

Holtzmann: Tamid (Staerk)........197

Le i p o 1 d t: Die urchristliche Taufe im Lichte

der Religionsgeschichte (Dibelius).....197

Balss: Albertus Magnus als Zoologe
(Betzendörfer)................199

Spalte

Siedel: Theologia Deutsch (Hirsch). . . . 200
van der Zanden: Christelijke Religie en

Historische Openbaring (Iwand)......201

Krön er: Die Selbstverwirklichung des

Geistes (Knittermeyer)...........203

Reinhold-Seeberg-Festschrift (Schian).....206

B eh n : Allgemeine Geschichte der Pädagogik

(Kessel er)..................208

Cohrs: Vierhundert Jahre Luthers Kleiner
Katechismus (Macholz)...........209

Spaltt

Bachmann: Luthers Kleiner Katechismus

als Aufgabe für die Gegenwart (Cohrs). . 210

Schlatter: Wohin? (Heckel).......211

Runestam: Psychoanalyse und Christentum

(Rendtorff).................212

Schreiner: Vom dreifaltigen Reichtum

des Wortes (Schian)............214

Dürr: Alttestamentliche Parallelen zu den

einzelnen Sonntagsevangelien (Niebcrgall) 214

Jeremias, Lic. Dr. Joachim: Jerusalem zur Zeit Jesu. Kulturgeschichtliche
Untersuchung zur neutestamentlichen Zeitgeschichte.
Tl. L u. II. a u. b. Leipzig: Ed. Pfeiffer 1923, 1924 u. 1929. (VIII,
98, 64 u. 143 S.) gr. 8°. Tl. I. RM 3.10; II a. 2—; IIb. 9.50.

Von dieser umfassenden Monographie ist in der
Th. L. Z. bisher nicht gesprochen worden, obgleich das
Erscheinen der 1. Lieferung 7 Jahre zurückliegt. Ref. erfüllt
deswegen eine Dankespflicht gegen den verdienten
Verf., wenn er jetzt, nach Erscheinen der 3. umfangreichen
Lieferung, auch die früheren in seine Besprechung
mit einbezieht.

Im Unterschied von der üblichen Behandlung der
Geschichte des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter
will J. keine „Neutest. Zeitgeschichte" schreiben,
sondern eine umfassende Kulturgeschichte des
Palaestina der Zeit Jesu. Er bezeichnet seine Arbeit
allerdings sehr bescheiden als Vorarbeit für eine solche
Kulturgeschichte, weil er nur die kulturellen Verhältnisse
der Hauptstadt zum Gegenstand der Untersuchung gemacht
hat. Aber in Wirklichkeit erschöpft er mit diesem
engeren Umkreis der Kultur des Judentums in Jesu
Tagen das, was wir auf Grund der Quellen Zuverlässiges
zu sagen vermögen. Das hat seinen einleuchtenden
Grund in der überragenden Bedeutung, die die
Hauptstadt des judäischen Gebietes für das Ganze der
Judenschaft gehabt hat. Eine kurze Inhaltsangabe soll
den reichen Inhalt, den J. mit vollendeter Beherrschung
der Quellen und gediegenster Sachkenntnis ausgeschöpft
hat, vergegenwärtigen:

1. Teil. Die wirtschaftlichen Verhältnisse. 1. Gewerbe
(Arten des Gewerbes, Zusammenschluß im Gewerbe, Gewerbe in Beziehung
zum Tempel und Kultus, Bedeutung Jerusalems für die Wirtschaft
). 2. Der Handel (Nachrichten über Handel und Handelswege,
Fem- und Nahhandel, Bedeutung Jerusalems für den Handel in wirtschaftlicher
, politischer und religiöser Hinsicht). 3. Der Fremdenverkehr
(Nachrichten darüber, Reise nach J. und Unterkunftsverhältnisse, Jer.
in Beziehung zum Weltverkehr, Nahverkehr, Eigenart Jer.s in seinem Einfluß
auf den Fremdenverkehr) S. 1—97.

2. Teil. Die sozialen Verhältnisse (hierzu gehört wohl
die besondere Lieferung, die im Signet nur als Jer. II bezeichnet ist,
S. 1—64; ich füge ihren Inhalt hier ein) A. 1. Die Reichen (Der
Hof und die begüterte Bevölkerungsschicht. 2. Der Mittelstand. 3. Die
Armut (Sklaven und Tagelöhner, Unterstützungsbedürftige). 4. Die maßgebenden
Faktoren für die Gestaltung der Vermögenslage der Bewohner
Jer.s 2ur Zeit Jesu (die wirtschaftsgeographische Lage, die politischen
Verhältnisse, Religion und Kultus; dazu 2 Exkurse: die Geschichtlichkeit
von Matth. 27,7 und Notzeiten Jerusalems). B. Hoch und
Niedrig, 1. Hauptteil: Die gesellschaftliche Oberschicht (Die Priesterschaft
, der Laienadel, die Schriftgelehrten, die Pharisäer), S. 1—140.

Die Darstellung in Teil 1 und Teil II a beweist,
daß es der Hand des Meisters in der Tat gelingen
kann, aus verstreuten und verhältnismäßig
dürftigen Nachrichten über die allgemeinen kulturellen
und die besondern sozialen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Verhältnisse des alten jüdischen
Palästina ein anschauliches Bild zusammenzusetzen
. Die traditionelle „Neut. Zeitgeschichte" hat es
in dieser Hinsicht an Konkretheit der Darstellung fehlen
lassen. Ihr besonderes Anliegen war immer die politische
Geschichte, die Verfassung und das Religionswesen
des Judentums, wie denn z. B. der von Holtzmann
(Neut. ZG. 2 1906 S. 148ff.) überschriebene Abschnitt
„Das jüdische Leben in neutestamentlicher Zeit"
die Darstellung des Volkslebens auf die religiösen
Zustände in Kultus, Organisation, kirchlicher Gruppenbildung
und Theologie einschränkt, also in Wirklichkeit
gar nicht vom Volksleben in seiner äußeren und inneren
Bewegung spricht. J.'s monographische Darstellung
füllt also eine erhebliche Lücke in der neut. Zeitgeschichte
aus. Fragen z. B. der Wirtschaftsgeographie,
wie etwa die Frage nach dem nicht unbedeutenden
Handel Jerusalems trotz seiner äußerst ungünstigen
Lage als vom Meere abgeschnittene Gebirgsstadt, treten
in der herkömmlichen Art der Zeitgeschichte überhaupt
nicht in den Gesichtskreis der Darsteller. Von der
soziologischen Problematik des Judentums der Zeit Jesu
ganz zu schweigen.

Für den Theologen ist selbstverständlich der Teil
IIb, der die Schichtung des Klerus und seine Abgrenzung
gegen das alte Patriziat, und dann die theologische
Oberschicht zum Gegenstande hat, von besonderer Bedeutung
. Hier führt uns J. an einige der schwierigsten
Probleme des älteren Judentums heran und kommt zu
Ergebnissen, die als Korrekturen traditioneller Urteile
von weittragender Bedeutung sind. Ich hebe einiges
heraus. Über Sadduzäer und Pharisäer kommt
J. auf Grund der Quellen zu einer von der wissenschaftlichen
Tradition stark abweichenden Auffassung, und
wie mir scheint mit Recht. Er polemisiert gegen die bekannte
Vorstellung von den Sadduzäern als einer klerikalen
Partei, von der auch noch die Darstellung bei
Bousset, Rel. d. Jud. 3 1926, S. 185 f. nicht ganz losgekommen
ist („der sadduzäische Priesteradel mit seinem
ganzen Heere von niederen Priestern und Kultbeamten
"). Nach dem, was Josephus und das N.T. erkennen
lassen (vgl. Acta 23), umfaßt der Name S.

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