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1929 Nr. 7

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164

Titel/Untertitel:

Il Progresso Religioso. Anno VIII. 1928 1929

Rezensent:

Koch, Hugo

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1G3

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 7.

164

stentum unserer Tage aufs Ganze gesehen noch weit
entfernt ist das Christentum zu sein, das Christus wollte
und das einmal kommen muß, wenn unserm Volk und der
Welt überhaupt geholfen werden soll. Mit dem Entschluß
, einen neuen Anfang zu einem solchen heldenhaften
Christentum und christlichen Heldentum zu machen
, legt man das Büchlein aus der Hand. Das ist
wohl mit das Schönste, was von ihm gesagt werden
kann. Wir wünschen ihm, wie der Verfasser in seiner
Vorbemerkung auch, „Leser vor allem in unserer Männerwelt
, besonders in unserer männlichen Jugend", und
sind gewiß, es wird seine Wirkung nicht verfehlen.
Darüber hinaus wünschen wir ihm in allen Kreisen
unseres Volkes weiteste Verbreitung.

Lienen. Otto S m e n d.

Zwischen den Zeiten. (Verantw.: Georg Merz.) Jg. 1924-1927.
München: Chr. Kaiser, gr. 8°. halbj. RM 5.50; Einzelh. 2.30.
In Theol. Lit-Ztg. 1924 Nr. 12 Sp. 262 f. berichtete ich über
die Anfänge von „Zwischen den Zeiten". Seither hat die Zeitschrift
reichlich 1 Jahrgänge erlebt; sie hat in der theologischen Erörterung
eine wichtige Rolle gespielt; der anfangs sehr kleine Kreis
von Mitarbeitern hat sich erweitert. Neu traten auf Alfred Bäumler,
Rudolf Bulttnann, Lukas Christ, Wilhelm Loew, Walter Leonhard,
Hans Burri, Albert Schaedelin, Emil Brunner, Oskar Ziegner, Karl
Stoevesandt, Richard Kahlweit, Otto Reinhold, Gerhard Krüger,
Richard Karwehl, Haus Hartmaitn, Hermann Herrigcl, Heinrich
Barth, auch Erik Petcrson : mit diesen Namen ist die Reihe
noch nicht abgeschlossen. Es handelt sich also um die Wortführer
im Kreis um Barth und Gogarten und andere Glieder dieses Kreises,
aber auch um einige, die ihm nicht ohne Weiteres zugezählt werden
können. Getragen wird die Zeitschrift nach wie vor in erster Linie
von Barth, Gogarten und Thurneysen selbst. Zumal die Fülle der
Barthschen Beiträge ist erstaunlich; 1925 brachte jedes Heft einen
großen Aufsatz aus seiner Feder; auch später ließ seine Produktivität
nicht nach. Die Zeitschrift bringt fast ausschließlich größere Beiträge
; nur zuweilen bilden „Anmerkungen" etwa in Form von
Bücherbesprcchungen den Beschluß. Daß eine so wenig auf die
moderne Neigung zur Feuilletonistik eingehende Zeitschrift sich durchsetzen
konnte, ist ein gewichtiges Zeugnis für ihren Inhalt. Sie ist
eben das Organ von Barth und Gogarten, die auf die jungen (und
manche älteren) Theologen eine fast magische Anziehungskraft übt.
Trotz der dialektischen Stilisierung, um deren willen ein Theologieprofessor
, der sich ihrer bedient hätte, vor dem Kriege allgemeiner
Nichtbeachtung verfallen wäre; trotz ihrer Schwerverständlichkeit, die,
wenn schon in etwas geringerem Grad als bei anderen Veröffentlichungen
von derselben Seite, auch den Lesern dieser Zeitschrift zu
schaffen macht! Barth hat einmal seine Posaunenstöße rings um die
Theologie getan; die Jugend hat das Signal gehört und sieht die
Mauern der vorbarthischen theologischen Wissenschaft für bereits
gefallen an. Nun lauscht sie, wie er zu Einzelfragen des Ncubaus
Stellung nehme. Auch dabei geht es nicht ohne kräftigen Kampf ab;
immerhin besteht sichtlich das Bedürfnis nach Klärung. Wieder und
wieder begegnet die Frage nach Wesen und Bedeutung des „Wortes".
Folgende Themata werden behandelt: Wort Gottes und Bekenntnis
(Ziegner); Was ist Gottes Wort? (Gogarten), Prophet und prophetisches
Wort (Refer), Die Quellen unserer Verkündigung (Burri),
Das Wort und die Frage nach der Kirche (Gogarten), Das Wort
Gottes und die Botschaft des Friedens (Hans Hartmann), Menschcn-
wort und Gotteswort in der christlichen Predigt (K. Barth) usw.
Sehr viel Raum beanspruchen auch die Darlegungen über die Kirche:
Kirche und Theologie (K. Barth), Die Möglichkeiten der Kirche
(Leonhard), Zur Diskussion über die Kirchenfragc (Karwehl), Staat
und Kirche (Thurneysen), Wesen und Grenzen des Kirchenrechts (Kei-
del). Auf die Frage nach dem „Wort" ist oft eingegangen worden;
gern würde ich hier die Stellung des Barthschen Kreises zur Kirchenfrage
näher beleuchten. Aber gerade hier liegt ihr schwächster
Punkt; nirgend ist ein umfassendes ernstes Eindringen in die Probleme
zu erkennen. Gogarten sagt am meisten Positives; aber auch die
Feststellung, daß die Kirche die Gemeinde derer ist, die das Wort
hören, das Gott zu ihnen spricht, fördert doch die Diskussion herzlich
wenig. Es ist eben auch in dieser Frage so, wie sonst in den Äußerungen
derer um Barth und Gogarten: einige wuchtige Sätze werden
herausgehoben, meist sehr scharf und einseitig formuliert; die Durcharbeitung
und die Ausarbeitung läßt man liegen. Nur kommt in der
Kirchenfrage noch die schmerzlich oberflächliche, durch gesuchte
Geistreichigkeit besonders ärgerlich wirkende Ungerechtigkeit im Urteil
über die Kirche, wie sie ist, hinzu. Leonhard weiß zu sagen,
daß wir keine gute und keine schlechte, vielleicht überhaupt keine
Kirche haben; derselbe witzelt: „Man hat Geineindetagsbestrebungen,
aber es zeigt sich, daß sie die Gemeinden eher extrahieren als
bauen". Karwehl bringt es fertig, zusagen: „Der Versuchung, sich an
der kirchlichen Aufbauarbeit zu beteiligen, gilt es tapfer zu widerstehen
". In der Tat, kirchlicher Aufhau geht von dieser Gruppe

nicht aus; aber daß es heißt, eine sehr ernste Verantwortung auf
sich laden, wenn man so leichthin die Kirche unterwühlen hilft,
darüber scheinen sich diese Männer keine Gedanken zu machen. —
Es wäre noch viel zu sagen: und keinesfalls soll untersagt bleiben,
daß viele Aufsätze in all ihrer absichtlichen Einseitigkeit dadurch
wertvoll sind, daß sie die Dinge in anderer Weise, als sonst geschieht
, beleuchten (z. B. Herrigel, Die Theologie Wilhelm Herr-
manns ; Thurneysen, Konfirmandenuiiterricht). Nur zeigt sich immer
wieder das Bemühen, die Sache um jeden Preis anders, ganz anders
| anzufassen, wobei dann am Wesentlichen nicht selten vorbeigegangen
wird (so z. B. in dem Aufsatz von Merz über den Rembrandtdeutschen).
Breslau. M. S c h i a n.

II Progresso Religioso. Anno VIII. 1928. Roma (110) iVia Ema-
miele Gianturco 4]: Redazione e Amministrazione. (288 S.) gr. 8°.
Mit einem Aufsatz „Fra Chiese e Cenacoli Lineamanti di
una collaborazioiie spirituale" (S. 1 —16) eröffnet M. Puglisi, der
i Leiter dieser vorzüglichen Zeitschrift, den Jahrgang 1928. Es ist der
J Vortrag, mit dem er die in Rom abgehaltenen Konferenzen der
I „Associazione per il Progresso Morale e Religioso" eingeleitet hat.
Ausgehend von dem Gesetze, daß alles Geschehen zwischen den
Polen des Schaffens und des Erhaltens verläuft, wirft er einen Blick
auf die Entwicklung des Christentums bis zur Gegenwart, hierauf
: kennzeichnet er die religiösen Strömungen der Gegenwart in ihrem
Auseinandergehen und ihrem Zusammenstrebcn, die Lage des Christentums
in den verschiedenen Ländern, die Kräfte, die ihm dienen, die
! Hemmungen, die ihm entgegenstehen, und dann zeigt er die Aufgaben,
an deren Lösung die Associazione arbeitet, die ebenso von weitem
I Blick wie von hohem Streben Zeugnis gehen. — Ferrari handelt
S. 16—25 von dem „Schöpferischen Worte", indem er die Bedeutung
des „Wortes" in seiner Verpersöiiliclinng im A.T. herausstellt,
j die aber doch nicht an den Logos des Johannesevangeliums heran.-
j reiche. — S. 26 ff. wird über Schriften berichtet, die in jüngster Zeit
; zur Frage der Einigung der Kirchen erschienen sind. S. 38 ff. zeigt
sich, daß der Fall „Resel Neumann von Konnersreuth" auch in
■ nicMkirchlichen Kreisen Italiens beachtet wurde. — S. 49—62 kenn*
. zeichnet Jasink „Das Gebet im ältesten Buddhismus",
! die Versenkung nach ihrem Wesen, ihren Stufen und ihrem Ziel,
dein Nirväna, das nicht etwa die Vernichtung bedeutet, sondern Erfahrung
in ihrer höchsten Reinheit und Vergeistigttng. — S. 97—110
! sucht Evola in seinem Aufsatz „Überwindung des Roman-
j tizismtis, Umbildungen und Vorwegnahmen in der gegenwärtigen
I Kultur", die Kräfte und Strömungen aufzuzeigen, die im Gegensat/ zu
j allem Gefühlsmäßigen, Christlichen, Demokratischen auf eine Zeit
„absoluter Realität" und „absoluter Aktivität" und auf eine Rückkehr
zu vorchristlichen Machtgchildeii hinarbeiten. — In seinem Aufsatz,
j „Morgenländische und abendländische Mystik" (S.
i 145—156) führt Rudolf Otto auffallende Übereinstimmungen Fichtes in
I seiner „Anweisung zum seligen Leben oder Lebre von der Religion"
! (1806) mit Anschauungen der Upanishaden und des Systematiken
: Sankara (um 800 nach Chr.) auf. Diese sind um so merkwürdiger,
] als er keinerlei Kenntnis der östlichen Mystik verrät, wie er auch mit
Eckart nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Es liegt also eine
reine Geistesübcreinstimmimg vor. — S. 157—161 bandelt Pia Sartori
Treves über „Den religiösen Gedanken Arthur Grafs",
i des italienischen Forschers und Dichters, und zeigt, daß es ein Irrtum
j war, als man 1905 aus Anlaß seiner Veröffentlichung „Per una fede"
j von seiner Bekehrung vom antiken Pessimismus zum Spiritualismus,
! eines Bruitctiere und Bergson sprach. — In dem Aufsatz. „Religion
i und Religionen" (S. 193—198) erklärt Georg Mehlis das
Christentum deshalb für die absolute Religion, weil es von allen Welt-
j religionen die einzige ist, die ein „Kompendium aller religiösen Gedanken
" darstellt. — Imperialismo pagano" heißt der Titel
! eines 1928 erschienenen Buches, worin J. Evola darlegt, daß die
heutige Welt von der aus dem Christentum hervorgegangenen Detno-
! kratie nur durch ein Zurückgehen auf den vorchristlichen heidnischen
Machtgedanken befreit werden könne (siehe seinen kurzen Aufsatz
i oben S. 97 ff.). Dagegen macht Puglisi in einem Aufsatz mit dem-
! selben Titel (S. 199—206) Einwände. — S. 207—213 äußern sich
; Renda und Cianciulli zu einem 1928 erschienenen Buche von
i Puglisi über das Gebet. — S. 241—253 gibt Ferrari einen
i Überblick über die Entwicklung des alttestamentlicheri Begriffes der
i „Weisheit als göttlicher Hypostase" nach seiner sittlichen
und seiner weltschöpferischen und wcltlenkenden Seite, tun darzutun,
1 daß er nicht aus fremden Religionen eingedrungen, sondern dem eige-
I nen religiösen Denken und Fühlen Israels entsprungen sei. — S.
I 254—259 schildert Minocchi den Mythus und die Gebräuche der
i Mysterien des Osiris und erklärt ihren Ursprung und ihren
i Sinn „aus dem tiefsten Empfinden der ägyptischen Seele": die ägyp-
] tische Religion war königlich und aristokratisch. — S. 63 ff. 111 ff.
! 162 ff. 254 ff. Berichte über die Tagungen der „Associazione per il
j Progresso morale e religioso" und ihre Verhandlungsgegenstäiide. Die
Anzeigen einschlägiger Neuerscheinungen stehen durchaus auf der
Höhe und berücksichtigen alle Kulturländer.
München. _ _ Hugo Koch.