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Ausgabe:

1929

Spalte:

131-133

Autor/Hrsg.:

Guttmann, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Darstellung der jüdischen Religion bei Flavius Josephus 1929

Rezensent:

Weiser, Artur

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13] Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 6. L32

Abgesehen von diesen grundsätzlichen Ausständen sammenstellung der haggadischen Zusätze zum Penta-
ist wenig zu tadeln. Mit der Ignorierung der christlich- teuch bei Jos. werden einige Angaben dieser Art getheologischen
Arbeit auf dem jüdischen Gebiete wird bucht, die teils verlorenes Material der mündlichen
zusammenhängen, daß in den einschlägigen Artikeln Tradition darstellen, teils als eigene Ausgestaltungen
(Abraham, Abel usw.) Philo unberücksichtigt geblieben biblischer Erzählungen durch Jos. — nicht immer überist
. Ein etwas peinliches Versehen der Redaktion liegt zeugend — gewertet werden. Eine gewisse „Dramati-
vor, wenn sie zwei Proselyten an zwei verschiedenen sierung" der Pentateueherzählungen und eine, besonders
Stellen von zwei verschiedeneu Mitarbeitern behandeln im Bellum zutage tretende roinfreundliche, pazifistische
ließ, einmal als Abraham ben Abraham unter dem Tendenz beweisen die subjektiv-willkürliche Behandlung
üblichen und deshalb gleichen Proselvtennamen Sp. 412, der Tradition durch Jos., obwohl dieser selbst voll-
dann als Abraham der Proselyt II bezw. III Sp. 530f. kommen auf der Grundlage der Bibel zu stehen be-
(Warum erfahren wir die christlichen Namen, zumal den hauptet.

des Jude gewordenen hohen Geistlichen nicht?). Sp. 608 Der II. Teil, der sich mit den Angaben des Jos.
hätte erwähnt werden sollen, daß die vielfach auf Jesus über Kultus und Ethik befaßt, bringt zunächst in Ausbezogene
Stelle Jeb IV 13 (mamzer) auch auf Absalom einaudersetzung und Ergänzung zu Olitzki (Flav. Jos.
gedeutet wird, Sp. 96 (Ab, der fünfzehnte) wenigstens und die Halacha, 1885, 1889) Bemerkungen über die
die Möglichkeit angeführt werden können, daß ein ur- Religionsgesetze und den Tempel, die auf ähnliche
sprünglich kanaanäisches, aber schon früh in Israel schriftstellerische Motive schließen lassen wie die hagga-
geübtes Fest vorliege (vgl. jetzt Dalman, Arbeit und dischen Angaben zum Pentateuch. In einem Kap. über
Sitte 1, 2, 1928, S. 567f., 592 f.). Zu breit sind die Jos. und die jüdische Weltanschauung seiner Zeit wird
Artikel „Adel" (Sp. 814—848) und „Agadische Litera- die Wirkung der Tempelzerstörung auf die Umgestal-
tur" (s. o.); letzterer ist durch die völlig zwecklosen tung der jüdischen Weltanschauung in der Richtung
„Textproben" unnötig belastet. In der Abkürzungs- auf die Vergeistigung des Gottesbegriffs und die Ver-
tabelle vermißt man einige häufigere Abbreviaturen wie innerlichung der Ethik, die schon bei den Zeloten vor-
Sn.HTpn u.a. (Sp. 189 ff.). Zum Eigenbestande des Werkes bereitet war gedeutet, und Spuren davor, bei Jos. aufge-

■ - , , o . ■.. -T- ,• l- r» • e e zeigt. Der letzte Abschnitt ist uberschrieben Jos. in

scheint die Schreibung Tertulian zu gehören. Peinlich seilier rdi Weltanschauung', obgleich der Verf. am

wirkt das einfache a. und p statt „vor Christ. Ge- Schlusse m dem Ergebnis kommt, daß von einer eigent-

burt" und nach Christ. Geburt' , umso mehr als es ,ichen rdigiösen Einstellung" bei Jos. keine Rede sein

wohl dem Wunsche entsprungen ist, das Wort „Christus kan,n Es ^ dje stellung'des Jos. zu den Vorzeichen

zu vermeiden. . ,. „ _, « , , und dem Messiasbegriff untersucht und gezeigt, daß

An Christen haben ... diesem Bande u. a. Agobard das för das Lebensschicksal des Jos. bedeutsame Orakel

von Lyon und der Kardinal Agidius, Reuchlms Zeit- Qber dje Kaiserwörde des Vespasian (Bell. VI 312-314)

genösse, wegen ihrer Haltung den Juden gegenüber Auf- wedor in j d dner F()rni literarischer Abhängigkeit

nähme gefunden. Die Ausstattung ist vorzuglich. Im m den paraueten bei Tacitus und Sueton stehe* nocn

ganzen ist che Enzyklopädie eine rech erfreuliche Er- dc>1, Scnluß zl,iasse, Jos. habe den Vespasian für der.

scheinung. Sie wird es in ihren folgenden Banden Mcssias gehalten (gegen Willi. Weber Jos. und

noch mehr sein, wenn die oben geäußerten Bedenken Vespasian 1921); ebenso lehnt G. die These Wohlebs

die gebührende Berücksichtigung finden. (I)as Tcstimunilim Flavianum, Rom. Quartalschr. 1927)

Tübingen. Kar! Heinrich Rengstorf. mit Recht ab, wonach Jos. sich selbst für den Messias ge-

. _... ..... . _ halten habe. Der Messiasglaube des Jos. steht auf dem

Guttmann Dr. Hemr^lK D e Darstellung der jüdischen Re- ß d Q Apokalyptik des Danielbuches (Aich. X 210).

<vn°5i f) S8° P ^ RM 2 Der besonders im 'Bell, hervortretende religiöse „Fatalis-
J- c i. J± j- i r* o e-i e- 1 mus" ist bedingt durch die römerfreundliche Tendenz
r , u't S,ch ,f ' d'e as-Pl^rRt*hon de Philo^phischen dieses Werkes -Die m Tdlcn der Arcnaologie Lind m
1-nlcTultat der Universität Gießen vorgelegen hat unter- C()ntra Apioncm erkennbare Wiederaimäheriing an die
sucht die -in den Werken des Josephus zerstreuten An- jfidische Tradition verrät eine innere Wandlung des Jos.,
gaben über die jüdische Religioni auf ihre Herkunft djc der Verf mit La b Reaktion des fos. ^n
aus schriftlicher und mündlicher Trach ion, bezw. aus önlidlc Angriffe zu deuten scheint,
den eigenen Tendenzen des Schriftstellers. Sie geht 1 , ., ,, , ,,
dabei aus von der Annahme einer selbständigen Ar- Der Zusammenhang zwischen Lebens, clucksal und
beitsweise des Jos., wie sie die scharfsinnige Arbeit «cm Wandel des religiösen Standpunkts bei Jos. wird
von R. Laqueur (Der jüd. Historiker Flav. Jos., 1920) zum .Schluß ganz, kurz angedeutet und zeigt die Ab-
als durch die jeweilige persönliche Lage und Ein- hangigkeit der Arbeit von der genannten Schritt und
Stellung des Jos. psychologisch und biographisch bc- Methode Laqueurs, auf psychologisch-biographischem
dingt verstehen gelehrt hat (S. 2f. 23.47.) Durch diese Wege den Werken des Jos. gerecht zu werden und die
Frontstellung gegenüber der besonders von Hölscher ; mannigfachen Schwankungen der religiösen Einstellung
(Quellen d. Jos. 1904; Artikel „Josephus" in Paulv- ! ^us dem wechselvollen äußeren und inneren Schicksal
Wissowa Realenc. f. klass. Altert. Wiss.) vertretenen ! des Schriftstellers zu bereifen. Der Verf. ist unter
Beurteilung der Schriften des Jos. als - durch reine | Laqueurs Führung ohne Zweifel auf einem guten Weg;
Literarkritik zu erweisenden - Produkten mehr oder ^ da« jedoch seine Schrift nicht wesentlich über den
weniger mechanischen Abschreibens, ist der Standort Rahmen einer kritisch beleuchteten Materialdarbietung
der Arbeit innerhalb der gegenwärtigen Jos.-Forschung ll"d -ergänzung hinauskommt, bei der man oft die ubergekennzeichnet
zeugende innere Logik des Zusammenhangs vermißt,
In dem ersten Teil sucht der Verf. die genannte verrät einen Mangel an dem, gerade für diese Methode
These der Selbständigkeit des Schriftstellers Jos. hin- erforderlichen weitschmenden Uberblick, der die Einzel-
sichtlich seines Verhältnisses zu den erzählenden Teilen heiten in ein Gesamtbild einzuordnen vermag wie es
des Pentateuch zu erhärten, indem er einerseits zu zeigen ™ dein Schlußkapitel von Laqueurs Werk über den
versucht, wie Jos. nicht nur die LXX, sondern auch den Werdegang des Jos. geschehen ist Man möchte der
hebräischen Text, aber ebenso auch die jüdische Tra- Schrift eine klarere energievollere Disposition und einen,
dition in seinen Werken zu Rate zieht, anderseits jedoch die analytische Untersuchung kurz zusammenfassenden,
neben diesem selbständig verwerteten Traditionsstoff ! synthetischen Schlußabschnitt wünschen.
Material bietet, das nur aus persönlichen Tendenzen des Das zu eng gewählte Blickfeld bewirkt denn auch
Schriftstellers zu erklären ist. eine kaum richtig gezeichnete Perspektive hinsichtlich
In Ergänzung zu der schon von Bloch (Die Quellen der Wirkung der Tempelzerstörung auf die Umgestal-
d. Flav. Jos. in sr. Archäologie, 1879) gegebenen Zu- I tung der jüdischen Weltanschauung. Die Vergeistigung