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Ausgabe:

1929 Nr. 4

Spalte:

91-92

Autor/Hrsg.:

Tarner, George Edward

Titel/Untertitel:

Christianity and the Church Mystical: The Harvest of the World‘s Redemption 1929

Rezensent:

Goertz, H.

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 4.

92

„die Erlösung als Geschichte" (63 ff.) zur Geltung bringen und
spricht vom „schöpferischen Prozeß" der Geschichte, dessen Gesetz die
Zusammengehörigkeit von Kreuz und Auferstehung ist. Aber kann er
übersehen, daß das Sterben doch erst im leiblichen Tode zu
seiner Ganzheit kommt, daß also auch die Auferstehung der Geschichte
transzendent bleibt? Er kann es nicht — er weiß um die Spannung von
Glauiren und Hoffen (66). Ist dann nicht aber die Wendung vom
schöpferischen Prozeß schärfer zu umgrenzen — wenn L. nicht will,
daß, mit dem Fortschreiten des Prozesses, die Hoffnung mehr und
mehr im Glauben untergeht? — Die Formel für das „gelingende
Gebet", daß es andächtig (was soll hier, 37, übrigens die allgemeine
Ausführung über den Begriff der Andacht überhaupt bedeuten
?), daß die Gegenwart Gottes beim Beten sein Merkmal sei,
reicht nicht aus. Es gibt doch auch eine niederschlagende, zerscheiternde
Gegenwart Gottes. — Formell hätte ich eine noch
größere Straffheit der Gliederung gewünscht. Die von uns vorhin gegebene
Beschreibung der Erlösung bei L. muß man in dem Hefte
erst zusammensuchen; die Gedanken könnten deutlicher aufcinander-
bezogen und zusammengefaßt sein. Vielleicht setzt die Einteilung des
Ganzen in 14 Abschnitte, durch welche die Fülle der Beziehungen
und Fragen gut zur Geltung kommt, hier Schranken.

Erlangen. P. Alt haus.

Heinzelmann, Prof. D. Gern.: Die Erfahrungsgrundlage der
Theologie. Rektoratsrede, geh. am Jahresfest der Universität Basel
am 18. Nov. 1027. Gütersloh: C. Bertelsmann 1928. (23 S.)
gr. 8°. RM -80.

Dieser Sonderabdruck aus Zeitschrift für systematische
Theologie beantwortet die Frage, ob die Theologie
den methodischen, erkenntniskrid sehen und theologischen
Einwendtingen zum Trotz eine Erfahrungsgrundlage
habe, mit einem entschiedenen Ja. Was die
Rede zur Beantwortung hervorbringt, ist sehr wertvoll.
Leider aber werden die theologischen Bedenken am wenigsten
berücksichtigt. Die Rede beschäftigt sich nicht
eingehend mit der Einwendung, die aus dem tiefen
Süudenbewußtsein hervorgeht, und ungefähr so ausgedrückt
werden kann: Wenn man den Abstand des Sündenbewußtseins
nicht verletzen will, darf nichts Menschliches
, keine psychologische Bestimmung, weder eine
posi.ive noch eine negative, für die Erkenntnis von
Gottes Wesen gebraucht werden, überhaupt nichts Erfahrbares
. Man kann keine grundsätzliche Klarheit erreichen
, wenn man auf diesem Punkt nicht die Gedanken
zu Ende denkt. Meiner Ansicht nach liegt es so,
daß auch wenn man den Glauben als das unmotivierte
Dennoch auffassen will, man entweder dieses Dennoch
als eine krampfhafte Anstrengung des Menschen auffassen
muß, oder man muß es ais ein psychisches
Korrelat, eine psychische Wirkung Gottes auffassen.
Man sieht Gott in dieser Richtung und mit dieser Bestimmtheit
.

Kopenhagen. Ed. Geismar.

T a r n e r, George Edward : Christlanity and the Church Mystical:
The Harvest of the World's Redemption. Cambridge:

Deighton, Bell & Co. 1928. (VIII, 149 S.) 8°. 4 sh. 6 d.
Trotz seines Dankes an die Männer der Wissenschaft wegen
zeitweiliger Entdeckungen von höchster praktischer Bedeutung, wie
X-Strahlen und drahtlose Fernwirkung (S. 149), und trotz gelegentlicher
Eingaben an den Vizekanzler der beiden Universitäten Oxford
und Cambridge mit Vorschlägen zur Verbesserung der wissenschaftlichen
Arbeit (S. 126) scheint mir der Verfasser auch bei Anhäufung
von allerlei Forschungsergebnissen doch selbst nicht vom
Hauche wirklicher Wissenschaft berührt zu sein. Allzu naiv verwendet
er Bibelstellen wahllos zum Beleg für allerlei Behauptungen und
hält den Entscheid der 318 Bischöfe von Nicäa unbedingt für vertrauenswürdiger
als die Feststellungen von Konferenzen der aufgeklärtesten
und fortschrittlichsten Männer der Gegenwart (S. 129).
Die Aufstellung eines wissenschaftlichen Generalschemas (S. 130),
umfassend die gesamte Schöpfung, psychisch und kosmisch [NB. in
dieser Zusammenstellung!), das materielle Universum und die jenseitigen
Regionen, spiegelt sicli im kleinen im vorliegenden Buch,
das auch von allem und einigem redet: von etlichen Glaubenspunkten
, von Leben und Persönlichkeit Jesu, von moderner Indifferenz,
sodann vom Weltlauf von der Schöpfung an über die ganze Kirchengeschichte
hin, mündend in der „mystischen Kirche", d. h. der
Kirche als Jesu mystischer Leib, die in ihrer Enderscheinung die
Gesamtheit der durch Jesu allgenugsames Verdienst Erlösten umfaßt,
nämlich Christen aller Kirchen und Gemeinschaften, einschließlich
von Anhängern der „falschen Religionen" wie Buddhismus,
Mohammedanismus usw., sowie auch von Juden und Heiden (S.123).
Es hat keinen Sinn, daß solche im üblen Sinne laienmäßige
; Bücher geschrieben werden.

Dortmund. H. Goetz.

j Mundle, Pfarrer Prof. Lic. Wilhelm : Die religiösen Erlebnisse.
Ihr Sinn und ihre Eigenart. Ein Beitrag zur Frage nach dem
Wesen der Religion. 2., völlig umgearb. Aufl. Leipzig: J.C. Hin-
richs 1927. (74 S.) 8». RM 3.60.

Meiner Besprechung der 1. Auflage dieser Schrift
(Theo 1. Lit. Ztg. 1922 Nr. 3) habe ich nur hinzuzufügen,
daß die vorliegende 2. Auflage sich mit Recht als „völlig
umgearbeitete" bezeichnet inbezug auf Formulierung
der Gedanken und Gruppierung des Stoffes. Ganz neu
hinzugekommen ist Kap. IV über Ewigkeit und Zeit.
Auch fallen allenthalben Streiflichter auf die neueste
theol. Lage (dialektische Theologie u. s. f.). Indessen
ist mit alledem nichts geändert an der (sympathischen)
Grundtendenz der Schrift: nämlich entgegen aller falschen
Rationalisierung der Religion aufgrund ihrer
Selbstaus^age eine phänomenologi-xhe Wesenserfassung
zu vollziehen, die hervortreten läßt, daß alle religiöse
Erfahrung Reflex eines Objektiven sein will, sich also
konstituiert weiß durch ihren Gegenstand, der seines
Geheimnischarakters wegen aller rationalen Erkenntnis
transzendent ist. — Die Anstände meiner Besprechung
; sehe ich auch jetzt nicht wirklich beseitigt.

Zu S. 11 A. 2: Die Verwandtschaft von M.s phänomenologischem
Verfahren und der relig.-psych. Methode Wobber-
| mins (ich habe mit Recht auf Schleiermacher verwiesen, hätte aber
I Herrmann besser nicht genannt!) betone ich nach wie vor, so-
j weit es sich um die Frage nach dem Wesen der Religion han-
I delt: nämlich die gemeinsame Tendenz, den konstitutiven Sinngehalt
j der Religion aufgrund einer Analyse des religiösen Bewußtseins zu
j erheben und dabei seinen Wahrheits a n s p r u c h (behauptete Objekt-
be/ogenheit) in helles Licht zu stellen. Daß M.s Phänomenologie
„die konsequente Anwendung" der Methode Wobb.s sei (wie mir
| Mundle in die Schuhe schiebt) habe ich nie behauptet. Schoo
darum nacht, weil (abgesehen von gewissen methodischen Differenzen
der Wesenserfassung, auf die einzugehen hier nicht der Ort
ist), für Wobbermins Gesamtverfahren die kritische Frage: nach der
| Geltung der Religion jener ersteren (nicht methodisch, aber) sachlich
übergeordnet ist. (Vgl. Wobbermin selbst: einerseits System.
; Theo!. II, Vorwort, andrerseits ZThK. 1927, S. 60).

Münster i, W. Fr. W. S c h m i d t.

Mitzka, Priv.-Doz. Dr. Franz, S. J.: Die Glaubenskrise im Seelenleben
. Wien: Verlagsanstalt Tyrolia 1928. (60 S.) kl. 8». =
Schriftenreihe zum „Seelsorger", Nr. 2. RM 1.10.

Eine populär gehaltene „Theologie des Glaubenszweifels" vom
katholischen Standpunkt aus. Da für den Verf. der Glaube festes
Fürwahrhalten (S. 12), die freiwillig geleistete Zustimmung zu einem
von der Kirche gelehrten Satz ist (S. 33), kommt die seelsorgerliche
| Behandlung des Zweifelnden darauf hinaus, die vernunftgemäßen
Gründe darzulegen, auf Grund derer die katholische Kirche als einzig,
j artige Geisteserscheinung und göttliche Autorität dasteht: keine Religion
hat eine derartig komplizierte Lehre zusammen mit einem
Gottesdienst, von Vorschriften geregelt, die allein ein Gesetzbuch ausmachen
: und sie ist in ihrer ganzen Riesenausdehnung eins in ihrer
Lehre und in ihrem Gottesdienst (S. 30). Bezeichnend für die letztlich
intellcktualistische Einstellung sind die Worte, mit denen der Verf.
] seine Ausführungen zusammenfaßt: Der Glaubenszweifel hat in keiner
j Form eine Berechtigung vor dem vernünftigen Denken (S. 48). Der
i Glaube des Katholiken muß vernünftig sein (S. 28). Im Gegensatz, zu
der hier vorgetragenen Auffassung wird man wohl dem Glaubenszweifel
, der eben von vornherein viel tiefer zu fassen ist als der
| Zweifel an der Lehre einer Kirche, viel eher beikommen können, wenn
! man ihn als einen Konflikt von Gefühls- und Denksicherheit auffaßt und
j darauf seine Therapie aufbaut, wie es z. B. in der viel reichhaltigeren
und auch tieferschürfenden Schrift von P. Stegenga: TwijfeL als psychologisch
verschijnsel in het religicuse leven 1924 geschieht.

Heidelberg. Robert Wink ler.

Saalfeld, Lic. Hans: Das Christentum in der Beleuchtung
der Psychoanalyse. Versuch e. Darstellung u. Kritik d. psychoanalytischen
Aussagen über das religiöse Erleben. Gütersloh: C
Bertelsmann 1928. (97 S.) 8". RM 3—,

Eine Lizentiatenarbeit, die im Anschluß an eine gedrängte,
! übersichtliche Darstellung der Grundbegriffe der Psychoanalyse S.
! Freuds und seiner Schüler immer wieder auf die Lückenhaftigkeit des