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Ausgabe:

1929 Nr. 2

Spalte:

46-47

Autor/Hrsg.:

Bauke, Hermann

Titel/Untertitel:

Tod und Leben. Evangelische Predigten 1929

Rezensent:

Schian, Martin

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4r,

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 2.

46

heutige Predigt ist, wie Theologen und Laien zu rühmen dem Versuch an, Einheit und Verschiedenheit von Theowissen
, ,,aktuell". 'Nur mit halbem Recht. Nicht gleich- I rie und Praxis abzuwägen. Soweit in den folgenden
o-iltig,' aber auch nicht entscheidend ist das Merkmal Bemerkungen Krnik an dem Predigtbuch geübt wird,
der Aktualität. Nicht gleichgiltig, weil eine wirklich- I verfolgt sie den Zweck, die Diskussion über Fezers
keitsfremde Predigt Gottes Wort gleichsam in eine be- ; theoretisch-homiletische Problemstellung erneut anzu-
ziehungslose Welt für sich einschließt; nicht entschei- j regen.

dend, weil die wirklichkeitserfüllte Predigt noch nicht Wenn nach Fezer „predigen" heißt, daß der Gott

die rechte Beziehung der Wirklichkeit zum Worte Gottes 1 der Bibel der Gemeinde lebendig gegenwärtig werde als
verbürgt. Die rechte Aktualität der Predigt ist aber ge- der, der unter ihr und an ihr sein Werk hat, so hat er
rade daran zu prüfen, nicht an ihrem Gleichschritt mit dieses Ziel auf mannigfache Weise angestrebt. Seine
der momentanen Aktualität des Geschichtlichen. Die Predigten nehmen die Gemeinde mit in die Predigt
Aktualität der biblischen Botschaft deckt sich durchaus hinein. Ihre zeitlichen Fragen und Nöte spricht er offen
nicht immer, ja selten mit der Aktualität der geschieht- i aus, den Schatz evangelischer Frömmigkeit in Lied,
liehen Vorgänge. Der Charakter der evangelischen Pre- Schriftwort, besonders Kirchengeschichte holt er her-
di°4 ist darum noch nicht garantiert, wenn soziale. vor, vor allem sucht er dem Individualismus kräftig zu
kirchliche, politische, nationale oder internationale Fra- steuern und die Gemeinde zur Erkenntnis dessen, was
gen zum Vortrag kommen, aber auch nicht, wenn dieses Gemeinde des Glaubens heißt, zu erwecken. Man wird
nicht geschieht. Der „Wirklichkeitscharakter" der dem Verfasser gerne zustimmen, daß der Titel und die
Predigt ist für sich allein nicht konstituierend für den Widmung — die Predigten sind der Stuttgarter Roseninneren
Wandel, der sich vollzogen hat und vollzieht. berggemeinde gewidmet — den Sinn richtig treffen.
Grundlegend erscheint mir dagegen der Wechsel in den i Eine andere Vergleichslinie neigt sich weniger zu Gun-
Kate°orien, die für die theoretische Begründung und die 1 sten der Predigten und mehr zu Gunsten der homile-
praküsche Gestaltung der Predigt maßgebend sind. tischen Theorie. Durch das Buch „Wort Gottes und
Voran steht die Tatsache, daß nach beiden Seiten hin, > Predigt" geht ein starker theologischer Zug. In der
theoretisch und praktisch, die Predigt wieder theolo- j „Diagnose" vor allem ist die theologische Kritik uner-
oäschen Charakter gewinnt. Die Predigt ist so wenig [ bittlich. Man wird das nicht in gleichem Maße von den
eine Veranstaltung neben der Theologie, wie die Theo- i Predigten rühmen können. Die Glaubenslehre tritt nicht
logie eine Veranstaltung neben der Predigt. Katheder scharf genug heraus, z. B. in der Trinitatis- und Pfingst-
und Kanzel sind nicht Stätten zweier von einander abge- j predigt. Auch würde ich mich schwerlich entschließen
löster Welten, sondern stehen wie Theologie und Kirche i Matth. 8, 23—27 allegorisch zu wenden und wenn schon,
in wechselseitiger Verbundenheit. Diese Ordnung ver- | mit der Tradition nur auf die Kirche. Mir will es schei-
leiht der Auffassung von der evangelischen Predigt j nen, als ob F. hier zu sehr seine theologische Erkennt-
neue Würde. So hat von der Dogmatik her Karl Barth i nis zurückstellt, obwohl bei der Mannigfaltigkeit der
das Verhältnis von Dogma und Predigt in scharf ge- j religiösen Problematik das docere verbum, die doctrina
prägter These formuliert; in der praktischen Theologie : fidei um der Sache und um der Kirche willen geboten
hat Fezer in seiner Untersuchung über Wort Gottes ! ist. Eine in diesem Sinn theologische Predigt wird von
und Predigt die Homiletik auf ihr zentrales Problem der Gemeinde, gerade der „modernen" nicht vertragen
gewiesen. Wir haben seine Studie an dieser Stelle i nur, sondern verlangt. Durch die Berücksichtigung die-
schon einmal eingehend besprochen und ihre Bedeutung : ses Gesichtspunktes würde der praktische Wert der
für die homiletische Theorie und für die praktische j Predigt sich noch heben. —

Theologie hervorgehoben. Zu ähnlichen grundsätzlichen Erwägungen könnte,
Fezers Buch würdigten wir damals als eine Ver- ; wie hier nur angedeutet sei, die Form der Predigten
heißung für die Umkehr, die sich von der „Praxis" der j Anlaß geben. Durch F.'s Predigten geht eine Gleichpraktischen
Theologie zur Theologie vollzieht. : mäßigkeit der Gliederung und Predigtart. Dies ist für
Wenn nun der gleiche Verfasser eine Sammlung Pre^ , die Aufnahme und Behaglichkeit der Predigt ein Vorteil,
digten vorlegt, so wird man unwillkürlich erwarten, daß Immerhin läßt sich grundsätzlich fragen, ob nicht die
die grundsätzlich vertretene Stellung nun in ihrer prak- ! Verschiedenartigkeit der Texte auch eine Verschiedentischen
Gestaltung gleichsam demonstriert werde. Ge- f artigkeit der Predigtgestalt verlangt, wenn man nicht
gen diese demonstrative Absicht verwahrt sich der Ver- ausnahmslos die Humilie als die Form ev. Predigt anfasser
mit der Bemerkung im Vorwort. „Wenn ich nun j sehen will. Im Übrigen wird die Beurteilung einer Pre-
eine Anzahl meiner Predigten aus den letzten sieben '• digtsammlung den individuellen Eigentümlichkeiten des
Jahren veröffentliche, so tue ich dies natürlich nicht in Predigers in weitem Umfang Rechnung zu tragen ha-
der Absicht zu zeigen: so macht man es! Wer ein wenig : ben. Sie geben jedem Prediger Anlaß, an ihnen sein
hineinsieht in die grundsätzliche Frage der Predigt, und eigenes Temperament zu heiligen und an dem beson-
wer von der Not und Angst, in die der Prediger bei der i deren Predigtstil des anderen den eigenen durchzuläu-
Vorbereitung kommen kann, ja kommen muß, persön- 1 tern. Würde ich dort eine hie und da überraschend auflich
etwas weiß, dem sind alle solchen Absichten gründ- ; tretende religiöse Sentimentalität gegensätzlich empfin-
lich vergangen. Der will auch mit den gedruckten Pre- I den, so umgekehrt die nüchterne, unschwärmerische
digten nichts anderes als eben „predigen", ohne jede ! Art dem Enthusiasten zur Temperierung anraten; jedem
andere Nebenabsicht dazu mithelfen, daß der Gott der j Geistlichen aber wünschen, daß ihm aus einer ebenso
Bibel der Gemeinde lebendig-gegenwärtig werde als der, I gründlichen Meditation wie bei F. eine gleich klare,
der unter ihr und an ihr sein Werk hat. Damit habe ich knappe, kurze Gestaltung erwachse,
schon ausgesprochen, daß mich bei der Predigtarbeit die : Berlin. uc Meckel,

in meiner eingangs erwähnten Schrift niedergelegten j --------

Überzeugungen geleitet haben." - j Bauke/l'rof. D. Hermann: Tod und Leben. Evangelische fte-

Man kann sich mit der Auffassung des Verf.s ein- : digten. Aus seinem Nachlaß hrsg. v. Johannes Fritze. Mit e Geverstanden
erklären, sowohl was die Entstehung der ; leihv. v. Heinrich Rendtorff u. e. Bildn. d. Verstorbenen.
Predigten, als was deren Auf nähme in der lesenden Ge- ; Hailea. S.: Buchh. d. Waisenhauses 1Q28. (V, 31 s.) gr. 8».
meinde angeht. Es ist ein Vorzug des Buches, daß sich i RM 2.50.

sein Verf. nicht von dem Gedanken hat leiten lassen, Hermann Bauke, gest. 1927 als Professor der Kir-

bloß eine praktische Exempelsammlung zu seiner theo- i chengeschichte in Kiel, war 1914—1927 Pastor an U L
retischen Abhandlung zu schaffen. Aber bei aller Selb- j Frauen in Halle. Dort sind diese 9 Predigten gehalten,
ständigkeit des Predigtbuches verlangt doch der oben 1 Sie verdienen es, nicht nur als Zeichen frommen Ge-
zuletzt angeführte Satz des Autors einen prinzipiellen ! denkens gewertet zu werden. B.s Art muß eine sehr beVergleich
zwischen seinen beiden Arbeiten und regt zu | sondere gewesen sein. Er hat etwas zu sagen und wagt