Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1929 Nr. 26

Spalte:

606-617

Titel/Untertitel:

Festgabe für Adolf Jülicher zum 70. Geburtstag 26. Januar 1927 1929

Rezensent:

Beyer, Hermann Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5, Seite 6, Seite 7

Download Scan:

PDF

£05 Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 26. 606

und Tod der Safwa erfahren haben, das alles gewinnt Festgabe für Adolf Jüiicher zum 70. Geburtstag 26. Januar
hier unmittelbares Leben. Wir sehen, wie das alles ge- . '927. m. e. Bikinis v. Adolf Jülicher u. e. Liclitdrucktaf. Tübingen:
lebt wird. Wenn Frau Kootz ihrem Werk über die | J.C. B. .Mohr 1027. (viii, 2S1 S.) «f.«» r.m 18-; geb. 21-.
Safwa als Untertitel vorausschickt: „Ein ostafrikanischer i Eine Festschrift kann ihren guten Sinn haben als
Volksstamm in seinem Leben und Denken" — hier Ausdruck der persönlichen Beziehung, die einen Lehrer
"anz besonders bekommen wir das uns damit Ver- mit seinem Schülerkreise oder einen Meister der Wissen-
sprochene zum Besitz. — Den Hintergrund all dieser | Schaft mit seinen Mitforschern verbindet. Es ist das ge-
Lebensschicksale bilden die mehrfachen Einfälle des wiß der Fall, wenn ein erlesener Kreis führender Män-
Sanoehäuptlings Merere in das Safwaland, die mancher- ner zweier großer Bereiche wissenschaftlicher Arbeit sich
Iei Kämpfe, in denen es den Safwa gelang, den Ein- mit einer solchen Gabe einem Manne naht, von dem er
dringling wieder herauszuweisen, die'endliche Besitz- | in voller Wahrhaftigkeit sagen kann, daß er an seinem
ergreifung des Landes durch Merere und die Wiederher- Wirken vorbildlich gesehen habe, „wie sich Klarheit, Güte
Stellung der alten Besitzverhältnisse durch die deutsche und Strenge einer menschlichen Lebensführung mit uner-
Kolonialregierung. Im Vorwort gibt d. Verf. zur leich- ; müdlicher Forscherarbeit zu einer festen Einheit verbutteren
Orientierung des Lesers einen kurzen Überblick den kann". Aber wir kennen auch die Gefahr unseres
über diese Ereignisse. Einen ausführlicheren Abriß der Festschriftenwesens. Darum muß man wohl sagen, daß
Landesgeschichte von Usafwa, soweit sie sich nach den ; von wirklicher Bedeutung eine Festschrift als solche
Erinnerungen der Leute zurückverfolgen läßt, hofft sie nur dann ist, wenn sie eine sachliche Aussage zu machen
in einem besonderen kleinen Buche zu veröffentlichen. hat, welche über die Selbstdarstellung soziologischer
Den Theologen wird in diesem ethnographischen : Schulzusannnenhänge hinausgeht. Wenn von dem
Quellenwerk natürlich nicht alles in gleicher Weise Mrnne- dein .uie üabe Süt> nun vollends als das Beinteressieren
. Das ihn besonders Interessierende findet zeichnende seines Wesens gesagt werden kann, daß er
Sich aber keineswegs nur in den Abschnitten „Glauben seinen Schulern und Mitarbeitern „ein Erzieher zur srren-
nnd Aberglauben"'und „Krankheit und Tod". Auch in gen Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit gewesen" sei, so
den anderen Abschnitten begegnet immer wieder einmal e* vollends nahe, die Frage nach eben der sach-

ein Stück religiösen Glaubens; es findet sich gelegent- [lfhen A?5ftjfo?H ttelle11' d": da? ?"ch ,nacht> das den
lieh auch dort, wo die Einzelüberschrift es nicht ohne i Namen Adolf Jubchers im Titel tragt,
weiteres erwarten läßt. Und auf die besondere Wichtig- Das Buch bezeugt zunächst eines mit aller Entschie-

keit der Erinnerungen aus dem Leben der Safwa-Leute denheit, daß nämlich die historisch-kritische Arbeit die
braucht hier nur noch einmal hingewiesen zu werden. Grundlage alien geschichtlichen Forschens auch im
Überraschend neue Einzelheiten über die religiösen Vor- ' Zusammenhang der Theologie ist. Was vor 20
Stellungen primitiver Völker werden uns hier allerdings Jahren eben zur Selbstverständlichkeit geworden zu
nicht mitgeteilt. Interessant sind Einzelheiten, wie das i sein schien, das ist heute wieder eine Behauptung, die
Fehlen des eigentlichen Managlaubens, die Antworten ' mit dem Vollgewicht ihres Inhaltes hineinklingt in eine
auf Fragen über ihre Vorstellung von Gott und der Zeit der Gärung nicht nur innerhalb der theologischen
Menschen Verhältnis zu ihm. Das eigentlich Wertvolle ! Wissenschaft. Und ich meine, da bedeutet es schon et-
liegt auch hier darin, daß wir die Menschen in diesem ■ was, wenn Männer wie Walter Bauer und Bultmann,
ihrem Glauben wie auch im Rahmen der sie beherrschen- Windisch und Karl Holl, Lietzmann und Eduard
den Sitte leben und handeln sehen. j Schwartz sich um einen Mann zusammenfinden und die

Besonders eindrücklich sind da zwei heidnische Ge- Forschu.igsg.undsätze im Tatbeweis eigener Arbeit be-
betserhörungsgeschichten (II, 227. S und 244); daneben | {ah?n> d,e, eur d?:ch uem ganzes Schatten hindurch vereine
ganze Reihe naiver Erzählungen von wirksamen „eten Und bewahrt hat. Das ist das Eindrucksvolle an
Zauberkuren, auch selbstvollzogenen. Überraschend sind : ire" s.° 2"" verschiedenen Beitragen daß man hinter
einzelne uns ohne weiteres sympathisch berührende Züge lh"?n ,mme!' weder den kritischen Forscher Juhcher
sittlichen Feingefühls, daneben so Fremdartiges, vrte i£che" dT ^v*"*.?' dessen entscheidende

daß der Erzähler berichtet, wie er mit zwei Knaben, ehe Durchforschung der Itala erst in vollem Umfange Wirker
sie, um sich sein Recht zu holen, tötete, Gruß und j W" vv;erden Wll d>.den Literarkr.tiker, dessen vor 3«/,
Gegengruß tauschte. - In ihren Erinnerungen erzählen ! Jahrzehnten geschriebene Einleitung in das Neue Testament
wenige der Leute zum Schluß auch noch, wie sie 1 "ien n0C1 heute ^ ubertroffen worden ist den Form-
Christen geworden sind, welches Wort des Missionars . knhker, der zuerst den Zugang zur inneren Struktur der
es war, das ihr Herz „aufwachen" ließ, alles zusammen , Gleichnisse Jesu erschlossen hat, den kritischen Ge-
kaum einige Seiten, manchmal fast nur nüchterne No- schichis orscher, dessen Lebenswerk noch keineswegs
tizen, und doch grade in dieser Schlichtheit von g^Si^ir unerhört reiche

höchstem Interesse. Zum ^veiten hat das Buch als Ganzes nicht un-

Das Buch der Verf. hat schon eine lange Ge- wesentliche Bedeutung durch den Hinweis darauf, daß
schichte hinter sich. Ihre Arbeiten zum vollen Ab- j die wissenschaftliche Arbeit am Neuen Testament und
schluß zu bringen, hinderte sie der ausbrechende Krieg. , an der aIten Kirchengeschichte auf das Engste zusam-
Das, was vollendet vorlag wurde als „wichtigstes Gut" , mengehören. In Jülichers Forscherarbeit hat sich die
und „wertvoller Schatz" auf der weiten und gefahrvollen stete Zusammenschau der Probleme beider Arbeitsge-

Reise durch den belgischen Kongo bis nach Frankreich
und von dort schließlich in die Heimat mitgenommen;
und hier hat es Jahre lang auf seine Veröffentlichung

warten müssen. Wir teilen die Freude der Verf., daß es j vieien Beiträgen an, wie die Geschichte der alten Chri

biete sehr fruchtbar erwiesen und in der Festschrift
stehen nicht nur äußerlich die Arbeiten der Neutesta-
mentler neben denen der Historiker, sondern man spürt

ihr nun vergönnt ist, die Arbeit langer Jahre gesichert
zu sehen, und erhoffen ihr die Erfüllung des Wunsches,
mit dem sie das Vorwort des ersten Bandes schließt,
..daß diese Aufzeichnungen den uns nachfolgenden Erziehern
und Führern der kommenden Safwa-Geschlechter
den geöffneten Weg zeigen möchten, auf dem sie
schneller, als es uns damals" — bei ihren Anfängen
unter dem Safwa-Volke — „möglich war, sich das Vertrauen
und die Liebe des Volkes "erringen können".
Hermhut. Th. S t e i n m a nn.

stenheit als eine Einheit verstanden ist. „Bis Nicäa
reicht die Urzeit, zu der sich noch heut alle christlichen
Kirchengemeinschaften bekennen" (Jülicher).

Schließlich: Das Buch läßt an manchen Stellen
die Gefahren ahnen, die in der von Jülicher geübten und
gelehrten Methode liegen. Es wäre kurzsichtig, das zu
leugnen. Aber es zeigt doch sehr eindrücklich auch das
Weitergehen der Forschung, die fruchtbaren Ansätze
neuen Arbeitens; und das ist ja wohl das Beste, das sich
ein betagter Meister an seinem Lebensabende wünschen
kann. Wir Glieder einer jüngeren Generation brauchen