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Ausgabe:

1929

Spalte:

603-605

Autor/Hrsg.:

Kootz-Kretschmer, Elise

Titel/Untertitel:

Die Safwa, ein ostafrikanischer Volksstamm in seinem Leben und Denken 1929

Rezensent:

Steinmann, Theophil

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004

wirklich so gekennzeichnet werden wie das S. 607 geschieht
? Übrigens hätte im Zusammenhang mit der
Analyse von Esra 4 nachdrücklich darauf hingewiesen
werden sollen, daß die uns vorliegende Form von Esra-
Neh. auf weite Strecken hin den Eindruck macht, daß
es sich garnicht um verarbeitetes Material handelt, sondern
um Sammlung von Stoff zu einer Darstellung,
gleichviel woher die Notizen stammen. Auch Nehemias
Denkschrift liegt doch bloß in einzelnen Excerpten vor;
Kap. 13 läßt das noch deutlich erkennen. Noch nicht
völlig geklärt ist m. E. die Frage des Durcheinander der
Dokumente in den genannten Büchern. Mit der üblichen
literarischen Analyse ist hier offenbar nicht weiterzukommen
. Aber vielleicht hilft die augedeutete Erkenntnis
weiter, daß wir es in Esra-Neh. überhaupt nur mit
größeren und kleineren Zettel notizen, Excerpten
aus Dokumenten und Erzählungen zu tun haben, die
niemals wirklich verarbeitet wurden, sondern als loses
Material mitgeführt wurden und so durcheinander geraten
sind.

Jedenfalls hat K.s Darstellung zu diesen und allen
andern Fragen, die die Geschichte des älteren Judentums
uns stellt, starke Anregung gegeben. Es wird der rechte
Dank für diese große wissenschaftliche Gabe sein, wenn
in Zukunft Historiker und Theologen in eingehende Diskussion
mit ihr treten.
Jena. V. Staerk.

Kootz-Kretschmer, Elise: Die Safwa, ein ostafrik-anischei
Volksstamm in seinem Leben und Denken. I.: Das Leben der Safwa.
IL: Geistiger Besitz. Berlin: D. Reimer 1926 u. 1929. (XII,
316 S. sowie 8 Taf. u. XII, 337 S. in. 1 Kte. u. 9 Taf.) gr. 8°.

L: RM 12—; IL: RM 15--.

Für den Wert dieses Werkes über die Safwa, einen
Volksstamm von etwa 15 000 Seelen im früheren
Deutsch-Ostafrika im Bereich des Arbeitsgebietes der
Mission der Brüdergemeine nördlich des Nyassa, spricht
schon die Tatsache, daß der Professorenrat der Hamburger
Universität sich um seine Veröffentlichung bemühte
, sowie daß die Notgemeinschaft der deutschen
Wissenschaft und das Auswärtige Amt in Berlin seine
Drucklegung ermöglichten.

Die Verfasserin hat als Missionarsfrau bis zu ihrer
Abreise und Gefangennahme im Jahre 1916 über zwanzig
Jahre lang mit ihrem Gatten unter dem Safwavolke
gearbeitet, ihm ihre ganze Liebe geschenkt und allen
Fleiß daran gewendet, in das Geistes- und Seelenleben
des Volkes einzudringen. Was sie uns in diesem Buche
gibt, ist aber nicht die Zusammenfassung treuerund langjähriger
eigener Beobachtungen in ein von der Verfasserin
selbst entworfenes Gesamtbild. Die Verfasserin
gibt uns wertvolleres; wohl keine fortlaufende Darstellung
, dafür aber eine wohlgeordnete Sammlung von
wertvollstem Quellenmaterial in Selbstdarstellungen vom
Leben und Denken der Safwa aus ihrer eigenen Mitte.
In den Vorworten zu den beiden vorliegenden Bänden
gibt sie uns auch Auskunft darüber, wie im einzelnen
dieses Material auf ihre Veranlassung hin und unter
ihrer Leitung in langjähriger Arbeit teils mündlich aus
den Leuten selbst herausgefragt, teils von ihnen selbst
gesammelt und niedergeschrieben wurde. Alles hier
Dargebotene ist, wie die Verf. sich ausdrückt, „eigenste
Arbeit des Safwa". Nur wenige Abschnitte hat die
Verfasserin selbst geschrieben; und diese sind allemal
als solche bezeichnet. Alles übrige ist Übersetzung von
Niederschriften der Leute selbst in ihrer eigenen
Sprache, in Safwa (bei den von der Verf. gesammelten
Rätseln, Sprichwörtern und Redensarten, Sagen, Märchen
und Fabeln z. Teil auch in Nyixa und Inamanga) i
oder unmittelbare Verdeutschung mündlicher Mitteilungen
. Bei der Übersetzung fortlaufender Niederschrif- I
ten hat sich die Verf. überdem darum bemüht, den ,
Eingeborenentext möglichst wortgetreu wiederzugeben. !
Ihre Sorge, das werde der Lesbarkeit des Buches scha- j
den, ist unbegründet. Wir erhalten grade so einen ganz |

eigenartig unmittelbaren und lebendigen Eindruck von
Geisteshaltung und Seelentum dieser Menschen und
fühlen uns ganz anders wirklich in ihre Welt hineinversetzt
als selbst dort, wo die Verf. mündliche Mitteilungen
nach von ihr selbst vollzogener deutscher Niederschrift
wiedergibt. Eine Wiedergabe der Eingeborenentexte
selbst, soweit sie nicht damals, als der
Missionar und seine Gattin auf ihrer Heimreise in die
Gefangenschaft gerieten, abhanden gekommen, soll in
einem dritten Bande folgen.

Um von der Fülle des gesammelten Materials einen
Eindruck zu geben, sei an Hand der Dispositionsüberschriften
wenigstens einiges genannt. Im 1. Band:
I. Kindheit. Hier neben allerlei Gebräuchen bei der Geburt
des Kindes die Beschreibung von nicht weniger als
25 Mädchen-, Knaben- und Rätselspielen. II. Im Man-
nesalter: Verlobung oder Brautwerbung (mit z. B. folgenden
Einzelheiten: „Häßliche Mädchen", „Verschmähte
Männer", „der Heirat widerstrebende Mädchen") und
Hochzeit. Der III. Abschnitt befaßt sich mit den mancherlei
Sitten und Gebräuchen des Frauenlebens. Unter
IV. ist die Rede von den Sitten der Schwangerschaft,
allerlei besonderen Gebräuchen, die in den einzelnen
Sippen beobachtet werden müssen (hier darf man dies
nicht essen, dort jenes nicht u. A. m.), von den verschiedenen
Formen des Grüßens, Anstands- und Höflichkeitsgeboten
, Sitten beim Essen (Mann und Frau
haben da verschiedene Sitten, wie sie auch verschieden
sitzen: der Mann kauert, die Frau kniet) mit Aufzählung
der üblichen Lebens- und Geuußmittel, von Kleidung
und Schmuck, Namengebung (hier ein langes
Verzeichnis von allen möglichen Namen; auch Rindernamen
, Hundenamen), endlich von Tanz und Lied mit
Beschreibung der Musikinstrumente und Tänze und 22
Liedtexten verschiedensten Inhaltes in der Eingeborenensprache
mit beigefügter Übersetzung und Erläuterung.
Abschnitt V bringt 5 Jagdlieder, handelt von allerlei
Jagdzauber, Jagdgeräten, Jagdverfahren und Jagdtieren.
Es folgt als VI. das Arbeitsleben mit Feldbestellung und
Ernte, Ausführungen über Lage und Bau der Hütte und
deren Inneneinrichtung bis zu den mancherlei Hüttenschmarotzern
und wie man sich deren erwehrt, über die
Viehhaltung und die Handwerksübung. Abschnitt VII
behandelt das Rechtsleben: der Häuptling als Besitzer,
als Herrscher, als Priester und als Richter seines Landes
; besonders dieser letzte Abschnitt gibt uns außerordentlich
interessante Einblicke in ein ausgebildetes
Gewohnheitsrecht. Den Schluß des ersten Bandes bilden
die Abschnitte „Glaube und Aberglaube" (der Glaube
an Gott, der Glaube an die Ahnen, böse Geister, beim
Wahrsager, Zaubergeräte und Zaubermedizinen, böses
Vorzeichen, Träume) und „Krankheit und Tod", vieles
davon in lebendiger Erzählung aus dem Munde der Eingeborenen
und als Übersetzung schriftlicher Bekenntnisse
einborener Christen, wie sie in Krankheitsfällen beim
Zauberdoktor waren, was er vornahm und welchen Erfolg
es hatte; wir haben sogar auch eine Beschreibung
von etwa 60 den Eingeborenen bekannten Krankheiten
und deren Behandlung. — Der zweite Band beschäftigt
sich mit dem „geistigen Besitz" des Volkes: 73 Rätsel
und 118 Sprichwörter, wenn nötig mit Erklärung, und
in einem III. Abschnitt 57 Sagen, Märchen und Fabeln.
Vieles davon ist gemeinsames Gut der sprachverwandten
Stämme. In den Märchen und Fabeln begegnen uns
allerlei bekannte Märchenmotive; eine auffallende Parallele
zu der Geschichte vom Wettlauf zwischen Hase
und Swinegel ist die Fabel vom Wettlauf zwischen
Reh und Frosch. Die zweite Hälfte dieses Bandes bilden
Erzählungen und Erinnerungen aus dem Leben einiger
älterer und jüngerer Safwa-Leute, meist von Männern,
darunter ein gewesener Zauberdoktor, aber auch von
einigen Frauen. Diese Aufzeichnungen sind ganz besonders
wertvoll. Was wir im ersten Bande in systematischer
Ordnung über Lebensführung, Sitten und Gebräuche
, Rechtsverhältnisse, religiösen Glauben. Geburt