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Ausgabe:

1929 Nr. 2

Spalte:

42-43

Autor/Hrsg.:

Greijdanus, S.

Titel/Untertitel:

Schriftgeloof en Canoniek 1929

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 2.

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Anselmus in der Scholastik". Er bringt eine Rettung des
Beweises gegenüber den üblichen Darstellungen, die ihm
wegen seiner Apriorität nicht besonders wohlwollend betrachten
. Er habe auch mehr als man gewöhnlich zugibt
in der Scholastik gewirkt. Habe ich mit dem richtigen
Akzent gelesen, so scheint mir D. geflissentlich
diejenigen Stellen des Proslogion hervorzuheben, die
den ontologischen Gottesbeweis sich aufbauen lassen
auf dem Grunde des Glaubens. Der Titel des Proslogion
sollte zuerst lauten: Fides quaerens intellektum. Dann
bestünde die Möglichkeit, die katholische Scholastik auch
von unserem Standpunkt aus positiv zu würdigen.

Zu den fünf aposteriorischen Gottesbeweisen des
Thomas von Aquin bringt J. Gredt in der 4. Abh.
einen sechsten, den „Gottesbeweis aus dem Glückseligkeitsstreben
". Der Naturtrieb des Menschen zu einem
unendlichen Gut ist vom unendlichen Gut, von Gott
spezifiziert (artbestimmt), sonst wäre er kein Naturtrieb
zu Gott, ebenso wie das Sehvermögen kein Sehvermögen
wäre, wenn es nicht vom Licht spezifiziert wäre (S.
131). An den überaus scharfsinnigen Schlußfolgerungen
im einzelnen ist kein Fehler. Wenn nur das Kausalgesetz
, aufgrund dessen geschlossen wird, Realgeltung
hat! Aber A.Schneider hat uns gezeigt, daß sie letztlich
auf einem Glauben beruht. Warum dann den Anschein
erwecken wollen, als ob Gottes Existenz unabhängig
vom Glauben rein rational feststellbar sei?

Fast durchweg in der Form einer Interpretation
von Sätzen des Thomas von Aquino behandelt K.
Feckes unter dem 5. Thema „Die Analogie in unserem
Gotterkennen". Sie ruht auf der dialektischen Entgegensetzung
der negativen zu den kausalbestimmten
affirmativen Aussagen über Gott. Die Eigenschaften,
die wir Gott zuteilen, sind wirklich proprie dicta, aber
bei ihm in einer Art verwirklicht, von der wir uns keine
Vorstellung machen können. Zwischen der Aequivozität
des Svmbols, das nur die Verschiedenheit von Name und
Sache zum Ausdruck bringt, und der Univozität strengster
Eindeutigkeit, die die Identität von Name und Sache
betont, steht die Analogie (partim cadem, partim di-
versa, S. 141 ff.). Alle letzten Begriffe unserer Philosophie
haben solchen analogen Charakter, auch das
Kausalitätsgesetz. Es genügt nicht, nur den objektiven
Charakter des Kausalbegriffes nachzuweisen. Denn damit
reicht er noch nicht aus der Welt des Endlichen in
die des Unendlichen hinein. Bis dahin bleibt jeder
Gottesbeweis ein Sprung. Der analogische Charakter
der Kausalität, was noch mehr bedeutet als ihre Realgeltung
, läßt sich aber nicht theoretisch erweisen, sondern
beruht auf einem Glauben (A. Schneider, S. 78). Dem
entsprechend wird von F. auch nur behauptet, daß
die Analogie des Erkennens auf einer Analogie des Seins
beruhe. Auch das evangelische Christentum kann sich
die These von dem Analogiecharakter unserer Gotteser-
kenntnis voll zu eigen machen, nur daß die theoretisch
aufweisbare metaphvsische Fundierung der analogia
entis durch ihre Fundierung in der Glaubenserfahrung
ersetzt werden muß.

Ausgehend von einer scharfsinnigen Deutung des
Erkenntnisphänomens gibt A. E 1 f e s in seinem Beitrag:
Der Stufenbau der Gotteserkenntnis eine fast gnostisch
anmutende Begründung der Analogie der Gotteserkenntnis
. Erkenntnis ist das Zusammenfallen von subjektivem
Erlebnis und objektiver Seinsweise im menschlichen
Geist (S. 191). Erkennen ist als solches immateriell
und kann kraft dessen Gott in seinen reinen Vollkommenheiten
, ohne Verzerrung, wahr darstellen (S.
197), aber infolge der Verankerung des Erkennens in
materiellen Boden nicht nach dem Grad seiner Immate-
rielHtät, d. h. nicht so wie er ist, sondern in unvollkommener
Weise und darum nur analog (S. 203). Eine
Erkenntnis, die mit Gott in derselben Ordnung der
Immaterialität liegt, ist die „Gottesschau", die sich in
unvollkommenerer Weise im „Glauben" verwirklicht.
„Der Fürst der Scholastik" hat gesprochen: das

gibt den Ausschlag (eine Ausnahme macht nur Dyroff).
Trotzdem ist vieles auch von dem evangelischen Theologen
vertretbar und verwendbar, wenn man es nur aus
dem „System" herauszulösen versteht. Auch wir lehnen
jede „Verselbständigung" des religiösen Wertes (der gemeinsame
Hauptgedanke der Abhandlungen) im Sinne
einer Isolierung der Religion gegen die anderen Werte

j ab. Aber bei uns führen die Linien von der Religion
a u s zu den anderen Werten hin, nicht wie im katholischen
System, von den anderen Werten aus, insbeson-

dere dem theoretischen, z u der Religion h i n. Deshalb
kann es für uns keine „Religionsbegründung" geben,
die letztlich alle Abhandlungen außer der von Dyroff
mit einem Aufwand von erstaunlichem Scharfsinn liefern
, und auch unwiderleglich unter Voraussetzung eines

I erkenntnistheoretischen Realismus, der nicht nur die Unabhängigkeit
des realen Seins vom Bewußtsein, sondern
auch die Möglichkeit seiner rationalen Erfassung und
Durchdringung vertritt. Auf diesem „Dogma" ruhen die
Fundamente des katholischen Systems, wie diese Sammlung
von Aufsätzen wieder einmal überzeugend dartut.
Heidelberg. Robert Win kl er.

Greijdanus, Dr. S.: Schriftgeloof en Canoniek. Kampen.
}. H. Kok 1Q27. (77 S.) gr. 8°. 1 Fl. SO c.

Diese Schrift beruht auf einer Rektoratsrede, die

! der Verfasser bei der Übergabe des Rektorats der

; orthodox - reformierten (gereformeerd) theologischen

j Schule zu Kampen am 7. Dez. 1927 gehalten hat.

' „Schriftglaube" ist Glaube an die Inspiration der Schrift.

j „Caiionik" ist die Wissenschaft vom N.T., die auf der
Voraussetzung dieses Glaubens beruht. Die Rede setzt
diese Auffassungen dogmatisch fest und verteidigt sie

! als sachgemäß und wissenschaftlich gegenüber aller
Kritik, die somit als haltlos, unwissenschaftlich und rein
von subjektiven Voraussetzungen bedingt erscheint.

Gr. gibt zu, daß für die Wissenschaft vom N.T. die
Bücher des N.T. selbst die Hauptquelle darstellen. Er
folgert daraus, daß also das Selbstzeugnis der Schriften

j und ihr Charakter für das Urteil über sie entscheidend
ist. Es gibt dann also nur zwei Möglichkeiten: Beugung
oder Widerspruch. Dem entspricht eine zweite absolute
Alternative, die er stellt: entweder ist' die Kanonsentwicklung
die menschliche Anerkennung göttlicher
Wahrheit oder eine Krankheitsentwicklung des sich im
Irrtum befindlichen menschlichen Geistes, der Wahnvorstellungen
für Wirklichkeit annahm. Der Standpunkt
ist wohlbekannt. Man hat vielleicht einmal gedacht, er

: sei durch die Fortentwicklung und Klärung der wissenschaftlichen
und der theologischen Erkenntnis überwunden
. Offenbarung und Inspiration wird von der reformierten
Orthodoxie immer noch quantitativ bernessen und
wer diesen quantitativ bestimmten Glauben nicht annimmt
, wird von dieser Theologie in den Unglauben
hineingeworfen.

Die Haltung der Schrift ist also eine radikale Absage
an alle moderne Bibelwissenschaft (von Bultmann
bis Feine und Leipoldt). Sogar das Prädikat der
Wissenschaftlichkeit wird ihr abgesprochen. Wenn man
das Selbstzeugnis desT.T.s abweist, weil man sein Urteil
über die Schriften abhängig macht von eigenen Gedanken
, von dem, was Autoren außerhalb des neutesta-
mentlichen Schriftenkreises behaupten oder scheinbar
oder wirklich vermelden, von dem, was man außerhalb

i des N.T.'s zu wissen meint — dann ist das nicht nur
Leugnung des göttlichen Charakters dieser Schrift (das
Göttliche wieder quantitativ gedacht) sondern auch das
Gegenteil von reiner Wissenschaft, da das Urteil auf
fehlerhafter Wertung und fehlerhafter Konstruktion
beruht.

Zum Beweis für diese These beruft sich Gr. auf die
Geschichte der neutestamentlichen Kritik, wo eine Hypothese
die andere ablöst und keine Theorie als unbestritten
dasteht, was er speziell an der synoptischen
Frage darlegt. Er sieht darin ein Zeichen; daß eben