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Ausgabe:

1929 Nr. 24

Spalte:

574-575

Autor/Hrsg.:

Murawski, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die aszetische Theologie 1929

Rezensent:

Koch, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 24.

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manischer Religion und ihre Nachwirkung im Christentum zusammen
(Heft 8); Univ. Prof. D. Dr. Köhler-Zürich führt in einem anderen
dieser umfangreichsten Hefte (22) in Scholastik und Mystik ein. Dr. Vorwahl
, Studienrat in Harburg, leitet im Sinne Troeltschs zu einer gerechten
Würdigung der „Schwarmgeister" an, indem er die Linien aufweist,
die aus dieser „Sturm- und Drangzeit des Protestantismus" in die üe-
genwart führen (Heft 15). Der Conventual-Studiendirektor des Klosters
Loccum. Ph. Meyer, stellt ausgewählte Stellen aus den Bekenntnisschriften
beider evangelischen Konfessionen zusammen, nachdem er in geschickter
Auswahl A. Ihmels, Theod. Kaftan, Karl Barth und Hermann Schultz
die Bedeutung und den Wert von Bekenntnissen hat hervorheben lassen
(Heft 21). Drei weitere Hefte beschäftigen sich mit der Zeit des deutschen
Idealismus: im 10. Hefte legt Schmalenbach meisterhaft die Beziehungen
der Kantischen Philosophie zur Religion klar; seine Ausführungen
gipfeln in dem klassischen Abschnitte „Von den Triebfedern der
reinen praktischen Vernunft" und einem kurzen Abschnitte: Kants Religion
. Im 7. Hefte: Herder, Schiller, Goethe und die Religion, reiht
Professor Dreengel-Cüstriu entsprechende Äußerungen aus den Werken
dieser drei Grollen und Äußerungen von berufener Seite über ihre
Religion aneinander. In Heft 17 endlich setzt Dr. Kerll ein ideenreiches
Bild der Religion der Romantik zusammen. Die letzten vier
kirchengeschichtlichen Arbeitshefte sind Fragen der Gegenwart gewidmet :
Dr. A. Pfannkuche, vor kurzem als Pastor in Mengershausen bei Göttingen
verstorben : Die Kirche der Gegenwart (Heft 9); D. 0. Füllkrug
-Berlin. Die Innere Mission (Heft 23), eine reichhaltige Zusammenstellung
von kundigster Hand; Dr. Hermann Meitzer-Zwickau, Religion
der Naturvölker (Heft 19), und Missionsdirektor D. Dr. Witte-Berlin,
Buddhismus und Christentum (Heft 16). Diese beiden letzten Hefte,
Glanzleistungen in ihrer Art, zusammen mit dem letzten Abschnitte des
Hauptbuches: Die Fremdreligionen und das Christentum, beweisen,
dali Dr. Scherwatzky die äußere Mission in Teil II nicht deshalb vernachlässigt
hat, weil er sie im Rel. Unt. als minder wichtig behandelt
w issen wollte: viemehr scheint ihm der reife Schüler zur Frage der
äußeren Mission erst dann Stellung nehmen zu sollen, wenn er sich mit
Fremdreligionen gründlich bekannt gemacht hat. — Drei von den Arbeitsheften
sind bibelkundlichen, vier weltanschaulichen Fragen gewidmet.
D. Paul Fiebig-Leipzig beantwortet im Sinne seiner bekannten Veröffentlichungen
die Frage: Wie stehen wir Christen zum Alten Testament?
(Heft 11) und bringt zur „Umwelt des alten Testaments" eine gute Auswahl
religionsgeschichtlicher Texte aus dem Rahmen der altorientalischen
Kulturen, besonders der babylonischen (Heft 20). Heinrich
Spanuth.der Herausgeber, läßt in vier Abschnitten (Quellen-
Kritik der Oberlieferung — Leugnung der Existenz — Christusglaube
und Evangelienkritik) in wirkungsvollem Nacheinander allerlei
Stimmen von Arthur Drews bis Grützmacher die Frage nach der
Geschichtlichkeit Jesu beantworten (Heft 4). Eine neue, schöne Blutenlese
aus modernem religiösen Schrifttum bringt Dr. Lehmann-Düsseldorf
in Heft 14: Gottsuchertum in der Dichtung der Gegenwart; ein
kleiner Wunsch für eine Neuauflage: im Verzeichnis der Dichter fehlt
jedesmal die Angabe der Seite, auf der ein Gedicht des betr. Dichters
zu finden ist. Die modernen Stimmen, die den „Deutschen Glauben"
als Problem empfinden, läßt Dr. Hermann Tögel-Löbau in Heft 12 zu
Worte kommen und der eigenen, maßvoll vermittelnden Stellungnahme,
die er am Schlüsse mit überzeugenden Ausführungen Heinrich Weineis
und Hermann Mulerts zusammenstellt, den Weg bereiten. Es fällt auf,
daß in dem Abschnitt: Der deutsche Christus Gerhart Hauptmanns
Narr in Christo unerwähnt bleibt. Zwei feine Hefte, die Lic. Dr. A.
Faut-Stuttgart zusammengestellt hat, mögen den Schluß bilden: Christentum
und Pessimismus (5) und: Religion und Wissenschaft seit der Aufklärung
(6); beide sind offenbar reife Früchte eigenen Religionsunterrichtes
; schwierigster Stoff ist gemeistert. — Die Frage: kann der Rel.-
Unt. eines Jahrgangs diese Fülle bewältigen ? muß natürlich verneint
«erden; sie liegt aber auch weder im Sinne'der amtlichen Richtlinien
noch in dem der Herausgeber. Desto überzeugter kann behauptet werden
, dali im vorliegenden Gesamtwerke für alle Bedürfnisse des Religionsunterrichtes
, was die Einführung in Bibel, Kirchengeschichte und
Weltanschauungsfragen angeht, überreichlich vorgesorgt worden ist.
Kräftig tritt überall Luther hervor; noch einmal sei auf die vorzügliche
Auswahl aus Augustin und Luther hingewiesen, das einzige Arbeitsheft
(18), das für die Mittelstufe bestimmt ist. Vielleicht könnten weitere
Arbeitshefte für diese Stufe noch mehr in das Verständnis des Kleinen
Katechismus und des Gesangbuches einführen, als dies in Teil II des
Hauptbuches geschieht. — Das vorliegende Gesamtwerk weist über den
Religionsunterricht auch der Oberstufe hinaus; es ist der Versuch einer
Darstellung modernen evangelischen Christentums für den Gebildeten.
Namentlich der werdende Religionslehrer findet hier zuverlässige Belehrung
, reiche Anregung und kundige Einführung in die Literatur.
Hannover. Plath.

Port, Kurt: Das System der Werte. Keilers Weitethik und die
Formen des Geistes im wertphilosophischen Sinne. München:
DunckerfV. Humblot 1929. (XII, 322 S.) gr. 8". RM 12 —; geb. 15—.
In langen, ermüdenden Ausführungen setzt sich P.

mit der Wertphilosophie von Kerler auseinander. Es

handelt sich um den Wertmaßstab für die Ethik. Holt
man aus den verschlungenen Oedankengängen und Auseinandersetzungen
die entscheidenden Stücke heraus,
dann handelt es sich um folgendes Problem. Kant ist
Vollformalist: alles kann für ihn Gegenstand der Hingabe
werden. Kerler ist Voll-Antifortnalist: inhaltlich

, genau bestimmte Dinge sind Gegenstand des sittlichen
Verhaltens; es sind Objekte, Werke, Werte, die der Hingabe
selbst transzendent sind, also nicht in ihr selber
liegen, wenngleich schon in ihr auch ohne Rücksicht
auf das Objekt ein Hingabewert gegeben ist. — Hier
setzt P.s Frage ein: gibt es überhaupt Objektwerte, und
wenn, sind sie höher oder niedriger als der Subjektwert
der Hingabe selbst? Aus umfangreichen und verwickelten
Untersuchungen über Wertdimensionen, Klassifika-

1 tionen, über einen siebenfachen Sinn von Ideal, einen
sechsfachen von Gelten usw. hebt sich als Ertrag eine
dreifache Abstufung der Werte im Gegensatz zu der
zweifachen Kerlers heraus. Hatte sich dieser mit der
Einteilung von subjektiven und objektiven Werten be-

1 gniigt, so stellt P. den Werten der Lust und denen der
ethischen Objektivheit die psychischen gegenüber, unter
denen er die Edelwerte wie Kunst, Dichtung usw. versteht
. Ehe er auf diese letzteren zurückkommt, kämpft

[ er streng gegen Kerlers Aufstellungen zu Gunsten der

■ objektiven Hingabewerte: er sieht hier Erfolgsethik,
weil K. der selbstlosen Handlung die Richtung auf Sinnvolles
und Vernünftiges gegeben wissen will. Ihm
gegenüber betont er aufs stärkste den Selbstwert der
Selbstlosigkeit ohne Rücksicht auf jene Objekte. Er
sieht es als eine ungeheuer wichtige Frage, ja als die
Frage der Menschheit an, ob man sich für den Objektoder
für den Subjektwert entscheidet. Die Ethik sei nur
als Subjektwertsetzung anzubieten; so liege etwa der
Wert der Begeisterung ganz in ihr selbst, nicht in dem,
was begeistert. So ergibt sich eine hochwertige monistische
Ethik, die von der Selbstlosigkeit aus alles bemißt;
genauer noch von der Aufopferung aus, die Leiden und

1 Unglück und die auch Nichtglück als Gegenstand der
Hingabe erkennen lehrt. Der sittliche Mensch ist nicht
auf sich, nicht gegen sich, aber von sich gerichtet. —
Dann aber erscheinen doch wieder höhere Werte als der
Subjektwert, nämlich eben jene psychischen Werte.
Höher als die Hingabe ist doch der Strahlenglanz der
Gottheit, der den psychischen Werten den Schein der
Wunderbarkeit und Göttlichkeit verleiht. So erhebt sich
das seelische Leben in Abgeschiedenheit und Entrücktheit
, aber auch in Hingabe an jene höchsten Werte, als
Leid und Liebe hoch über dem sittlichen Leben, wie
Sein höher als Tun ist. An die Stelle von Kerlers werkgeistigem
Impersonalismus tritt dann eine transpersona-
listische Objektwertethik. Jede Erosethik ist durch das
Moment des Leidens ausgeschlossen; denn gesamtethisch
ist es, sich andauernd ein Höchstmaß von Schmerz zuzufügen
aus tiefer Liebe zu dem ethischen Wert. Sittlichkeit
ist nicht hingebende Wertliebe, sondern wertliebende
Hingabe, Selbstabwendung und Wertliebe in
einem.

Was soll man zu dem Ganzen sagen? Ist diese
Frage 300 Seiten wert? Ist Hingabe ohne Werte und
Wert ohne Hingabe möglich? Wird nicht bei wirklichen
Menschen der Schwerpunkt bald hier, bald da liegen?
Im ganzen wird man zustimmen: der Wert eines Menschen
liegt in seiner Wertschätzung der hohen Wertgüter
.

Marburg. F. Nieberga Ii.

Murawski, Dr. theol. Friedrich: Die aszetische Theologie. Ein

systemat. Grundriß. München: Kösel & Pustet 1928. (504 S.) 8°.

RM 7 - ; geb. 9.50.

Im Jahre 1907 erschien das erste deutschsprachige katholische Lehrbuch
der Aszetik von dem inzwischen (1925) verstorbenen Freiburger
Theologen F. X. Mutz. Es hat fünf Auflagen erlebt und war mehr für
das christliche Vollkommenheitsstreben des Klerus bestimmt als für Laien.
Nun legt ein erst 31 Jahre alter, in Köln geborener, in Paderborn
lebender* katholischer Theologe, der sich in dem kurzen Zeitraum von