Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1929 Nr. 24

Spalte:

560-561

Titel/Untertitel:

Orientalia Christiana. Vol. VIII, 7 = Num. 34: Libri recentiores 1929

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

559

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 24.

560

Diakon bei seinem Gesang benutzte, wofür sie auch mit
Noten versehen wurden. Außerdem wurden sie mit Illustrationen
geschmückt, aber so, daß die zwischen die einzelnen
Lesestücke eingestreuten Bilder auf dem Kopf
stehen, wenn man die Schrift in der richtigen Stellung
vor sich hat. Warum das so ist, kann man aus einzelnen
dieser Bilder selbst erkennen (in dein vorliegenden Exul-
tet Tafel 6 und 18), auf denen der Diakon abgebildet
ist, wie er auf dem Ambo steht und den entfalteten Teil
der Rolle, nachdem er seinen Text vorgetragen hat, allmählich
über den Rand des Lesepultes heruntergleiten
läßt. Auf diese Weise haben die unter der Kanzel
stehenden Hörer jeweils die Ahbildung, die zu dem
eben gesungenen Stück paßt, in der Höhe der Kanzel vor
sich, während der Diakon den ihm zugekehrten, noch
auf dem Pulte aufliegenden Text ablesen kann. Solcher
Exultet-Rollen sind bisher einige zwanzig bekannt geworden
. Zu den schönsten gehören ein Exemplar in der
Kathedrale zu Bari, einige Stücke in Rom, eines in Sa-
lerno und eines, das 1877 aus der Klosterbibliothek von
Monte Cassino in den Besitz des Britischen Museums
gelangt ist. Dieses Stück wird in der vorliegenden Publikation
in mustergiitiger Weise veröffentlicht: die
ganze Rolle ist durchphotographiert, so daß Text und
Bilder in schönen, großen und klaren Wiedergaben zugänglich
sind. I. P. Gilson hat eine ganz knappe Einleitung
dazu geschrieben. Sie zeigt, daß die Rolle nach
ihrem Fundort und stilkritischen Vergleichen Monte
Cassino zur Heimat hat. Dort ist sie zwischen 1060
und 1090 entstanden. Die Erwähnung eines nicht mit
Namen genannten Kaisers — und in einem Zusatz auch
seiner Söhne — reicht ebenso wenig wie die eines
Grafen aus, um die Entstehungszeit genauer zu bestimmen
. Eine Beschreibung der Rolle haben Maunde
Thompson (British Archaeological Association's Journal
34, 1878, 321 ff.) und Emile Bertaux, L'art dans Pltalie
meridionale (1903), S. 266f. gegeben.

Der Text ist der unverkürzte, in den frühmittelalterlichen
Missalen enthaltene. Er setzt sich seiner Herkunft
nach aus ganz verschiedenen Stücken zusammen.
Bei einzelnen läßt sich ihre Entstehung bis ins 5. Jahrh.
zurückverfolgen. Besonders hervortretend sind die folgenden
: 1. Ein dreimaliges Lumen Christi, während
dessen die Osterkerze, deren sinnbildliche Bedeutung
eben damit ausgesprochen ist, angezündet wird. 2. Der
Jubelhymnus der himmlischen Heerscharen, in den Erde
und Mutter Kirche einstimmen. 3. Gruß und Präfation,
die unmittelbar in einen Preis der Wunder der Osternacht
übergeht: Es ist die Nacht, in der Gott das Volk
Israel aus Ägypten geführt hat zum Durchgang durch
das Rote Meer, die Nacht, die hell wurde wie der Tag
durch das Aufleuchten des Lichtes, den Sieg Christi.

4. In der Wiederkehr dieser Nacht bittet die Gemeinde
Gott, die Kerze als sacrificium vespertinum anzunehmen.

5. Es folgt ein sehr eigenartiges Stück „une musique
pastorale" (Bertaux), eine preisende Schilderung des
Lebens der Bienen, welche das Wachs für die Kerze
bereitet haben, eine Schilderung, die aus Virgils Ge-
orgica IV, 149ff. herausgewachsen ist. Hieronymus hat
in einem Brief an Präsidius von Piacenza (Migne S. L.
30, 187ff.), dessen Echtheit freilich nicht ganz sicher
ist, an diesem weltlichen Stück, das demnach sehr alt
sein müßte, Anstoß genommen. Dabei ist der Biene natürlich
als einem jungfräulichen Wesen symbolische Bedeutung
beigelegt, die eine unmittelbare Beziehung auf
die Jungfrau Maria ermöglicht. 6. Das Ganze klingt
aus in ein Schlußgebet für Priester und Gemeinde, in
dem auch Papst, Kaiser und Herzog erwähnt werden.

Durch den Inhalt des Textes ist die Ikonographie
der Rolle bestimmt. Er hat eine Reihe von
Bildern angeregt, die in der Malerei der Zeit sonst nicht
vorkommen. Zudem hat der Zweck der Rolle besonders
schöne und große Darstellungen veranlaßt. Die Feststellung
der ikonographischen Eigenart gerade dieser
Rolle ist durch die Vergleichstafeln leicht gemacht,

welche Bertaux in seiner Iconographie comparee des
rouleaux de l'Exultet gegeben hat. Es sind Bilder
ganz verschiedenen Inhalts, welche die Rolle schmücken.
Besonders reiche Initialen fallen durch die mächtigen
Köpfe und die verschlungenen Zierformen auf, welche
an nordische Einflüsse denken lassen. Auf mehreren
Bildern sind Szenen des kultischen Vorgangs dargestellt,
zu dem das Exultet gehört: die Anzündung der Kerze,
die Lesung durch den Diakon auf der Kanzel, die Beweihräucherung
der Kerze, beides noch einmal vereinigt.
Selbstverständlich ist die lobsingende turba angelica
wiedergegeben. Christus erscheint auf dem Thron von
Engeln umgeben, am Kreuz, in der Unterwelt und auf
einem Noli me tangere Bild. Aus dem Alten Testament
sind der Durchzug durchs Meer, bei dem die Israeliten
von der Feuersäule, dem Urbild der Osterkerze, geleitet
werden, in einer köstlichen Schilderung und Adam und
Eva, die durch die Ostertat erlöst sind, stark realistisch
gegeben. Der Kreis wird geschlossen durch symbolische
Bilder, die in dieser Art außerhalb der Exultet-Rollen in
jener Zeit kaum ihres gleichen haben: Mutter Erde auf
einer Wiese zwischen Bäumen, Farren und Schlange
an ihren Brüsten nährend, und mater ecclesia in priesterlicher
Gewandung voll unnahbarer Hoheit unter einem
dreiteiligen Torbau stehend.

Der Stil der Bilder zeigt auffallende Feinheit aller
Formen bei großer Freiheit in der Bewegung, höchst
lebendige Ausdruckskraft im Seelischen, etwa bei dem
ganz besonders köstlichen Bilde der Begegnung Jesu mit
Maria Magdalena, und ein starkes Gefühl für die metaphysischen
Gründe des symbolischen Handelns. Vergleicht
man die Londoner Exultet-Rolle mit der aus
Bari, so spürt man deutlich, daß diese in die Frühzeit
des byzantinischen Stils im 11. Jahrhundert gehört, jene
aber den Wandel mitgemacht hat, welcher sich in dessen
zweiter Hälfte vollzieht.

Diese Hinweise mögen dartun, wie wichtig es ist,
daß wir jetzt eines jener eigentümlichen liturgischen
Stücke in so einwandfreier Wiedergabe besitzen.
Ureitswald._ H. W. Beyer.

Orientali a Christiana. Vol. Vlll 2 = Nr. 2Q, November 1926.

M. Oordillo, S. J.: Damasceniea. 1. Vita Marciana. II. Ubelltlf

Orthodoxiae. (104 S.) gr. 8". 6 L.

Dasselbe Vol. VIII 5 = Nr. 32, Februar 1927. De Oriente Documenta

et Libri. (52 S.) gr. 8". 5 L.

Dasselbe Vol. VIII 6 = Nr. 33, März 1927. Hofmann, Giorgio, S.

J.: II Beato Bellarmino e gli Orientali. (52 S.) gr. 8°. 5 1..

Dasselbe Vol. Vlll 7 Nr. 34, April 1927. Libri recentiores. (28 S.)

gr. 8". 3 L.

Die Schriftleitung der Th. L. Z. hat den Wunsch,
daß die Hefte der Or. Chr. in Zukunft nicht einzeln
sondern zusammengefaßt von ein und demselben Bearbeiter
angezeigt werden. Ich habe mich dazu bereit
finden lassen, obwohl ich keineswegs in der Lage bin,
zu allen Heften kritisch Stellung zu nehmen. Ich bitte
es auf diesen Wunsch der Schriftleitung zurückzuführen,
wenn ich des öfteren nur eine Anzeige zu geben vermag.

Nachzutragen ist zunächst noch Heft VIII 2
(Num. 29) , in dem M. Gordillo S. J. Forschungen
zu Johannes von Damaskus veröffentlicht.
Das Heft enthält in einem ersten Teil eine neue
Vita des berühmten griechischen Theologen, die
G. nach ihrem Fundort, der Bibl. Marciana, die Vita
Marciana nennt. G., der nicht nur ihren Text abdruckt,
sondern in einer ausführlichen Einleitung über die bisherige
Erforschung des Lebens des Johannes eingehend
referiert, macht wahrscheinlich, daß ein „Theodosius
monachus et grammaticus" in der ersten Hälfte des 10.
Jahrhunderts der Verfasser der Vita ist. Erhalten ist sie
in einem Codex aus dem 12. Jahrhundert. Die Vita, die
den Angaben der Synaxarien über Johannes zugrunde
liegt, bildet die älteste Lebensbeschreibung, die wir bisher
besitzen. An diesem Heft kann also schon dieses
ersten Teils wegen niemand vorbeigehen, der über Johs.
v. D. in Zukunft zu arbeiten gedenkt. — Der zweite
Teil des Heftes enthält eine Schrift, die Le Quien, der