Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1929

Spalte:

517-524

Autor/Hrsg.:

Sasse, Hermann (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1929

Rezensent:

Frick, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

517

518

gen auch Einzelheiten aus dem reichen Inhalt dieses
Buches, wie der Verf. selbst betont, weiterhin strittig
bleiben, die Grundlinien seiner Auffassung weiden sich
voll behaupten, und die wertvollen Ergebnisse werden
bei allen Philologen, Historikern und Kirchenhistorikern,
die sich mit Eu. beschäftigen, in gleicher Weise Dank
und Beachtung finden.
Marburg a. L. H. von Ca in pen ha u se n.

Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung.

Deutscher amtl. Bericht über die Weltkirchenkonferenz zu Lausanne
3.—21. August 1927. Int Auftr. des Fortsetzungsausschusses hrsg.
v. Hennann Sasse. Berlin: Furche-Verlag 1929. (XV, 63S S.)
gr. 8°. RM 21-.

Herangezogen sind vor allem :
Bäte, H. N., Canon of Carlisle: Faith and Order. Procecdings
of the World Conference Lausanne, August 3.—21., 1927, edited by . . .
New York, George H. Doran Comp. 1927. (XXIII, 534 S.)
Jezequel, J., Pasteur de l'eglise reformee de France: Foi et Constitution
. Actes officiels de ia Conference Mondiale de Lausanne
3.—21. aoüt 1927. Version francaise publice sous la direction de. . . .
Paris, Editions Victor Attinger, 1928. (XVIII, 626 S.)
Pribilla, Max, S. J.: Um kirchliche Einheit. Stockholm-I.au-
sanne-Rom. Geschichtlich-theologische Darstellung der neueren
Einigungsbestrebungeu. Freiburg i. Br., Herder iL Co. Verlagsbuchhandlung
1929. (XII, 332 S.)

Es ist eine Pflicht der Gerechtigkeit, den deutschen
Bericht über Lausanne zunächst als literarische Leistung
zu würdigen, unabhängig von den Fragen und Einwänden
, die sich etwa gegen die Sache selbst erheben lassen.
Dem Herausgeber Hermann Sasse gebührt uneingeschränktes
Lob für die riesige Mühe, die er darauf verwandt
hat, den deutschen Bericht zu einem Aktenwerk
auszugestalten, das gleichwertig neben dem deutschen
Bericht von Stockholm steht. Die Verzögerung der
deutschen Ausgabe — sie ist im November 1928 ein
ganzes Jahr nach der englischen erschienen — hat sich
reichlich gelohnt. Man kann die Eigenart der deutschen
Ausgabe gegenüber dem englischen und dem französischen
Bericht kaum besser kennzeichnen als mit jenem
Wort, das in internationalen Gesprächen häufig von
Ausländern verwandt wird, um eine deutsche Besonderheit
hervorzuheben. Sie sagen halb im Scherz und
doch im Ernst, wir seien „gründlich". Gründlich ist
der Sassesche Bericht im besten Sinn des Wortes.

Über das eingeschlagene Verfahren gibt sein Vorwort
genaue Auskunft. Man kann die dort vertretenen
Gesichtspunkte angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe
nur billigen. Sasse hat einerseits gewisse Mängel,
die bei der Raschheit der englischen Ausgabe unvermeidlich
waren, korrigiert, andererseits wichtige Erweiterungen
vorgenommen. Diese Erweiterungen werden
uns noch inhaltlich beschäftigen müssen. Zunächst
beschränken wir uns darauf, sie literarisch zu würdigen.

Der deutsche Bericht beginnt mit einem I.Teil:
Geschichte der Weltkonferenz für Glauben
und Kirchenverfassung 1910—1927. Dieser Teil ist Privatarbeit
des Herausgebers und kein Aktenstück. Man
hat schon Anstoß daran genommen, daß ein amtliches
Werk gerade damit beginnt. Wie mir scheint, zu Unrecht
! Irgendeine Einleitung, die der Vorgeschichte von
Lausanne gilt, muß das Buch haben. Man kann natürlich
fragen, ob die Skizze, die H. N. Bäte seiner englischen
Ausgabe vorausschickt, nicht am Ende genügt
hätte. Sie umfaßt 8 Seiten, auf denen der äußere Hergang
der vorbereitenden Konferenzen, Reisen und Korrespondenzen
notiert wird. Das mag für die englisch
sprechenden Länder genügen, aber ich fände für deutsche
Verhältnisse diese Skizze ungeeignet. Denn sämtliche
Voraussetzungen für das Zustandekommen von
Lausanne liegen außerhalb des deutschen Gesichtskreises
. Wir mullten, ja müssen erst noch lernen, worum
es hier eigentlich geht. Sasse hat aus einem richtigen
Verständnis der Lage heraus gehandelt, als er seinen
über 80 Seiten langen Vorbericht schrieb. Er konnte
sich dieser Aufgabe umsoweniger entziehen, als inzwischen
von mehreren Seiten her bereits die öffentliche Debatte
über Lausanne begonnen worden war. Schließlich
dürfen wir auch nicht übersehen, daß wir während der
Kriegsjahre und noch längere Zeit später, weltgeschichtlich
betrachtet, in einer Art Ghetto gelebt haben. Eine Darstellung
dessen, was von 1914—1919 außerhalb Deutschlands
vorgegangen ist, ist nicht zu entbehren, wenn man
den Gesichtswinkel fassen will, in dem von den westlichen
Ländern her die Weltkonferenz von Lausanne er-

! scheint. Sachlich hat sich Sasse vielleicht am meisten
verdient gemacht durch den ersten Abschnitt, der den
„Ursprung der Bewegung" schildert. Darauf soll noch
eingegangen werden. [ Es sei hier auch aufmerksam
gemacht auf Sasse's instruktiven Aufsatz: „Die Welt-

, konferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne
und ihre kirchengeschichtliche Bedeutung" in
„Christentum und Wissenschaft" III. Jg. 1927, S.
490 ff.]

Ein zweites Feld für Erweiterungen boten die
Listen und Indices, die mannigfaltiger, genauer
als in den beiden anderen Ausgaben und vor allem auch

! für das Studium förderlicher eingerichtet sind. Besonders
verdient das Sach- und Namenverzeichnis anerkannt
zu werden, das mir wichtiger zu sein scheint als
die — analog dem Stockholmbericht zusammengestellte

j — Liste von Bibelzitaten.

Schließlich kommt für die sachliche Erörterung

' wesentlich in Betracht die Erweiterung der Diskussionsberichte
. Das ist die Stelle, an der gegen
die englische und die mit ihr übereinstimmende französische
Ausgabe berechtigte Einwände erhoben worden
sind. Denn man bekommt durch sie kein klares Bild von
den bewegten Vorgängen selbst, am wenigsten von den
Krisen und den Höhepunkten der Konferenz vermittelt.
Der deutsche Bericht notiert ausführlicher, was in den
Plenarsitzungen geäußert worden ist. Über die Sektionen

1 kann auch er keine Auskunft geben. Das liegt im
Wesen der Organisation. So bleibt hier eine Lücke, die
auch der ausführlichste Plenarbericht nicht schließen
kann. Dieser Bericht selbst nun ist, das muß dem
Herausgeber zugestanden werden, soweit wie nur möglich
, vor allem viel breiter, als die beiden anderen Ausgaben
es tun, auf die Diskussionsreden eingegangen.

, Dennoch bleibt gerade hier ein Rest von Schwierigkeit
bestehen, der wohl überhaupt nicht beseitigt werden
kann.

Um ein besonders auffälliges Beispiel herauszugreifen
: die Diskussionsansprache von Morehouse, die
bekanntlich wie eine Bombe einschlug, tut der englische
Bericht mit wenigen Bemerkungen ab:

„Dr. F. C. Morehouse tnade detailed criticisms of
(he form und suhstunce of the Report, and moved the
following resolutions:

1. Thai the Report be referred, without recommen-
dation, to the Continuation Committee.

2. That Bishop Brent be asked to write a conclu-
dine section. After some disrussion. the President
saidu . . . (Bäte 437 f.).

Sasse bringt hier wenigstens einige Sätze, die den
Inhalt der von Morehouse geübten Kritik erraten lassen.
Sein Bericht sagt:

„Dr. F. C. Morehouse spricht sein Bedauern darüber
aus, daß die bei der ersten Beratung an dem Bericht
geübte Kritik bei der Neubearbeitung so wenig berücksichtigt
worden sei. Für die Anhänger katholischer
Anschauungen sei die neue Fassung ebenso unannehmbar
wie die erste. Der Redner kritisiert eine Reihe von
einzelnen Sätzen. Unter anderem wendet er sich dagegen
, daß die gegenwärtige Konferenz sich mit der
Fortsetzung von Stockholm befaßt. Er stellt den doppelten
Antrag:

1. den Bericht ohne weitere Bemerkungen an den
Fortsetzungsausschuß zu verweisen.

2. Bischof Brent zu bitten, einen Schlußabschnitt
als Anhang zu den Berichten zu schreiben" (509).