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Ausgabe:

1929 Nr. 21

Spalte:

501-502

Autor/Hrsg.:

Schwarz, Hermann

Titel/Untertitel:

Gott. Jenseits von Theismus und Pantheismus 1929

Rezensent:

Winkler, Robert

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501

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 21.

502

fassung tritt der Verf. auf die Seite des theologischen
Kreatianismus, der Anschauung von der Präexistenz und
der Postexistenz der Seele und setzt sich mit dem Problem
der Sünde, der Gnade und der letzten Dinge ganz
im theologischen Sinn auseinander, indem er für seine
Entscheidungen der Intuition immer das nüchterne sich
auf Schlüssigkeit berufende Denken folgen läßt.

Als Theologe kann man sich nur freuen, wie ein
Philosoph durch solche Reden wie „es sei altmodisch",
„klinge nach Bibelglauben", sich nicht beirren läßt, und
wird doch das unbehagliche Gefühl nicht los, daß dabei
etwas nicht in Ordnung ist, wenn der Philosoph von
sich aus all das wissen will, was der Theologe nur
aut Grund der Glaubens erfahrung oder der Offenbarung
behauptet. V. ist so ehrlich, sein Wissen einzuschränken
: Es ist nur ein potenziertes Vielleicht, zu
dem die Philosophie kommt (S. 219). „Was hier theoretisch
als möglich hingestellt wurde, muß zur Unmittelbarkeit
des Erlebens werden, die Sprache persönlicher
Ergriffenheit sprechen, wenn es auf die Verfassung und
Haltung des Innenlebens bestimmend wirken soll" (S.
214). Und so sind es auch vor allem in dem Abschnitt
über die Postexistenz der Seele nicht logische Gründe,
sondern die Wärme der persönlichen Überzeugung, mit
der sie vorgetragen werden, die uns dem Verf. recht
geben läßt. V.'s Schrift ist ein wertvolles Dokument
dafür, daß die Philosophie selbst schon von allen ihren
antitheologischen Ergebnissen nachweisen kann, daß sie
auf logischen Fehlern oder sachlicher Voreingenommenheit
beruhen, ohne daß sie uns aber — hier weiß ich
nicht, ob der Verf. sich dessen immer klar bewußt
ist — auch nur das Geringste für eine Begründung
dessen an die Hand gäbe, was eben nur im Glauben
gewiß wird.

Heidelbere. Robert Winkler.

Schwarz, Prof. Hermann: Gott. Jenseits von iTheismus und
Pantheismus. Berlin: Junker & Dünnhaupt 192S.$(X, 212 S.) 4°.

RM 9 ; geb. 12-.

Schwarz hat unter den Philosophen und Theologen
der Gegenwart die Gedanken der Mvstik und des deutschen
Idealismus wohl am kongenialsten mitzuempfinden
und sie daher auch am überzeugungskräftigsten nach-
zugestalten vermocht. In dem vorliegenden Werk entwirft
er — ähnlich wie in seiner 1921 erschienenen
Philosophie des Ungegebenen und auf sie aufbauend —
ein großartiges metaphysisches Gemälde. Seinen Pinsel
taucht er ganz und gar in die Farben der Mystik, aber
wie er ihn führt, darin verrät sich sein Eigenstes.

Sein Gedankengang ist in Kürze: Der wesende Un-
grund aller Dinge ist das schaffende Gottesnichts (S.
11). Es ist nicht ein Existierendes mit Spitzeneigenschaften
(theistische Auffassung), auch nicht ein weltumfassendes
Alhvesen (pantheistische Auffassung), sondern
, jenseits von Theismus und Pantheismus, das Ungegebene
(S. 34). Mit dem Wurf der Dingwelt ist es
nicht zum Ziele gekommen, aber von seinen Zielen ist
nun die Wesensmitte der Dinge erfüllt. Es west nun in
den Dingen mit Spannungen (S. 42), die in uns über-
individuelle Lebendigkeit entsiegeln (S. 77), sodaß das
Gottesnichts in Einzelwesen Gestalt gewinnt, da es sich
als Einzelwesen nicht erschaffen kann (S. 39). So steht
hinter dem Erkennen der Wahrheit, dem Schauen der
Schönheit, dem Lohn und Bisse des Gewissens die sich
selbst erschaffende Göttlichkeit (S. 199). Und Gott
wird um so mehr, je mehr der lebendigen Verkettung
unter den Menschen wird (S. 202). Sein schöpferisches
Lebenwerden hat das Gottesnichts vollendet, wenn das
Gottestum im einzelnen eine solche Gestalt angenommen
hat, daß es jedem Gottestum im anderen hold und
freundlich, ihm willig und hilfreich ist (S. 200).

Was den ganzen Gedankengang in Atem hält, ist
die Mystik, aber nicht die griechische, die den Menschen
entwerden läßt in Gott, sondern die deutsche, die Gott
im Menschen werden läßt (S.X), die Gott nicht als die

schon gegebene Einheit von Endlichem und Unendlichem
hervortreten, sondern sie im Erleben allererst
werden läßt (S. IX).

Die Energie, mit der sich Schwarz in seine Gedankenwelt
eingelebt hat, verleiht seiner Darstellung
eine derartige Geschlossenheit, daß man nur mit Gewaltsamkeiten
Einzelnes beanstanden könnte. Die Kritik
könnte sich deshalb nur gegen den das Werk durchziehenden
Grundgedanken, nämlich den Kampf gegen einen
religiösen Ontologismus, gegen eine Verseinlung Gottes
wenden. Und hier finden wir unseren Verf. in einer breiten
gemeinsamen Front gegenwärtiger philosophischer
und theologischer Strömungen, die sich gegen eine Vergegenständlichung
Gottes richtet, „als stünde er da und
wir hier". Nur daß Schwarz unter dem Einfluß der
Mystik den nicht-gegenständlichen Gott doch wieder zu
einem metaphvsischen ens, wogegen sich letztlich seine
Betrachtung wendet, macht. Aber so wie etwa bei
K. Barth die radikal antirnystische Einstellung schließlich
der Mystik doch ihren Zoll bezahlen muß, indem sie
im Sinne einer negativen Theologie entgegengesetzte
Aussagen auf eine unanschauliche Mitte hinzielen läßt,
so brechen umgekehrt in die von der Mystik bewegten
Gedankenkreise des Verf.'s antimystische Strömungen
ein, wenn es z. B. nicht etwa nur an einer isolierten
Stelle ganz im Sinne der dialektischen Theologie heißt,
daß die göttliche Seinsweise in den Dingen (und dann
wohl auch Seelen) nicht nur nicht verwirklicht, sondern
nicht einmal als Möglichkeit gegeben ist (S. 49). So ist
das Werk von Schwarz trotz all seiner ins höchstmögliche
gesteigerten Gedankenwucht doch ein Beweis von
der Hilflosigkeit unserer Gedanken, die ratlos zwischen
extremen Gegensätzen hin- und hergehen, wenn
sie zu letzten Problemen kommen.
Heideibers. Robert Winkle r.

Pollak, Oskar: Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII. Aus d.

Nachlall hrsg. v. Dagobert Frey, unter Mitwirkg. v. Franz Juraschek.
Bd. I : Kirchliche Bauten (in. Ausnahme v. St. Peter) u. Paläste.
Augsburg: Dr. B. Filser Verl. 1928. (XXIII, 480 S.) 4°. = Quellenschriften
z. Gesch. d. Barockkunst in Rom. RM 60—.

Es ist ein Grundstein von hoher wissenschaftlicher
Bedeutung, der mit diesem Werke gelegt worden ist.
Nach einer Zeit, in der sich die Kunstgeschichte allzu
sicher auf die rein stilistischen Beobachtungen als
Grundlage ihrer Geschichtsdarstellung verlassen hatte,
kehrt sie zu dem Nährboden aller Historie, den archiva-
lischen Quellen zurück. Als junger Gelehrter hat Oskar
Pollak, beraten von seinem Lehrer Max Dvorak und von
Ludwig Pastor, einen groß angelegten Plan entworfen,
um die sämtlichen Quellen der Barockkunst zunächst in
Rom zu erschließen. In drei Gruppen sollte das geschehen
. Die erste sollte in Regestenform die archiva-
lischen Nachrichten, die sich irgendwie auf kunstgeschichtliche
Dinge beziehen, jeweils aus der Regierungszeit
eines Papstes nach Bauwerken geordnet bringen. In
dem zweiten Teil sollten die Künstlerbiographieen aus
dem 17. und 18. Jahrhundert neu herausgegeben werden.
Die dritte Gruppe schließlich sollte die Romführer aus
jener Zeit veröffentlichen. Das Ganze war ein gigantischer
Plan, der ein Stück der Kunstgeschichte in einer
Weise unterbaut hätte wie es nirgends sonst geschehn.

Pollak selbst machte sich sofort an die mühevolle
Arbeit in den römischen Archiven. Mit den
Nachrichten aus der Zeit der Päpste Urban VIII.
(1623—1644), Innocenz X. (1644—1655) und Alexander
VII. (1655—1667) begann er. Die Sammlungen
für die Regesten aus der Regierungszeit Urbans
VIII. waren 1914 abgeschlossen und fast vollständig
in eine Reinschrift mit topographischer Anordnung
übertragen, als der Krieg ausbrach. Oskar Pollak,
der Österreicher mit der glühenden Liebe zur italienischen
Kunst und Geschichte, eilte zu den Waffen und
ist als einer der ersten auf italienischem Boden gefallen.
Sein Mitarbeiter Georg Sobotka starb gleichfalls für

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