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Ausgabe:

1929 Nr. 21

Spalte:

493-495

Autor/Hrsg.:

Friedensburg, Walter (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Untersuchungen. Nr. 93 - 96, 24. Jahrg 1929

Rezensent:

Wolf, Gustav

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493

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 21.

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in Trient Massarelli umgekehrt wegen seiner reichen,
rein tagebuchartigen Aufzeichnungen, die er bei der Redaktion
der Akten immer zur Hand hatte, nach Bedarf
auch mehr geben können, doch entspricht gerade das,
was in Konstanz aufgezeichnet wurde, durchaus dem
eigentlichen Auftrag an die Notare. Die Beobachtungen
ungemein großer Gleichmäßigkeit, die Finke an den
über ganz Europa zerstreuten Handschriften der Protokolle
gemacht hat, bestärkten ihn mit Recht in der Überzeugung
von dem offiziellen Charakter dieser Aufzeichnungen
(Band IV. S. XV.). Immerhin wäre eine Neuausgabe
der Protokolle angesichts der von Finke bei
voncder Hardt beobachteten zahlreichen Namensverderbnisse
noch eine Aufgabe der Zukunft.

Heinrich Finke hat im 1. Bande der Geschichtswissenschaft
der Gegenwart (1925) eine Selbstdarstellung
gegeben, die sich an Lebendigkeit und Reiz aus
der Reihe stark abhebt. Am Schluß steht die stattliche
Bibliographie, der jetzt als Krönung die vier starken
Bände der Acta concilii Constänciensis anzufügen wären.
Dem Fünfundsiebenzigjährigen darf aber auch an dieser
Stelle für sein Lebenswerk herzlich gedankt werden.
Oöttingen. Brandt

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte u. Untersuchen. Im
Auftr d Vereins f. Reformationsgesch. hrsg. v. Walter Friedensburg
u. Emst Kohlmeyer. 24. Jahrg. (1927), Nr. 93—96,
25. Jahrg. (1928), Nr. 97 — 100. Leipzig: AI. Hcinsius' Naehf. (II,
320 u. IV, 320 S.) gr. 8". Jährl. RM 12—.

Im 24. Bande setzen zunächst O. Albrecht und
R. Willkomm ihre Studien fort, die sich an die Weimarische
Lutherausgabe knüpfen und das dort verarbeitete
, aber nicht vollständig genug besprochene Quellenmaterial
dem produktiven Forscher vorführen und
besser zugänglich machen wollen. Während die meisten
Handschriftenbände, die sich aus Rörers Nachlaß in
der Jenenser Bibliothek befinden, in den einzelnen Bänden
der Weimarischen Lutherausgabe besprochen worden
sind, war dies bei einem der wertvollsten, Bos.
p. 24 U noch nicht geschehen. Derselbe bietet noch
darum besonderes Interesse, weil er im alten Einbände
Rörers auf uns gekommen ist, also uns die ganze ursprüngliche
Anlage zeigt. Einen großen Teil seines
Inhalts bilden außerdem Luthers Originalhandschriften.
Aber auch die übrigen Teile des Bandes haben von Haus
aus selbständige Einheiten gebildet. Man darf annehmen
, daß bei ihrem bunten Inhalt und dem Fehlen
einer erkennbaren Disposition Rörer diese übrigen Teile
nach und nach hat entstehen lassen, wie ihm gerade der
Stoff unter die Hände kam.

Über die Urkundensammlung des Brettener Me-
lanchthonhauses hat K. Meissinger schon einmal im
Archiv f. Reformationsgeschichte berichtet. Seit 1922 ist
jedoch erst das Wichtigste, was Nik. Müller in langjähriger
Sammelarbeit in Bretten vereinigt und bei seinem
"plötzlichen Tode als ungeordnete Masse hinterlassen
hatte, darunter viele Melanchthonoriginale, ans
Licht gekommen, ohne daß eine Gewähr besteht, ob
damit "bereits der ganze Vorrat erschöpft ist. Denn
manche dieser jetzt erst aufgestöberten Stücke sind in
Müllers Inventar noch nicht verzeichnet gewesen und beweisen
, daß letzteres zu einer Zeit angelegt wurde, wo
noch nicht der ganze Müllersche Nachlaß zusammengebracht
war. Müller hatte sich nicht auf Melanchthonsche
Papiere oder gar auf Originale beschränkt, sondern sich
auch für dessen Mitarbeiter, Freunde und Schüler interessiert
. Hierdurch gewinnen Meissingers Regesten an
Bedeutung für einen größeren Forscherkreis. Einige
Atitteilungen sind als Vorarbeit zu den supplementa Me-
lanchthoniana wichtig. Außer Brieforigiualen, aus denen
sich Fehler des corpus reformatorum verbessern lassen,
ist eine eigenhändige Sammlung von griechischen und
lateinischen Sentenzen und der Katalog zweier Brief- und
Flugschriftensammlungen bemerkenswert. Meissinger
hofft, daß diese beiden mit Hilfe dieses Katalogs noch

in Nürnberg auffindbar sind. Sehr verdienstvoll ist auch
das den Regesten beigefügte Personen- und Ortsregister.

Wotschkes Aufsatz „Eine verschollene lateinische
Übersetzung von Luthers Liedern" zeigt uns, wie
der kleine Katechismus und die Lieder des Reformators
für den humanistischen Schulbetrieb hergerichtet wurden
, aber auch wie diese reproduktive Tätigkeit überwucherte
und ausartete. Es handelt sich unüdie Arbeit
des Rektors Aemilius in Siegen und sein vergebliches
Bemühen um ihre Drucklegung. Die abgedruckten
Schreiben zwischen Paul Eber und Aemilius beleuchten
die damaligen Literatennöte.

Walt. Friedensburg bringt in seinen fortgesetzten
Mitteilungen aus dem Briefarchiv des Justus Me-
nilts Beiträge zur Geschichte des osiandrischen Streites.
Menius stand nämlich mit Osianders Königsberger

i Hauptgegnern, Joachim Mörlin und dem herzoglichen
Rat, Wolfgang von Kotteritz, in regem Briefwechsel.

Kohlmeyer verteidigt in einem Artikel „Zu Luthers
Anschauungen von Antichrist und weltlicher Obrig-

j keit" gegen W. Köhlers Einwände aufs neue seine
These, daß Luthers Schrift An den Adel in zwei nicht
gleichzeitig entstandene Teile zerfalle, deren Charakter-

; eigentümlichkeiten sich nicht decken.

Hans Beckers Aufsatz Herzog Georg von Sachsen

I als kirchlicher und theologischer Schriftsteller ist auch
als selbständiges Buch erschienen, über das ich in Ztsch.
f. Kirchengesch. 48, 86 berichtet habe. Ich erwähne hier
nur kurz, daß Becker nicht irgendwelche biographische
Ziele verfolgt, sondern sich darum kümmert, welche
Schriften und zu welchem Zeitpunkte dieselben unter
Georgs Namen erschienen.

Kalkoffs Abhandlung „Die Stellung Friedrichs
des Weisen zur Kaiserwahl von 1519 und die Hildesheimer
Stiftsfehde" hängt eng mit seinem Buche über die
Kaiserwahl Friedrichs IV. zusammen, dessen Konstruktionen
ziemlich altgemein abgelehnt werden. Der erste
Teil ist nichts anderes als eine Verteidigung gegen die
verschiedenen Angriffe. Kalkoffs Vorzüge und Schwächen
, einerseits seine einzigartige Personen- und Tatsachenkenntnis
, anderseits seine Zügellosigkeit in Werturteilen
und Kombinationen sind so bekannt, daß
( hierauf nicht besonders eingegangen werden muß. Der
zweite Teil soll aufs neue ebenfalls im Gegensatze zu
den Ansichten der meisten Reformationshistoriker den
I Zusammenhang zwischen der Stiftsfehde und Kaiseiwahl
! beweisen. Kalkoff findet ihn durch die Annahme, daß
wenn der Sieg der französischgesinnten Partei bei
Soltau einige Tage früher eingetreten wäre, dem Bischof
von Hildesheim und Heinrich von Lüneburg der Weg
nach Frankfurt offengestanden wäre und diese beiden
Fürsten dem Kaisertum Friedrichs des Weisen den
nötigen Rückhalt geboten hätten. Aus dieser Kombination
zieht er den weiteren Schluß, daß die Gegnerschaft
der habsburgischen Partei gegen die nachherigen
Sieger eigentlich Friedrichs Wahl vereiteln und seine
Bundesgenossen im Norden fesseln sollte. Man ersieht
] schon aus dieser knappen Inhaltsangabe, wie künstlich
Kalkoffs Bau aufgerichtet ist.

W. Köhler veröffentlicht als weitere Beiträge zu
einer künftigen Brenz.ausgabe mehrere Gutachten des
Reformators aus der Zeit des Augsburger Reichstags
oder wenig später, Hanz Volz Miszellen zur Biographie
von Mathesius aus Joachimstal.

Im 25. Bande teilt Georg Buchwald u. d. T.
Lutherana Notizen aus den Rechnungsbüchern des weimarischen
Gesamtarchivs mit. Dieselben sind namentlich
für kunstgeschichtliche Zwecke, aber auch für die
Lutherforschung wiederholt ausgebeutet worden. Tiefere
biographische Gesichtspunkte lassen sich natürlich aus
dieser Fundgrube nicht gewinnen. Immerhin ist dieselbe
nicht wertlos. So kann man bestimmte Ereignisse mit
Hilfe der Rechnungsbücher datieren, namentlich feststellen
, wann und wo Luther an einzelnen Tagen predigte
und welche überlieferte Kanz.elrede hierbei in