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Ausgabe:

1929 Nr. 21

Spalte:

487-490

Autor/Hrsg.:

Foerster, Werner

Titel/Untertitel:

Von Valentin zu Herakleon 1929

Rezensent:

Völker, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 21.

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also die sittsame Ehefrau dieselben Ehrentitel und Lobeserhebungen, die
sonst in der christlichen Literatur nur der Jungfrau gespendet werden.
Mit der rigoristischen Haltung der Grundschrift in der Bußfrage (S. 282 ff.)
stimmt es auch, daß, wo von Verzeihung die Rede ist, immer nur Gott
selbst als der Verzeihende erscheint: H. 3, 6 (S. 38, 3 ff.), 4, 13 (S. 60, 7),
R. 5,34 (S. 146 Gersdorf). Wenn Sch. aber S. 285 schreibt: „Der
aiügigiax wird von dem xupigjiog ßaaiXevs die größte Ehre empfangen,
die Sünderin dagegen wird ausgestoßen", so ist damit der Sinn von
Ep. Clem. c. 7 nicht ganz genau wiedergegeben. _ Zuerst wird gesagt,
unter xvutpt] (Xgiazov) sei ri]g sxxXrjaiag tu mimtipa zu verstehen,
dann heißt es weiter: tax yag aioipgwx xaTaX^gjO-fj ino xvfiipiov
ßaaiXtmg . . . tax rls r)ptaQTT}xvia cpiogallfj xx'l.. Beidemal ist also
Subjekt die Kirche: sie erhält von ihrem Bräutigam Christus Ehre, wenn
sie ehrbar bleibt; wenn sie aber als Sünderin befunden wird (dadurch,
daß sie Sünder in ihrer Mitte duldet), so wird sie selbst verworfen.
Es sind Gedanken, wie sie ähnlich Tertullian in de pudicitia ausspricht:
die Kirche ist Jungfrau (c. 1), und die Maßregel des Apostels I. Cor. 5, 5
bedeutet: ut eum spiritum dixerit qui in ecclesia censetur salvum, id
est integrum praestandum in die Domini ab immunditiarum contagione,
eiecto incesto fornicatore (c. 13). Ich meine das lediglich im Sinne der
Gedankengemeinsamkeit, nicht irgendwelcher Abhängigkeit.

VIII. Zum Schluß erörtert Sch. die Gemeindeverfassung
nach den Pseudo-Clem entinen
unter dem Gesichtspunkt, daß diese keine Zeitgeschichte
liefern, sondern in Form eines Romans die Gegenwart
mit der Vergangenheit verbinden wollen. Im Briefe des
Petrus an Jakobus und in andern aus den Kerygmen
stammenden Stücken ist großes Gewicht gelegt auf die
Fortpflanzung der wahren Lehre durch eine geordnete
Folge von Lehrern unter der Aufsicht des Jakobus. Im
heidenchristlichen Clemensbrief wird dem Jakobus geradezu
der Universalepiskopat über die ganze Kirche
zugeschrieben, aber nicht als Stoß gegen Rom, sondern
in aller Harmlosigkeit, um dem Werke eine passende
Umrahmung zu geben. In die entlegene Kirchenprovinz
des Verfassers waren römische Prhnatsansprüche noch
gar nicht gedrungen.

Zu S. 325f.: in der Gegenüberstellung von Caiphas als sacerdotum
prineeps (= agyiigevg) und Jakobus als episcoporum prineeps (= agyie-
nioxonos) (R. 1, 6S) scheint mir auch ein Anzeichen dafür zu liegen,
daß der Bischof noch nicht als „Priester" gewertet wurde. In Horn. 2, 1
(S. 22, 4 de Lagarde) werden Aeneas und Lazarus oi iegtTg genannt
(als jüdische Priester). Daß im Petrusbriefe bei ayia sxxXnaLa die
Bezeichnung xa&n'/.ixr'i „absichtlich weggelassen" worden sei (S. 322),
braucht nicht angenommen zu werden, da dieses Wort damals überhaupt
noch selten war (vgl. meine „Cypr. Untersuchungen" 1926,
S. 104 f.). Im (heidenchristlichen) Clemensbrief kommt es ja auch
nicht vor.

In einem Anhang: Die älteste römische Bischofsliste
und die Pseudo-Clem entinen
setzt sich Sch. noch mit dem Werke Erich Caspars
über die älteste römische Bischofsliste (1926) auseinander
. Er zeigt, daß Caspars sonst so scharfsinnige
Untersuchungen einer sicheren Grundlage entbehren,
weil er namentlich dem Brief des Clemens an Jakobus
nicht die Beachtung geschenkt hat, die ihm in dieser
Frage zukommt, dafür aber eine zwischen Irenäus und
Epiphanius liegende Papstliste in der Chronik Hippolyts
herzustellen sucht, für die ein schlagkräftiger Beweis
fehlt.

Die Studien Schmidts sind die Früchte eingehender
und vielseitiger Beschäftigung mit den von den Ps.-
Clementinen gebotenen Fragen. In der Hauptsache
scheinen sie mir die richtige Lösung zu bringen und
außerdem enthalten sie in der Erklärung einzelner Stellen
viele treffende Beobachtungen und Erkenntnisse und
regen da und dort zu weiteren Forschungen an. Den
Dank der Benutzer seines Buches hätte sich Sch. noch
mehr verdient, wenn er die vielfach verzwickten Gedankengänge
der einzelnen Untersuchungen selber in
einer Inhaltsangabe kurz zusammengefaßt hätte. Auch
hätte ein reineres Deutsch der Wissenschaftlichkeit
sicher keinen Abbruch getan.
München. Hugo Koch.

Foerster, Privatdoz. Lic. theol. Werner: Von Valentin zu Hera-

kleon. Untersuchgn. über die Quellen u. die Entwickig. d. valen-
tinianischen Gnosis. Gießen: A. Töpelmann 1928. (VII, 116 S.) gr. 8°.
= Beihefte z. Zeitschr. f. d. neutestamentl. Wissensch., 7. RM 6—.

Die Arbeit will vornehmlich die Quellen für die
valentinianische Gnosis kritisch prüfen, darüber hinaus
aber auch einen Einblick in das Werden dieses wichtigsten
Zweiges der Gnosis verschaffen. Verf. berücksich-
' tigt indes wenig die bereits erzielten Resultate der Forschung
, glaubt immer von vorn anfangen zu müssen,
hält sich nicht frei von Wiederholungen und kommt oft
j auf umständlichem Wege zu Erkenntnissen, die längst
Allgemeingut sind.

Warum nach E. de Fayes schöner Darstellung diese
j langatmige Exegese der Heracleon-Fragmente (S. 3 bis
I 44)? Wie viel kürzer hätte Verf. seinen in manchem
■ abweichenden Standpunkt gegen de Faye begründen
j können (vgl. S. 104 ff.), wie viel geschickter wäre eine
I mehr systematische Zusammenfassung gewesen als eine
: Besprechung der einzelnen Fragmente, was doch nur
ständige Vor- und Rückgriffe zur Folge hat. Zum Ein-
j /.einen einige Richtigstellungen! Aus S. 70, 21 ff. Preu-
; sehen folgern zu wollen, daß es unter den Anhängern
i H.s „Propheten und Apostel" gegeben habe (S. 4), halte
ich für abwegig. Wenn es sich hier wirklich um Worte
I H.s handeln sollte, und nicht um eine (ironische?) ori-
genistische Folgerung, so besagen diese doch nichts
weiter, als daß H. für die Art seiner Gedankenführung
' in den biblischen Autoren seine Vorbilder gesehen habe.
Es ist ferner methodisch nicht einwandfrei, wenn F. lediglich
auf die Aussage , des Origenes hin (S. 234, 17
: — nicht 12 — Pr.) das Wasser des Brunnens mit dem
: A. T. gleichsetzt (S. 14), zumal da H. ausdrücklich versichert
, daß die Samariterin iv tfj ßad-eiu vXj] rrjg
/üdvrig gewesen sei (S.244, 6f. Pr.,' cf. F. selbst S. 17).
Der F. unverständliche Zug vom Tränken des Viehes
könnte sich aus Origenes' Numeri-Homilien erklären
(XXI, 1, S. 199, 24 f. und XXVI, 4, S. 250, 24 ff.
Baehrens). In den Jüngern des Soter können unmöglich
„Choiker oder Psychiker" gesehen werden (S. 25). Das
unverständliche Fragment 23 (nach F.s Zählung)
i S. 257, 9ff. Pr. ist keine beweiskräftige Stütze, das tri
raneixmEQOv diavoovpiha>v in Fr. 24 (S. 260, 18 f.

Pr.) darf nicht übersetzt werden mit: „auf geringere
! Weise allegorisch gedeutet" (S. 25), um daraus zu fol-
gern, daß die Jünger „Symbol für etwas Geringeres"
! seien, sondern steht parallel mit ffaoxtxCc (S. 260, 17
Pr.) und stellt Samariterin wie Jünger in ihrem mangelnden
Verständnis auf eine Stufe. Fr. 21 =S. 253, 4 f.
Pr. und Fr. 29 =S. 276, 33 f. Pr. zeigen eine ganz
andere Hochschätzung der Jünger (F.s Erklärung von
, dt ovg in Fr. 21 = S. 253, 4 Pr. erscheint mir sehr an-
, fechtbar, S. 38) und mit dieser Beobachtung stimmt
überein, was wir auch sonst hierüber wissen (cf. Excerp-
I ta ex Theodoto, cap. 25,2, S. 115, 12ff. Stählin). Es
ist für F.s Grundanschauung von der val. Gnosis, der
ich nicht zustimmen kann, bezeichnend, daß die Bekehrung
der Pneumatiker und Psychiker „nicht so verschiedenartig
ist" (S. 35), daß der Hauptunterschied nur
1 darin besteht, daß die uLozig des Pneumatikers notwendig
, die des Psychikers wahlfrei ist. Aber dafür beruft
sich F. (S. 104) zu Unrecht auf de Faye, der vielmehr
unmißverständlich von einer „illumination progressive
", „illumination interieure" spricht, die über der
j jciong stehe — ähnlich wie bei Origenes (z. B. Joh.
Co. I, 20). Ich kann meine Anschauung von H.s So-
teriologie nicht korrigieren, obwohl F. ihr die Zensur
„am verheerendsten" gibt (S. 104). Das dreifache Sche-
, ma des mystischen Aufstieges paßt für H. ausgezeichnet,
die Wendung ,rb (i&ye&og avrov xazct'Xaßelv' gibt tatsächlich
das tiefste Sehnen des Pneumatikers wieder, es
ist bei der Sophia nur uä&og, weil es beim Aufstieg die
Zwischenglieder überspringen will, es findet sich beim
Nus in reinster Form (to iiiysiXog rb diiirgrfcov m ini
xaravoslv, Iren. I, 2, 1; cf. dazu K. Müller: Beiträge
zum Verständnis der val. Gnosis, S. 241, Anm. 105).
Das Vorhandensein einer anio mystica zeigen einmal
Wendungen wie dvctv.Qaoig und homg (S. 235, 22 Pr.),