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Ausgabe:

1929 Nr. 21

Spalte:

483-487

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Carl

Titel/Untertitel:

Studien zu den Pseudo-Clementinen 1929

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 21.

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Land verlassen muß. Immer soll die Kampfstellung,
nicht das unterwürfige Bekenntnis zum Ausdruck ge- ;
bracht sein. Der dritte Teil ordnet dann dieses Ergebnis
in das Oesamtproblem des „Messiasgeheimnisses" ein,
wobei sich ergibt, daß B. im Gegensatz zur Auffassung
Wredes steht, aber mit der Deutung des Mk. als I
eines „Buches der geheimen Epiphanien" wohl paktieren
kann.

Diese vereinfachende Skizze läßt die Fülle interessanter
Nebenfragen, die der Verfasser ausbreitet, nicht
erkennen, sie kann aber auch kein Bild geben von der
eigentümlichen Umständlichkeit und Vorsicht des Ver- i
fassers, der seine Deutung ständig wieder halb zurücknimmt
oder mit der anderen, älteren in Einklang zu |
bringen versucht (typisch S. 84 oben). Dadurch bringt
Verf. sein Anliegen nicht voll zur Wirkung vor dem
Leser, dem er doch schließlich nicht zumuten kann, '
überzeugter zu sein als der Autor selbst.

Am meisten Bedenken erregt die Deutung von 3,11, wo die
„Geister" nicht aus Besessenen sprechen sollen, sondern „ihre Kufe :
dringen trotz Fehlens eines Mediums in die Sinnenwelt" (S. 63. Das !
fratopely und rigooninTSiy seien dann „Funktionen des unsichtbaren
Dämonenleibes". Einfacher ist sicher die Deutung in Verbindung mit j
Vs. 10. B. belastet (diese Sammelnotiz mit zuviel überscharfsinnigen
Reflexionen). Das interessante Problem, in welchem Verhältnis Dämon |
und Besessener stehen, wieweit die Erinnerung des Geheilten hernach j
anhalte, wird angeschnitten (S. 5. 41 96 f.). Es ergibt sich, dar! bei
Mk der Mensch ganz hinter der Rolle des Dämons zurücktritt, während
bd Philon die '''t'/i,' (cf. S. 4) des Menschen als Sitz der göttl. Kraft
erscheint.

Für die weitere Diskussion der These des Verf.
wird man auf die Stelle Mk. 3,22 Bedacht nehmen
müssen (S. 80), die er zur Stärkung seiner Position
noch mehr hätte verwerten können und die beachtlich 1
bleibt für die Fragestellung, auch wenn sein Versuch
nicht voll überzeugt.

Marburg a. I.. Erich F a s c h e r.

Schmidt, Carl: Studien zu den Pseudo-Clementinen. Nebst
einem Anhange: Die älteste römische Bichofsliste und die Pseudo- i
Clementinen. Leipzig: J. C. Hinrichs 1929. (VII, 397 S.) gr. 8°. =
Texte u. Untersuchgn. z. Gesch. d. altchristl. Literatur, Bd. 46,
H. I. RM25—. j

Carl Schmidt gehört zu den wenigen Gelehrten,
die sich vor dem wilden Gestrüpp der apokryphen ,
Apostelgeschichten nicht scheuen, sondern bemüht sind,
mit kritischem Werkzeug Wege hindurch zu bahnen.
In der ZKG. 1924, S. 321 ff. und 1926, S. 481 ff. führte ,
er den Nachweis, daß die von ihm in den TU. 1903 ver- '
öffentlichte koptische 77pä|tc IUtqov, d. h. die Ge- !
schichte von der gelähmten Tochter des Petrus und die i
Erzählung von der Tochter eines Gärtners, zu den alten I
Petrusakten gehörte, von denen uns eine Fassung in den j
sog. Actus Vercellenses erhalten ist. Hier legt er acht
bezw. neun nach und nach entstandene Studien zu den
Ps.-Clementinen vor, von denen jede für sich ein abgerundetes
Ganzes bildet und die zusammen die Forschung
um ein gutes Stück vorwärts bringen. Sie berücksichti-
gen hauptsächlich, teils zustimmend teils ablehnend, die
Untersuchungen von H. Waitz (1904) und W.
Heintze (1914) und bekunden große Vertrautheit i
mit dem Stoffe, kritischen Scharfsinn und feine Ver- l
bindungsgabe.

I. Die Pseudo-Clementinen und die al- '
ten Petrusakten. Sch. anerkennt als ein bleibendes
Verdienst von Waitz, daß er die Homilien (H) und die I
Rekognitionen (R) als Bearbeitungen einer gemeinsamen
Grundschrift (G) erkannt und diese Grundschrift einem
Angehörigen der katholischen Kirche um 220—230 zu- ;
gewiesen hat. Dagegen weicht er bezüglich der in der
< irundschrift verarbeiteten Quellen und bezüglich des j
Ortes der Abfassung von ihm ab. Daß zu den Quellen
die — nicht mit dem katholischen Kerygma Petri zu ver-
wechselnden — judenchristlichen (nach Waitz. juda-
istisch-gnostischen) Kerygmen des Petrus gehören, darüber
besteht wieder Einklang. Aber statt der angeblichen
lloditu nt%QOv (77. 11.), die Waitz als zweite
Quelle angenommen und zusammen mit H. Veil in der
neuen Auflage der von Edgar Hennecke herausgegebenen
„Neutestamentlichen Apokryphen" (1924) wieder
herzustellen versucht hat, erblickt Sch. diese zweite
Quelle in den alten 77p« i«c UitQOv, die uns zu ihrem
größten Teile in dem codex Vercellensis vorliegen und
die Lipsius in den Acta apost. apocr. I, 45 sqq veröffentlicht
hat. Diese sind um 200 von einem Katholiken in
Kleinasien oder Ägypten verfaßt. Auch der Verfasser
der Grundschrift lebte nicht in Rom, wie Waitz mit
Harnack u. a. annimmt, sondern in der Umgegend von
Palästina-Syrien. Daß ein dort lebender Schriftsteller
um 220 diese alten Petrusakten benutzen konnte, zeigt
die syrische Didaskalie, die aus der ersten oder zweiten
Hälfte des 3. Jahrhunderts stammt und sie nachweisbar
benutzt hat, G. aber noch nicht kennt. Auch in G. ist
die in den Kerygmen fehlende Gestalt des Simon Magus
aus den Petrusakten herübergenommen, und da hier der
Schauplatz der Kämpfe Petri mit dem Magier Jerusalem
und Rom war, so hat der Verf. von G. nach einer auch
in andern apokryphen Apostelakten wahrnehmbaren antiken
Gepflogenheit ihn in seinem Clemensroman nach
Cäsarea und in andere phönikisch-syrische Städte verlegt
, was naturgemäß auch Verschiebungen für die
handelnden Personen nach sich zog. So sind Justa, Barnabas
(und zwar als Jünger des Herrn), ja Clemens
selbst, der allen Anzeichen nach ursprünglich nicht zu
den Personen des Familienromans gehörte, hinzugekommen
. Bezeichnenderweise wird die Anwesenheit des
Simon und des Petrus in Rom zwar angedeutet, aber
von ihrem Endkampf auf dem Boden der Welthauptstadt
geschwiegen — weil dieser Erzählungsstoff eben
in den alten Petrusakten vorweggenommen war.

II. Das Simon- und das Petrusbild der
Clementinen und der alten Petrusakten.
Gegen Waitz, der die weitgehenden Übereinstimmungen
im Bilde des Magus und des Petrus in G. und in den
alten Petrusakten aus der Benützung einer gemeinsamen
Quelle, eben der von ihm angenommenen 11. II. erklärt,
zeigt Sch., daß diese 77. 77. nach dem von Waitz ihnen
zugeschriebenen Inhalt jünger sein müßten als die Petrusakten
, also nicht deren Quelle bilden könnten. Dagegen
erklären sich jene Übereinstimmungen zwangslos
aus der Benützung der Petrusakten in G. Die 77. 77.
Waitzens aber hat es nie gegeben und sie müssen aus
dem altchristlichen Schrifttum wieder verschwinden.

III. Der Schluß der Pseudo-Clementinen
. Einen Gedanken Boussets weiterführend,
hat Heintze die Behauptung aufgestellt, daß der
Schluß der Pseudo-Clementinen, mit dem Aufenthalte
des Magus in Laodicea, nicht G. angehöre, sondern von
H. erfunden sei und der Verfasser von R. am Schluß
des Romans H. als Vorlage benutzt habe. Das weist
Sch. ab und er rettet den Schluß für G., freilich nicht
den heute in R. vorliegenden Schluß, der deutlich
schriftstellerische Eigentümlichkeiten des Homilisten
trägt. Vielmehr hat — und hier gibt eine Bemerkung
Rufins in der Einleitung zu seiner Übersetzung von R.,
worauf Bousset aufmerksam gemacht hat, einen Fingerzeig
— in der Urausgabe von R. der Schluß aus irgend
einem Grunde gefehlt, und als der Mangel bemerkt
wurde, stand die Grundschrift nicht mehr zur Verfügung
, und so mußte der Herausgeber den Schluß von
H. als Lückenbüßer einsetzen.

IV. Der Brief des Clemens an Jakobus
bildet eine der schwierigsten Fragen der Clementinen-
forschung. Hat er ursprünglich zu ü. selbst gehört,
oder zur sog. Epitome oder zu H. oder zu R.? Neuestens
stehen sich in diesem Punkte die Ansichten von
Waitz, Bousset und Heintze gegenüber. Sch. geht, um
eine richtige Grundlage zu gewinnen, von der Tatsache
aus, daß in G. an erster Stelle die judenchristlichen
Kerygmen des Petrus verarbeitet worden sind, die von
einem Briefe des Apostels an Jakobus begleitet waren.