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Ausgabe: | 1929 Nr. 20 |
Spalte: | 466-470 |
Autor/Hrsg.: | Fischer, Hugo |
Titel/Untertitel: | Hegels Methode in ihrer ideengeschichtlichen Notwendigkeit 1929 |
Rezensent: | Knittermeyer, Hinrich |
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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 20.
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gekehrten Verhältnis zur angewandten Arbeitskraft ihrer Jeder der besprochenen Charakterköpfe wird für sich
Priester." Wie kommt das? Die Arbeitsmethoden sind dargestellt, nur Ellen Key und Ludwig Qurlitt in einem
falsch! So rief man im April 1928 eine Seelsorger- Abschnitt zusammen. Regelmäßig ist eine objektive
Konferenz nach Münster zusammen, deren Thema die Darstellung der Gedankenwelt des betreffenden Päda-
Wiedergewinnung der Abseitsstehenden war. Die Vor- gogen gegeben, die im allgemeinen die Grundlegung
träge, teilweis auch die Diskussionsreden dieser Konfe- von den Gedanken über Organisation und Methode zu
renz sind hier zusammengestellt. Konviktspräses Höfer sondern sucht. Es ist zu begrüßen, daß hier die Glie-
bespricht die Einwirkung der äußeren Verhältnisse auf derung jedesmal nach besonderen Gesichtspunkten vor-
das religiöse und sittliche Leben der Menschen, also den I genommen ist. Am Schluß folgt eine „Würdigung",
„modernen Industriemenschen". Diözesanpräses Koner- ! Kesseler versteht es ausgezeichnet, mit knappen Strichen
mann handelt vom Industrieseelsorger. Ein besonders ( auch ziemlich verwickelte Anschauungen klar darzu-
großer Raum ist den sog. „Wochen des Friedens" ge- , stellen, sodaß sein Buch sich vorzüglich liest. Bei der
widmet; wir würden von Volksmissionswochen sprechen. ungeheuren Fülle der wiedergegebenen Gedanken ist es
Der schon genannte Konermann und Diözesanpräses nicht möglich, auf Einzelheiten der Darstellung einzu-
Marx bieten reichhaltige grundsätzliche und praktische 1 gehen. Im allgemeinen schildert Kesseler aus gründ-
Erörterungen zu diesen Wochen, auch 10 Predigtskizzen. lichster Sachkenntnis heraus zuverlässig. Die Würdi-
Ein Aufsatz von P. Otten C. ss. R. über die sog. Haus- gung, die immer wenige Seiten umfaßt, geht natürlich
und Kapellen-Mission macht den Schluß. Natürlich be- von seinem eigenen Standpunkte aus. Andere werden
gegnen vielfach spezifisch katholische Gedanken und manches anders ansehen und beurteilen. Vielleicht hätte
Vorschläge; auf evangelischer Seite würde z. B. niemand etwas schärfer herausgestellt werden sollen, daß die
für die Seelsorge die „möglichst prunkvolle Ausgestal- hier gegebenen Urteile individuell sind. Man merkt
tung des Gottesdienstes" (S. 65) empfehlen; die Pre- ! überall Kesselers persönliche Stellungnahme und Grund-
digtskizze „Buße und Beichte" (S. 162 ff.) sagt vieles, anschauungen. Aber es ist immer mit wenig Sätzen
was wir ablehnen. Aber auf Schritt und Tritt begegnen Wesentliches gesagt. Personenregister, Sachregister,
Parallelen mit der evangelischen Praxis der Seelsorge Nachweisung der Fundstellen und der Literatur bilden
an Entfremdeten in Städten und Industrieorten. Haus- den Schluß des verdienstvollen, in seiner neuen Auflage
besuche, vor der Mission durch Laienhelfer, während i noch brauchbarer gewordenen Buches. Wer sich durch
der Mission durch den Missionar; Kartensystem zur ; das Wirrsal der modernen pädagogischen Anschauungen
Feststellung, wer zu den Predigten und zur Kommunion hindurchhelfen will, hat in diesem Buche einen ganz
kommt (diese Kontrolle der Teilnahme an den Missions- , ausgezeichneten Führer.
wochen ist eigenartig-katholisch); lange Missionsdauer j Breslau. M. Schian.
(mindestens 6 Wochen), Nachbesuche, Einrichtung von
M.ss.onskapellen für entfernte Bez.rke - das smd d.e ; Fischert p^.^ „ H ,s Methode ,„ ,hrer ideen.
w.chtigsten Forderungen. Wir lernen somit aus dem geschichtlichen Notwendigkeit. München: C.H.Beck
Buch mit großem Interesse ein Stuck moderner katho- frll, 336 S.) sr.8° - Abhandlungen d. Sachs. Staad. Forschgs-
lischer Seelsorgepraxis kennen; wir vergleichen Praxis j inst. Nr. 29. rm 13 50
und Theorie mit unserer evangelischen Art; wir beobach- Diese Leipziger Habilitationsschrift aus der Schule
ten, wie die katholische Kirche von genau, den gleichen F Krügers verleugnet ihre Herkunft auch in der Kritik
sorgen gedruckt wird wie wir. Hier und da kann man He eIs nicht Sie entdeckt in ihm grundsätzlich und
auch Anregungen für die eigene Arbeit gewannen. | aucn in Ei!lzelheiten den Logizisten, b« dem die „Funk-
' tionen des Fühlens und Wollens" zu kurz kommen (z. B.
132, 146). „Erlebnismäßig-Ganzes" wird „in die logischen
Dimensionen eingebogen" und „zerstückelt"
(253). Fruchtbarer als diese — wegen des doch nur
angedeuteten eigenen Standorts leicht dogmatisch wir-
Breslau. M. Schian.
Kessel er, Kurt: Pädagogische Charakterköpfe. 5. Aufl.
Frankfurt a. M.: M. Diesterwesr 1929. (VII, 260 S.) gr. 8°.
Lwd. RM 8.20.
Die neue Auflage hat die früheren Abschnitte bei- I kende und in ihren Ergebnissen keineswegs „neue" _
behalten und nur wenig verändert, aber 6 neue Ab- Kritik des Hegeischen „Intellektualismus" bezeugt sich
schnitte angefügt und das Ganze neu gruppiert. Jetzt die Schülerschaft in dem positiven Beitrag, den sie zur
sind im ganzen 23 Persönlichkeiten behandelt, die samt- > Auslegung Hegels bereitstellt. Es gibt kaum eine zweite
lieh der neueren Pädagogik angehören, freilich nicht Darstellung der Philosophie Hegels, die so wie diese
alle (z. B. Friedrich Paulsen) der neuesten. Besprochen aus dem Eindringen in die methodische ürundbewegung
sind: W. Rein, E. von Sallwürk, Otto Willmann, Ellen den Zusammenklang von Werk und Persönlichkeit her-
Kev, Ludwig Gurlitt, Gustav Wyneken, Hans Sehlem- austreten läßt. Das Buch ist nicht leicht geschrieben,
mer' Heinrich Schulz, Paul Natorp, Paul Ostreich, F.W. Eine eigenwillige, entfaltungskräftige, sichtlich auch an
Foerster, Kerschensteiner, Hans Richert, Hellpach, Gau- Hegel geschulte Sprache ermangelt noch der gesammel-
dig, Felix Behrend, Ernst Krieck, Paulsen, Gerhard ten Kraft und der durchdringenden Klarheit. Wer sich
Budde, Gertrud Bäumer, Rudolf Lehmann, Spranger, | die Mühe nicht verdrießen läßt, den leitenden Faden aus
Theodor Litt. Sie sind unter folgende Überschriften ge- vielfältiger Verklammerung herauszulösen, wird aber mer-
ordnet: Das Erbe des Herbartianismus; Die Pädagogik ken, daß hier der Gegenstand seinen Autor ergriffen hat
vom Kinde aus; Die Pädagogik unter dem Menschheits- und durch ihn etwas von dem Geheimnis freigibt, das
ideal; Die Pädagogik unter dem Ideal der Volksgemein- ihn im Ganzen und im Einzelnen noch immer umfängt,
schaff - Die Pädagogik als autonome Wissenschaft; Die Es ist kein Beitrag zur Kritik des deutschen Idealismus,
Pädao-ögik des deutschen Idealismus; Die Pädagogik der hier vorliegt, und doch ist dem Verfasser die An-
im Rahmen der Kulturphilosophie. Diese Gruppierung 1 fechtung nicht fremd, die über die idealistische Systema-
hat, wie jede solche Gruppierung, ihre anfechtbaren tik gekommen ist. Die „epochale" Notwendigkeit der
Stellen. Warum wird z. B. gerade bei Gaudig usw. der 1 Philosophie Hegels wird aber so tief erkannt und be-
Wissenschaftscharakter der Pädagogik hervorgehoben? jaht, daß die Kritik an keiner Stelle die Nachzeichnung
Auch wird natürlich mancher, der nicht unter der Über- der inneren Fügung entscheidend durchbricht und selb-
schrift „Die Pädagogik vom Kinde aus" behandelt wird. ständige Wege geht oder weist.
sich dadurch beschwert fühlen. Für F. W. Foerster ist Es gelingt dem Verfasser, den Geist der Hegel-
der Ausgangspunkt vom Menschheitsideal jedenfalls sehen Logik zu erwecken, obwohl oder vielleicht gerade
nicht das einzige charakteristische Moment. Andererseits weil er keineswegs eine erschöpfende Gesamtdarstellung
ist die Gliederung unter bestimmte Gesichtspunkte der Philosophie Hegels gibt oder beabsichtigt. Das
doch von großem praktischen Wert, und der unter- erste Buch gehört den Jugendschriften, für das zweite
nommene Versuch zum mindesten sehr beachtenswert, dient die Logik als Dokument des Mannesalters und für