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Ausgabe:

1929 Nr. 19

Spalte:

451-452

Autor/Hrsg.:

Macholz, Waldemar

Titel/Untertitel:

Die romantische Ehe und der lutherische Ehestand 1929

Rezensent:

Althaus, Paul

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 19.

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a) St. schreibt (S. 233. 7d. § 1): „Die Prädestinationslehre
Luthers unterscheidet sich von der reformierten
dadurch, daß sie keine zwiefache Vorherbestim-
mung zum Heil und zum Verderben (gemina praedesti-
natio), sondern nur eine Bestimmung zum Heil kennt."
Hier ist die lutherische Theologie, wie sie durch die
Konkordienformel festgelegt ist, mit der Theologie Luthers
verwechselt. Für den richtigen Sachverhalt genügt
es, auf O. Ritsehl, Dogmengeschichte des Protestantismus
. III (1926), S. 1 ff. („Luthers Lehre von der doppelten
Prädestination und ihre Auflösung durch Me-
lanchthon") zu verweisen.

b) St. behauptet (S. 231 § 7), daß die Reformierten
die Prädestination aus dem Determinismus folgern, während
die Lutheraner beides von einander trennen. Damit
ist der Unterschied jedoch nicht richtig wiedergegeben.
Er führt sich vielmehr auf die verschiedene Orientierung
für den Aufriß der Dogmatik überhaupt und auf die dahinter
stehende verschiedenartige religiöse Grundeinstellung
zurück, wie sie auf reformierter Seite einst
schon Leydecker kurz und treffend formuliert hat: Inter
nos et adversarios, qui de liberi arbitrii uvictQY.iq errant,
hoc est discrimen, quod nos a deo inchoemus, illi a se
ipsis. Dem entspricht es, daß die Lutheraner, wie es
auch bei St. geschieht, die Prädestinationslehre in die
Nähe der Rechtfertigungslehre gebracht haben (S. 234.
7e), während die Reformierten sie gerne nach der
Gotteslehre behandeln, wie es noch Heppe (Die Dogmatik
der ev.-ref. Kirche. 1861) getan hat. Doch ist
die Stelle, an der die reformierten Symbole und Lehrbücher
auf sie eingehen, schwankend, — Farel hat sie
erst in Verbindung mit dem jüngsten Gericht zur
Sprache gebracht, Calvin Inst. 1536 c. II. sie im Zusammenhang
mit der Lehre von der Kirche erörtert.
Aber auch wo sie bei den Reformierten in Verbindung
mit der Gotteslehre erscheint, dient es nicht zur Klärung
des Sachverhalts, wenn man sie einfach als eine Folgerung
aus dem Determinismus bezeichnet. Richtiger hat
hier A. Schweizer, Die Glaubenslehre der ev.-ref. Kirche
II (1847) gesehen, indem er sie zwar auch im Zusammenhang
mit der Gotteslehre behandelte, aber unter
dem beherrschenden Gesichtspunkte des Erlösungswerkes
, unter den opera oeconomica ad extra, bei der
Oekonomie des Vaters.

Münster i. W._K. Bauer.

Macholz, Prof. D. Waldemar: Die romantische Ehe und der

lutherische Ehestand. Dresden: C. L. Ungelenk 1929. (62 S.)
8°. = Kirche und Gegenwart, 6. RM 2 -; in Subskr. 1.70.

Macholz will mit seiner Schrift den „romantischen
Modernismus" der Ehe-Auffassung bekämpfen, indem
er ihn „durch Luthers evangelische Klarheit" beleuchtet.
Er stellt die romantische Ehe und Luthers Gedanken
vom Ehestande einander gegenüber und sucht das klare
Entweder—Oder aufzuzeigen, „das für solche, die dem
Evangelium verfallen sind, Urteil und Entscheidung
einschließt". Die Romantik kommt in der auszugsweisen
Wiedergabe zweier Predigten, von Marheinecke
und Greiling, sowie in der Auffassung der Ehe bei dem
jungen Schleiermacher (der Monologen und der vertrauten
Briefe über Schlegels Lucinde) zu Worte. Luthers
Gedanken werden unter den Titeln: „Von der
Liebe zur Ehe" und „Das Eheglück des Ehestandes" abgehandelt
. Die Darstellung ist hier zugleich ständiger
Vergleich mit der Romantik, wie sie überhaupt nicht
nur ein Referat, sondern eine wirkliche Durchdringung,
Rechtfertigung, Anwendung der Gedanken Luthers
bietet.

Der entscheidende Gegensatz tritt scharf heraus.
Luther und die Romantik sagen beide: durch Liebe zur
Ehe. Aber sie sagen es in ganz verschiedenem Sinn.
Für die Romantik ist die Ehe um der Liebe willen da,
für Luther die Liebe um der Ehe willen. Die romantische
Ehe steht im Dienste des Persönlichkeitsstrebens,
bei Luther treten die Personen in den Dienst der Ehe als
eines auf Gottes Reich hinzielenden Berufes. Der romantische
Ehegedanke baut eine Traumwelt, der lutherische
ist getragen von der Nüchternheit des Wissens
um die Erbsünde und um die Vergebung usw. Macholz
bietet hier eine Fülle trefflicher Beobachtungen und
Formulierungen des Gegensatzes. Besonders gelungen
ist die Begründung von Luthers Auffassung der Ehe als
; remedium für das geschlechtliche Leben (49 ff.) sowie
der Abschnitt über die Unauflöslichkeit der im Sinne
Luthers verstandenen Ehe (58 f.). Dabei verschweigt
M. die patriarchalischen Schranken, z. B. in Luthers
Weise, von der Behandlung des Weibes in der Ehe zu
reden, nicht. Alles in allem wird die kleine Schrift den
zeitgemäßen Dienst, um deswillen sie geschrieben ist,
• gut ausrichten können.

Vielleicht allerdings würde sie bei den vom roman-
j tischen Ehegedanken Angefochtenen noch stärker wirken
! können, wenn M. den mit Recht betonten Gegensatz
nicht gelegentlich überspitzte. Kann man wirklich sagen,
. daß „nur ein träumender Schwärmer" als Ziel der Ehe
verkündigen kann z. B. „geistige Gemeinsamkeit im
Sinne der Romantik", „gegenseitige Entfaltung der indi-
i viduellen Eigenart und ,Freiheit'" (43f.)? Gewiß be-
i tont M. mit Recht: „auch die stärkst empfundene Zu-
j sammengehörigkeit der Ehegatten schließt das Widereinander
der Verbundenen . . ein" (44). Auch wird man
jene Werte sicher nicht als Ziel der Ehe hinstellen
dürfen. Aber sie sind doch ein Geschenk, das auch
, in einer evangelischen Ehe als Reichtum des Lebens von
Gott hingenommen wird. Das kommt bei Macholz zu
wenig zur Geltung. Der Eros (im geistigen Sinne) bleibt
gewiß innerhalb der Grenzen der Humanität, und das
; von ihm gewährte Glück soll nicht mit der Romantik
| vergöttlicht werden. Aber Glück bleibt es darum doch,
und Glück ist niemals nur Mittel — als solches würdigt
j M. das erotische „Streben nach »persönlicher' Innigkeit
i und geistigem Austausch" allein, S. 44 —, sondern auch
Geschenk als solches. Und vielleicht ist es die bleibende
; Bedeutung der Romantik, dieses Geschenk erlebt und
verstanden zu haben, so gewiß es ihr Fehler und ihre
I Versuchung ist, daß sie in diesem Geschenke den
höchsten Sinn des Lebens fand. Macholz faßt bei den
Romantikern den gegenwärtigen Gegner der evangelischen
Ehe ins Auge. Daher fehlt bei ihm der Versuch
, die romantische Epoche nach ihrem Sinne und
positiven Ertrage geschichtlich zu würdigen: die
Romantik erscheint nur als der Gegner. Damit kommt
1 das uns heute aufgegebene Problem, wie mir scheint,
einfacher zu stehen als es ist. Mein Desiderium könnte
j ich auch so ausdrücken: Macholz stellt den jungen, ro-
I mantischen Schleiermacher und Luther einander gegenüber
— wäre es nicht nötig, den späteren Schleiermacher
hinzuzunehmen und etwa seine Ehepredigten mit
denen Luthers zu vergleichen? In den Hausstandspre-
1 digten ist Schleiermacher über seine romantische Epoche
hinausgeschritten und führt doch wichtige Erträge der
romantischen Besinnung weiter. Wie verhält sich seine
Synthese von Romantik und Evangelium zu Luther?
Eine Antwort auf diese Frage dürfte in einer Schrift
über die romantische Ehe und den lutherischen Ehestand
1 nicht fehlen, nicht nur um der Gerechtigkeit gegen
i Schleiermacher willen, sondern vor allem auch, weil der
i so durchgeführte Vergleich die uns heute aufgegebene
1 Erörterung des Eheproblems, vor allem des Verhältnisses
von Eros und Sinn der Ehe, noch wesentlich vertiefen
würde.

Erlangen.____P. A11 h a u s.

Erbe, Dr. Hans-Walter: Zinzendorf und der fromme hohe
Adel seiner Zeit. Leipzig: M. Heinsius Nachf. Eger & Sievers
1928. (262 S.) 8°. RM8-.
Zinzendorf ist gewöhnlich in Verbindung mit seinem
Werk, der Brüdergemeine, behandelt und daher
auch meist von dort aus beurteilt worden. Diese Art der
Behandlung besteht zum mindesten als Durchgangsstufe
zu Recht und ist nicht nur, wie Albrecht Ritsehl will, auf
Parteilichkeit zurückzuführen. Wer außerdem eine Ah-