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Ausgabe:

1929 Nr. 1

Spalte:

377-381

Autor/Hrsg.:

Clarke, Henry Lowther

Titel/Untertitel:

Constitutional Church Government 1929

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 15/16.

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und in dem Wunder der Sakramente, insonderheit im
Abendmahl (der Realpräsenz Christi, seiner Person als
des stetigen Opfers [ nicht etwa eines stets „neuen",
sondern des dauernd „einen" am Kreuz]) durch die ganze
Geschichte fort. Da liegen noch grenzenlos viel Unklarheiten
. Aber die Grundidee ist sicher alt und echt
christlich. Ich habe mir persönlich schon früh klar gemacht
, daß die Ausbildung des Abendmahldogmas eine
Fortsetzung, eine Art von Umstellung des Denkens
bedeutet, das auf den ökumenischen Konzilien
der Zeit sein Ziel gefunden und im Dogma von den
zwei Naturen „abgeschlossen" worden. Ja, möchte die
Lehre vom Abendmahl der Dogmatik — im Zusammenhang
mit der „Idee" der Kirche — mal wieder zum
Problem werden! Theologisch ist Luther diesem
Problem nicht gewachsen gewesen, aber er hat es in
seiner geheimnisvollen, echten, seligen Tiefe empfunden
, als Vision vor sich gehabt.

Die Review ist wirklich eigentümlich reichhaltig.
Ich finde auch einen Artikel über unseren Herder Vol.
CHI, Nr. 206 (Jan. 1927) und Vol. CIV, Nr. 208
(Juli 1927), von einer Theologin, Miss M. E. Sand-
bach-Marshal 1 B. D. (Von ihr zuvor auch einen
über Schleiermachers Gottesbegriff, Vol. CII, Nr. 203,
April 1926). — Hinausgreifend aus den kirchlichen und
theologischen (gelegentlich auch philosophischen) Interessen
oder Fragen ist ein Aufsatz wie der von R. B.
Henderson, Nr. 204 (Vol. CII, Juli 1926) The
Alcestis of Euripides (38 Seiten).

Auch deutschen Mitarbeitern begegnet man. So
dem doch offenbar in England heimisch gewordenen
Rev. W. O. E. Oesterlev : „Jewish marriage in an-
cient and modern times", Nr. 211 (Vol. CV1, Apr. 1928).
Dr. Wilh. Schuster in Leipzig gibt eine Übersicht
über die „Present-Dav religious movements in Ger-
many", Nr. 205 (VoL CII, Okt. 1926): ganz be- I
sonders über die „Jugendbewegung" (evangelischer und
katholischer Art). Von Fr. Heiler in Marburg wird in
Nr. 209 (Vol. CV, Okt. 1927) eine Umschau in der
Entwicklung des Anglikanismus (von seinem Ursprung
an, insonderheit) unter dem Einfluß der „Oxforder Be-
wegung", speciell Puseys, so angestellt, daß eine
größere Anzahl von Werken über die dabei hervorgetretenen
Männer und die sich allmählich immer deutlicher
durchsetzenden Motive verarbeitet ist. Der Aufsatz
ist überschrieben „A Lutheran review of Anglo-
catholicism" und ist die Übersetzung eines sehr ausführlichen
(49 Seiten) Vortrags, den Heiler am 1. Dez.
1926 vor dem „Hochkirchlich-ökumenischen Bund" in
Berlin gehalten hat. Ich finde ihn recht instruktiv,
Heiler hat sich wirklich gründlich eingearbeitet in die
Literatur und kennt die englisch-kirchlichen Verhältnisse,
auch aus eigener Anschauung. Er glaubt im wahrsten
und Luther treuesten Sinn Lutheraner zu sein, wenn er
der englischen hochkirchlichen Bewegung, auch in der
fast sektenhaften Form des Anglo- (nicht Roman-) Ca-
tholicism, warme Sympathie bezeugt.

Halle a. S. F. Kattenbusch. |

Clarke, Henry Lowther, D. D., D. C. L.: Constitutional Church

Government. In the Dominions Beyond the Seas and in other
parts of the Anglican Communion. London: S. P. C. K. 1924.
(XVI, 547 S.) gr- 8°. 25 sh.

Das Werk ist der ThLZ. sehr verspätet zugegangen,
sodaß Rez. nicht die Schuld (wenigstens nicht die
hauptsächlichste) für die Verspätung der Besprechung
trägt. Ich charakterisiere es zunächst durch Abdruck
des Inhaltsverzeichnisses:
Introduction.

I. Synodical Government. II. Dioccsan Administration. III. Metro-
politans and Primates. Letters Patent and Consumtions. IV. The
Growth of the Overseas Episcopate. V. The Colonial Clergy Acts.

VI. The Church of England in Australia. VII. The Church in the
Province of New Zealand. VIII. ... in the United States of Amercia

IX. . . . of England in Canada. X. in the West Indies. XL . . . in
South America. XII. ... in Africa. XIII. ... in India and the East.
XIV. ... in China. XV. ... in Japan. XVI. Gibraltar. North and
Central Europe. XVII. Jerusalem and the East-Egypt and the Sudan.

Appendix (a) England; (b) Wales; (c) Scotland; (d) Ireland. —
Additional note: Revised Constitution of Antigua. — Ceylon: Consti-
stution of the Diocese of Colombo.

Index.

Der größere Teil des Buches bringt Dokumente.
Man kann in Kap. Vlff. die grundlegenden verfassungsmäßigen
Ordnungen aller einzelnen Zweige der anglikanischen
Communion außerhalb Großbritanniens und
Irlands in der 1924 geltenden Fassung nachlesen. Doch
reicht das Buch in mehrerem Betracht über eine bloße
Dokumentensammlung hinaus. Zunächst findet man
jedem Kapitel und auch Kapitelteile mehr oder minder
ausführliche Einleitungen mit den wichtigsten Daten
über Entstehung und Entwicklung der betreffenden
Kirche vorangestellt. So kann man z. B. den Fall
Colenso S. 325—27 gerade nach seiner kirchenrechtlichen
Seite klar dargestellt finden. Die vier ersten Kapitel
sodann suchen ein zusammenfassendes Bild der
gegenwärtigen Rechtslage in der anglikanischen Communion
und auch der Hauptzüge ihrer Entwicklung zu
geben. Dabei ist der Hauptakzent gelegt auf möglichst
genaue Daten und Listen. Jedes Datum, das für die
Geschichte der anglikanischen Communion über See
wichtig ist, ist irgendwo verzeichnet. Kap. 4 z. B. enthält
in stammbaumartigen Tabellen von jedem anglikanischen
Bistum über See das Gründungsjahr, das Mutterbistum
, von dem es abgezweigt wurde, gegebenenfalls
auch das Jahr, in dem es Erzbistum wurde, sowie die
Namen sämtlicher bisheriger Inhaber des Stuhls. Kap.
3 enthält u. a. eine Liste sämtlicher Bischofsordinationen
über See, die in England selbst vollzogen worden sind,
vom 4. IL 1787 bis zum 2. IL 1924. Alles in allem:
das Werk ist für die Geschichte der anglikanischen
Kirche über See grundlegend. Man kann schon rein aus
ihm selber den Aufriß dieser Geschichte sich klar
machen. Bewußt ist natürlich die Beschränkung auf
die Organisation und das Verfassungsrecht (einschließlich
des Verhältnisses von Kirche und Staat). Über die
inneren Verhältnisse, aber auch über die Zahl der Kirchenglieder
in ihrem Verhältnis zur Zahl der Christen
des betreffenden Landes überhaupt oder auch zur Gesamtbevölkerungszahl
, über die Rassenverhältnisse usw.
erfährt man, von zufälligen Gelegenheitsbemerkungen
abgesehn, nichts. Indien und China sind dementsprechend
auf wenigen knappen Seiten mehr schlecht als
recht abgemacht; davon, wieweit es sich auch in Indien
und China um Kolonialkirchen, nicht um Missionskirchen
handelt, entsteht kein ganz klares Bild; in Indien
scheint der erste Gesichtspunkt überraschend stark im
Vordergrund zu stehn. Mit dieser Einschränkung aber
darf das Werk als ein ganz ausgezeichnetes und in
seiner Weise unvergleichliches Infonnationsmittel bezeichnet
werden, dessen Zusammenstellung unsäglichen
Fleiß und unsägliche Mühe gekostet haben muß.

Vielleicht ist es zweckmäßig, die äußere Geschichte
der Erstarkung der anglikanischen Communion über
See sowie die gegenwärtige Rechtslage im Verhältnis
der Kirchen innerhalb der Communion, mit ein paar
groben Strichen aus der Darstellung von Clarke herauszuheben
.

Dabei sehe ich von einem Zweige der anglikanischen Communion,
der protestantisch-bischöflichen Kirche in den Vereinigten Staaten ab,
sowohl die Versäumnisse der Zeit bis zur Unabhängigkeitserklärung 1783
(der Bischof von London einziger Ordinator für Geistliche in den nordamerikanischen
Kolonien; Unterlassung der Schaffung einer eignen
bischöflichen Organisation für Nordamerika), als auch die 1784 durch
drei schottische Bischöfe auf Betreiben der nordamerikanischen Bischöflichen
in eigenmächtigem Vorgehn erfolgte erste Ordination eines Bischofs
für Nordamerika, als das Ermächtigungsgesetz von 1786, welches
fremde Untertanen ohne den üblichen Unterwerfungseid, aber auch ohne
Gewährung von Amtsbefugnissen in englischen Dominien, in Canterbury
und York zu ordinieren gestattete, sind bekannt. Drei Ordinationen