Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1929 Nr. 1

Spalte:

356-357

Autor/Hrsg.:

Powicke, F. M.

Titel/Untertitel:

Stephen Langton 1929

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

355

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 15/16.

356

legt (I. Religion, Folk-Lore and Superstition. II. Chronicus
, Science and Art. III. Men and Manners. IV.
Monks, Friars and Nuns), von denen die erste etwas, die
vierte beträchtlich erweitert ist; die drei ersten liegen
mir vor. Es handelt sich um die Zusammenstellung
durchschnittlich je etwa 2 Seiten langer Texte aus
mittelalterlichen Quellen, in englischer Obersetzung, für
einen größeren Kreis von Lesern, die sich ein lebendiges
Bild vom Mittelalter verschaffen wollen: I umfaßt 128,
II 63, III 81 Nummern. Kurze das Nötigste bringende
Einleitungen (welche auch über die Stelle, aus der die
Stücke entnommen sind, berichten) erleichtern das Verständnis
.

Der Ursprung der Texte ist so mannigfaltig, daß
eine Aufzählung aller Quellen nicht möglich ist. Ich
gebe darum nur Beispiele, natürlich solcher, die in
mehreren oder besonders interessanten Stücken berücksichtigt
sind. Daß die Acta Sanctorum stark herangezogen
sind, sei im voraus allgemein bemerkt. Die
Quellen werden von mir so angeführt, daß ich an Coul-
tons in Genauigkeit und Sprachform sehr variierenden
bibliographischen Angaben nichts korrigiere oder ergänze
.

Quellen in 1 z.B.: Etienne de Bourbon, Anecdotes Historiques
ed. A. Lecoy de la Marche 1877; John of W'orester, Chronicle (Oxford
1008); Jacques de Vitry, Exempla, ed. Crane 1800 ; Ijinercost Chronicle
, ed. Stevenson 1839; Jacques de Vitry. Exeinpla, nach Ms. Lat.
17500 Bibliotheque Nationale, Paris (unter Correctur der Ausgabe von
Crane); Caesarius v. Heisterbach, Dialogus Miraculorum, ed. Strange,
Köln 1851 ; Matthew Paris, Chronicle (auf A. D. 1232|. englische Übersetzung
in Bohn's Antiquarian Library; Odo Rigaldi, Erzbischof v.
Rotten, Registrum visitationum 1248 — 60, ed. Bonnin: Exeter Cathedral:
Register of John de Orandisson. ed. Lingeston- Randolph [auf 1330;
1333; 1361); York Fabric Rolls (Surtees Society vol. XXXV) [auf 1510];
Carolina Burana, ed. Schmeller; Berthold v. Regensburg, Predigten, ed.
Fr, Pfeiffer, Wien 1862; Thomas Cantimpratanus, Bonuni universale de
apibus, Douai 1507; Christina V.Stommeln (b. Köln), geb. 1242: Acta
Sanctorum Juni 22: Lebensbeschreibung durch Peter v. Schweden; T.
Wright, Latin Stories 1842 (Sammlungen aus Predigermanualen des 13.
und 14. Jahrh.s; Uber exemplorum ed. A. C. I.ittle (British Society of
Eranciscan Studies; Grandes Chroniques de St. Denis, ed. Paulin, 6 vol.,
Paris 1836; Johann Nider, Formicarius, ed. Douai 1602: Bernhardiu v.
Siena, Opera, ed. de la Haye, Paris 1636 u. Lyon 1650; Johann Geiler
v. Kaisersberg, Peregrinus. Strafiburg 1513; Thomas More, Dialogus.

Quellen zu II z. B.: (bei 1 schon Aufgeführtes nicht wiederholt
): Ralph Higdon, t 1364, Polychronicon, Übersetzung v. John Tre-
visa 1367; Life of Stephen of Obazine, nach Baluze-Mansi, Miscellanea I;
Abaelard, Historia calamitatum ; Corpus chronicorum Flandriae vol. II:
Chronicle of Tournay; Petrus Cantor, Verbuni ahbreviatum (MPI. 205);
Lambert, Mon. Genn. Hist. vol. XXIV; Erasmus, Ecclesiastes; Opera
I.eyden 1704 vol. V; Roger Bacon, Compendium studii philosophiae ed.
S. Brewer, 1S50; Ratnou Muntaner, cd. Literarischer Verein of Stuttgart;
Oxford City Documents ed. J. E. T. Rogers; Tilman v. Wolfhagen, Liin-
burger Chronik, Mon. Genn. Hist., Deutsche Chroniken I: Thomas
Grey of Heton, Chronicle, ed. J. Stevenson; Chaucer, Scalacronica, ed.
Stevenson; Froissart, ed. Buchon ; Ms. [.ainbeth Nr. 306 (reigu of Edward
IV; Ms. Bodleian. 132; Johann Busch aus Zwolle, Liber de re-
formatione monasteriormn, ed. K. Grube, Halle 1887; Götz v. Ber-
lichingen, Autobiographie; Jean de Bourdigne. Chronicle of Anjou, ed.
Quatrebarbes, Angers 1842.

Quellen zu III z. B. (bei I oder II Aufgeführtes nicht wiederholt
): Walther v. d. Vogelweide, ed. Fachmann ; Romance of Flamenca ;
Rolandino of Padua, Chronicle 1260 ff., ed. Muratori, Scriptt. Ital. vol.
VIII; Life of St. Douceline, ed. Albanes 1870; L'lrich v. Lichtenstein,
Frauendienst, ed. R. Bechstein, Leipzig 1888; Thomas Walsingham, Gesta
Abbatum S. Albani. ed. in tue Rolls Series; Life of du Gueselin, in the
poein of Cuvelier: Eustache Deschamps, Balades, ed. of the Societe des
Anciens Textes Francais; Geoffrey de la Tour-Landry, Book of the
Knight of the Tower, English Transl. front a Ms of Henry VI. Reign,
ed. T. Wright (Early English Text Society); British Museum Royal Ms. 6.
F. VI.; British Museum. Mss. Harl. 862 ; Paston Letters ed. Dr. Gairdner
1900; Lübeckische Chronik, ed. J. F. Faust 1610.

Die Anthologie ist so reich und mannigfaltig, wie
es diese Proben erwarten lassen. Es wird kaum einen
Zug aus dem täglichen Leben des Hoch- und Spätmittelalters
geben, zu dem man nicht irgendeine lehrreiche
und fesselnde Illustration fände. Von der historischen
Erzählung bis zur unverbürgten Predigtanekdote, vom
offiziellen Aktenstück bis zum Gedichte, vom Dokumente
gröbsten Aberglaubens in enggebundner Kirchlichkeit
bis zu dem freier Weltlichkeit finden sich Proben
. Eine gleichwertige oder auch nur gleichartige
deutsche Anthologie ist mir nicht bekannt. Daß zu
dem allen eine Reihe guter Bildbeigaben kommen
(Zeichnungen und Bilder aus dem Mittelalter, schwarz
auf weiß wiedergegeben), erhöht noch den Wert der
schönen Sammlung.
Göttiiigeu. E. HIrsch.

Po Wicke, F. M.: Stephen Langton. Bein« the Ford Lectures
delivered in the University of Oxford in Hilary Term 1027. Oxford:
Clarendon Press 1928. (VIII, 227 S.) 8°. 15 sh.

Das Buch verfolgt zwei Ziele zu gleicher Zeit.
Einmal will es ein anschauliches, zusammenfassendes
Bild von Stephan Langton im Rahmen seiner Zeit
geben, andrerseits will es erste Grundlegung zu
einer umfassenderen Erforschung Langtons sein. Soweit
das überhaupt möglich ist, ist die Vereinigung beider
Ziele zu einem Ganzen geglückt.

Inhalt. I. Boyhood in Lincolnshire. II. Langton at Paris: bis
Biblical studies. III. Langton at Paris: bis Questiones. IV. Custoin and
Opinion in England: 1. The Dispute with Rome. V. Custoin and
Opinion in England: 2. Magna Charta. VI. Langton as Axehbishop.
Appendizes: 1. The Langtons of Langton-by-Horncastle and of Langten-
by-Wragby. 2. laugten« Sermons. 3. The manuscripts of Langten«

Questiones. 4. Langtons Documenta Ctericorum. 5. The Tvrenty-Five Barons
of the Charter. 6. A mite ou Stephen Langten'« familia'. — Drei
genealogische Tafeln, eine Abbildung (Langton'« erzbischof liebes Siegel).

Der Tatbestand ist folgender: Einmal, seit
ürabmann, Geschichte der scholastischen Methode II
497 ff. und einigen daran sich anschließenden, bei Geyer
(Überweg II 11. Aufl. S. 712) aufgezählten Abhandlungen ist
uns Stephan Langton als Pariser Magister entgegengetreten
. Das 2. und 3. Kapitel von Powicke suchen von
ihm in dieser Hinsicht ein Bild zu entwerfen, soweit das
jetzt schon möglich ist, gleichzeitig aber zusaminenzu-

1 stellen, was an Langton-Handschriften vor allem in
Frankreich und England vorhanden ist. Dabei wird
durch eine scharfsinnige Analyse der Hs. der Quaesti-
ones in Canterbury — im Anhang ist sie unter Angabe
der Überschrift jeder einzelnen Quaestio genau aufgenommen
— dargetan, daß wir in ihr vermutlich die
ursprünglichste Gestalt der Quaestiones haben, die in
die Entstehung und den Charakter der Sammlung den
besten Einblick tun läßt und von der aus die Untersuchung
aller andern Manuskripte allein sicher geführt
werden kann. Ebenso wird — zusammen mit den genauen
Auszügen aus Bibliothekskatalogen und Beschreibungen
von Hs.en im Anhang — für die Untersuchung
des gesamten übrigen Nachlasses von Langton eine

j Vorarbeit geleistet. Darüber hinaus ist dann der (an
einzelnen freispielen geschehende, freilich auch den der
Dogmengeschichte ferner stehenden Gelehrten nicht
ganz verleugnende) Versuch gemacht, Langton als Gelehrten
wie als Theologen zu charakterisieren. (Ich
nehme gleich einige Urteile der folgenden Kapitel hinzu
.) Langton erscheint als der Mann des gesunden.
Blick für die Wirklichkeit sich bewahrenden Verstandes,
der überall die mittlere Linie liebt und nirgends mit der
Kirche seiner Zeit in Konflikt zu geraten wünscht. Sittliche
Fragen fesseln ihn mehr als spekulative; die Entscheidung
des Einzelnen mehr als ein großer systematischer
Aufriß; eine möglichst natürliche und gesunde
Entscheidung mehr als eine kunstvolle dialektische Leistung
. Als ein leidenschaftlicher Anhänger der Papstgewalt
erweist er sich nirgends; wo er kann, nimmt er
das natürliche und moralische Gesetz zum Maßstabe; in
kirchlichen Dingen ist er ein Anhänger des überlieferten
kanonischen Rechts; das Papsttum ist ihm als Schützer
dieses überkommenen Rechtes gegenüber jedem Übergriff
der weltlichen Gewalt wichtig und in seiner unumschränkten
Vollmacht über die Kirche auch darüber
hinaus unantastbar; aber soweit er kann, strebt er allen
Veränderungen des Geltenden auch durch das Papsttum
entgegen. Am geringsten ist der Ertrag von Powicke's
Arbeit für Langton als Exegeten; hier sind mit festen