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Ausgabe:

1929 Nr. 14

Spalte:

333

Autor/Hrsg.:

Heim, Karl

Titel/Untertitel:

Das Wesen des evangelischen Christentums. 4. u. 5., durchges. u. erweit. Aufl 1929

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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333

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 14.

334

Spranger, Eduard: Kultur und Erziehung. Gesammelte pädagogische
Aufsätze. 4., venu. Aufl. 11.—14. Tsd. Leipzig: Quelle
& Meyer 1928. (XVI, 290 S.) 8°. geb. RM 7.60.

Das ursprünglich kleine Bändchen Gesammelter
Aufsätze Sprangers ist von Auflage zu Auflage umfangreicher
geworden. Die vierte Auflage ist wieder um ;
einen Pestalozziaufsatz und um eine kritische Auseinandersetzung
mit Lindsev bereichert worden. Beide Aufsätze
fügen sich dem Ganzen ein, das auf Grundlage
deutscher Geistesgeschichte (Luther, Goethe, Pestalozzi,
Hölderlin, daneben Comenius und Rousseau) grundlegende
Probleme der Bildung (Allgemeinbildung und
Berufsbildung, Aufstieg der Begabten, Erziehung der
Frau, Schulreform, moderne Jugend, Eros und Erotik)
beleuchtet. Das Buch ist das Zeugnis eines Mannes,
der im Geiste des Idealismus und Humanismus an das
Ewige glaubt und darum gegen den nivellierenden
Zeitgeist protestiert. Trotz eines deutlichen Tones der
Skepsis in dem neu aufgenommenen Aufsatz über Lindsev
und die neue Jugend behält doch die Zuversicht das !
letzte Wort. Der Philosoph des „Verstehens" wird an
der Jugend nicht irre, weil ihn wirkliches Verstehen der
Jugend trotz allem hoffen läßt, daß die Jugend den
tieferen Sinn des Lebens ahnen und erfüllen wird. Aufgeschlossen
für alle Bewegtheit des modernen Lebens
hält Sp. unerschütterlich fest an den großen Imponderabilien
der deutschen Kultur: „Über aller Bewegtheit der
Gesellschaft wölbt sich zuletzt der alte Dom des
preußisch-deutschen Pflichtgedankens, das Ziel bezeich-
nend, das über uns allen ist''.
Düsseldorf. Kurt Kessel er.

Heim, Prof. Dr. Karl: Das Wesen des evangelischen Christentums
. 4. u. 5., durchges. u. erweit. Aufl. Leipzig: Quelle & Meyer
1929. (126 S.) kl. 8°. = Wissenschaft u. Bildung, 209.

Hlwd. RM 1.80.

Im ganzen ist das Buch das gleiche geblieben. Die entscheidende
Änderung und Erweiterung liegt am Schiuli, ab S. 116 unten. Es ist
«in Hinweis auf die Notwendigkeit einer äußern Kirchenverfassung, die
die Kirche unabhängig macht, eingearbeitet, sodal! nun die evangelische
Anschauung von der Kirche nach beiden Seiten, auch nach der äußern,
klar zum Ausdruck kommt.

Görtingen. E. Hirsch.

Kähler, Prof. D. Martin: Wie studiert man Theologie im
ersten Semester? Briefe an einen Anfänger. 4., durchges. Aufl.,
besorgt v. Paul Althaus. Leipzig: A. Deichert 1929. (IV, 72 S.) '
8°. RM 2.50. 1

Diese „Briefe an einen Anfänger" sind 1903 in 3. Auflage er- !
schienen. Haben sie nach 26 Jahren noch Wert? Mit dem Herausgeber
bejahe ich diese Frage. Wohl würde man heut Einiges anders
sagen, und — darin hat Althaus völlig Recht — eine Umarbeitung ■
im Hinblick auf die neue Lage war völlig unmöglich. Aber Kühlers
Ratschläge sind in weitem Umfang überzeitlich; manche sind gerade
heut wieder sehr aktuell (Lesen von A.T. und N.T. im Urtext!),
und wenn auch andere Sätze — wie der, daß die zweifelnde
Stellung zu allem völlig Unsinnlichen und Ubersinnlichen unserem Geschlecht
im Blut liege (S.63) — nicht ganz, der jetzigen Situation
entsprechen, so sind sie doch auch heut noch keineswegs antiquiert; ,
Althaus sagt mit Recht, daß die geistige Lage im Bürgertum und i
Proletariat so im Ganzen immer noch richtig bezeichnet werde.
Es ist also sehr dankenswert, daß das Büchlein neu ausgehen kann.
Althaus hat die Literaturhinweise ergänzt, einige Zeitangaben ge- j
ändert, einige Anmerkungen beigefügt. So können die „Briefe" 1
weiter ihren wertvollen Dienst an jungen Theologen tun.

Breslau. M. S c h i a n.

Geurts, Nico: Het huwelijk bij de griekse en romeinse
moralisten. Amsterdam: H. J. Paris 192S. (XI, 184 S.) gr. 8°.
Dies Buch ist eine fleißige Materialsammlung für
alle Fragen, die bei der Beurteilung der Ehe in Betracht
kommen, nämlich die Gründe für die Eheschließung, die
Gründe für Verwerfung der Ehe, die Aufgaben von
Mann und Frau in der Ehe, die Verwerfung der ehelichen
Untreue, die Einschränkung der Treuepflicht beim
Manne, der Begriff des fioiyog (nur auf Umgang mit
einer verheirateten Frau anwendbar), sexuelle Beschränkungen
eugenetischer und asketischer Art, Vorschriften
für den innerehelichen Verkehr, endlich das Recht der
Ehescheidung und die Wiederverheiratung. Wie der
Titel angibt, beschränkt sich der Verfasser auf die Philosophen
, die über moralische Fragen Vorschriften gegeben
haben; sonstige Schriftsteller, z. B. die Tragiker
und die Historiker, läßt er außer acht; ebenso wenig
behandelt er etwa die Ehe in Kultus und Religion. Die
Religion läßt er nur insoweit hinein spielen, als er Argumente
der Moralisten anführt, die dem Kult der Götter
und dem religiösen Pflichtenkreis entnommen sind; bezeichnenderweise
kommen solche Argumente nicht viel
zur Anwendung. Am ausführlichsten kommen Xenophon
Plato, Aristoteles und die Stoiker zu Worte. In jedem
Kapitel folgt der Verf. der Chronologie der Moralisten
und stellt ihre Meinungen etwas äußerlich neben einander
. Strittige Stellen werden diskutiert. Das letzte,
siebte, Kapitel gibt (dankenswerterweise) eine Zusammenfassung
der einzelnen Kapitel in deutscher Sprache.
Auch hier beschränkt sich der Verf. auf das Tatsächliche,
wie denn die ganze Arbeit kaum über das Niveau einer
guten Materialsammlung hinausführt. Als solche ist sie
brauchbar; man verlangt nun aber nach einer kultur-
und sittengeschichtlichen Vertiefung des Materials.
Leiden. IL Windisch.

Brathe, P.: Der evangelische Gottesdienst und sein Raum.

Erweiterter Vortr. v. III. Kirchenbaukonirreß 192S. Halle a. S.:
Buchh. d. Waisenhauses 1929. (39 S.) er. 8°. RM 2—.

B. geht mit Recht von der These aus, daß es Sache
der Baukunst sei, die praktischen Anforderungen an das
Kirchengebäude mit den ideellen in einer höheren Einheit
zusammenzufassen. Die ideellen Gesichtspunkte
lassen sich nur vom Wesen des evangelischen Gottesdienstes
her gewinnen. So untersucht denn der
Hauptteil der kleinen Schrift dieses Wesen. Br. definiert
den Gottesdienst als „Gemeinschaftsverkehr der
Gemeinde als solcher mit ihrem Gott mit dem Ziele der
Befestigung und des Zusammenhangs mit ihm und unter
einander" (S. 22). Den Zweckbegriff will er auf den
Gottesdienst nicht anwenden, wohl aber den der Zielstrebigkeit
. Br. kommt damit im Wesentlichen zu Ergebnissen
, wie sie z. B. Achelis und auch mein Grundriß
vertreten; doch sind seine Gedankengänge nicht nur
völlig selbständig, sie bieten auch manche besondere
Note; so gerade in der Unterscheidung von Ziel und
Zweck; so auch mit der Betonung des Umstandes, daß
die Kultgemeinde bereits eine Auswahl aus der Gesamtgemeinde
, „eine Freiwilligkeitsgemeinde in deren Rahmen
" ist (S. 13). Die weiteren Ausführungen über das,
was im Gottesdienst geschieht, bieten gleichfalls mancherlei
wertvolle Gesichtspunkte, ohne daß es möglich
wäre, hier auf Einzelheiten einzugehen (S. 27 ein störender
Druckfehler: Festentwicklung statt Fehlentwicklung
). Ein zweiter Teil zieht die Folgerungen für die
Gestaltung des Gotteshauses. Die Zielstrebigkeit
des Gottesdienstes will Br. räumlich-architektonisch zum
Ausdruck gebracht wissen. Das Ziel sei Gott selbst, mit
dem die Gemeinde in Verkehr tritt. Also müsse ein
Raumteil dasein, der der Gemeinde in Erinnerung ruft:
Gott ist gegenwärtig. So gelangt er zur Forderung
eines „Gnadenmittelraumes" als Ziel der Gesamtanlage
und Haupt des Bauorganismus (S. 34), in dem der
Altar den Hauptplatz hat. Den Kanzelaltar verwirft er;
die Kanzel will er entweder als Gegenstück zum Lesepult
vorn an eine Seite des Altarraums stellen oder, falls
kein Lesepult vorhanden, vor den Altar in die Mittelachse
der Bauanlage. Die dieser letzteren Lösung entgegenstehenden
(m. E. erheblichen) Bedenken sucht er
praktisch zu überwinden. In eine Diskussion über die
reichen Einzelgedanken einzutreten ist leider nicht möglich
. Bei sehr weitgehender Übereinstimmung empfinde
ich doch insofern etwas anders, als mir aus der Zielstrebigkeit
des Gottesdienstes nicht ohne weiteres jene
Folgerung auf räumliche Aussonderung eines Teils