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Ausgabe:

1929 Nr. 13

Spalte:

305-306

Autor/Hrsg.:

Cohrs, Ferdinand (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 32. u. 33. Jahrg 1929

Rezensent:

Cohrs, Aug. Ferd.

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305

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 13.

306

Möge Jannasch's Buch vor allem auch fernere Forschungen
auf dem Gebiete der Gottesdienst-Geschichte
anregen; zunächst in der von ihm selbst S. 178 gewünschten
Weise, daß festgestellt wird, ob es einen
reichsstädtischen Typus des lutherischen Gottesdienstes,
wie im Norden, so auch in Süd- und Mitteldeutschland
gegeben hat; dann aber auch weiterhin. Es ist auf
diesem Gebiete noch viel zu erforschen und zu lernen.
Ilfeld a. H. Ferdinand Coh rs.

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte
. Unter Mitwirkg. v. Geh. Konsist.-Rat Prof. D. Mirbt
u. D. Ferdinand Cohrs. 32. n. 33. Jg. Mit e. Bilde des f Vorsitzenden
Oberkonsist.-Rat D. Ph. Meyer u. mehr. Illnstrat. (Schliestedt
b. Schöppenstedt: Verlag d. Gesellschaft f. niedersächsische Kirchengeschichte
P. Dr. Wolters) 192S. (XXIV, 305 S.) gr. 8". RM 12—.
Für 3 Beiträge des reichhaltigen Heftes sei verwiesen auf die
bereits erfolgte Besprechung in dieser Zeitschrift: für den Nachruf
auf D. Philipp Meyer von C. Mirbt und den Anhang, der ein Verzeichnis
der Veröffentlichungen D. Meyers enthält, von Konv. Studiendirektor
Meyer-Loccum (S. VII—XXV) auf Th. L.Z. 1929 Sp.
155 f., sowie für D. Dr. Wotschkcs Aufsatz über „Die niedersächs.
Berichterstatter für die Acta hist.-eccl." (S. 218—276) auf Th.L.Z.
1929 Sp. 87).

Ein bedeutsames „Gedenkblatt zum 18. September
1926" als dem Tage, da vor 200 Jahren Mosheim die
Widmung seiner Institutiones an Konrad Detlev von
Dehn vollzieht, legt der Herausgeber des Heftes vor in
seinem Aufsatz „Johann Lorenz Mosheim, Institutiones
Hist. eccl. v. 1726" (S. 1—49) und erfüllt damit
eine Ehrenpflicht gegenüber dem „Vater der neueren
Kirchengeschichte", der als Lehrer an den niedersächsischen
Universitäten Helmstedt und Göttingen ein besonderes
Interesse der Ges. für niedersächs. KG. verdient.

Eingehendste Behandlung erfährt die den Institutiones vorangestellte
Präparatio, in der Mosheim die Grundsätze seiner Kirchen-
geschichtsschreibung niederlegt. Es wird nachgewiesen, dar) „die
Institutiones von 1726 im Mittelpunkt der kg. Arbeiten M.*s stehen:
die früheren führen auf sie hin, die späteren gehen von ihnen aus"
(S. 30). So vor allem hinsichtlich der Einteilung in interna et externa
historia. Methodisch neu ist freilich 1741 die Teilung der nach-
reformatorischen KG. in historia universalis et particularis, doch ist
sie 1726 noch nicht aktuell: M. hat damals noch causas hinge gra-
vissimas, die Darstellung der neueren KG. zu unterlassen, und denkt,
um sich für sie „erst noch hinreichende Praesidia zu sammeln",
einstweilen an eine Neuausgabe von Spanheims Introductio. Das
Schwergewicht liegt 1726 — das zeigt auch deutlich die dem Aufsatz
beigegebene Ubersicht über die gesamte von M. angeführte
Literatur (S. 40ff.) — auf M.'s wisscnschaftl. Heimatgehiet: der ältesten
KG- — Vf. legt besonderen Wert darauf, die von M. von der rite
gehandhabten Kirchengeschichtsschreibung erwarteten fruetus aufzuweisen
: es geht M. um mehr als um die Eingliederung der KG. als
eines „gleichberechtigten Lehrfachs" in die Theologie, um mehr auch
als um Belehrung derer allein, qui divino coetui praeficiuntur,
er denkt an eine allgemeine Wirkung seiner Arbeit auf die Gebildeten
in erbaulich-paränetischem und apologetischem Sinne. Daher
auch die von zeitgenössischen Rezensenten, deren zwei angeführt werden
bereitwilligst anerkannte „neue Art". Man hat diese vornehmlich
in einer gewissen Säkularisierung der KG., ihrer Oberleitung
aus der historia Sacra in die hist. ecclesiastica, ihrer Einreihung in
die „Gesamtheit der Geschichte" (S. 39) mit Recht gesehen und
begrüßt. Wohl nicht zuletzt im Blick auf Gottfried Arnold. Um so
bemerkenswerter ist M.'s eigene Stellung zu Arnold: kritisch gestimmt
ist er gegen dessen Schrift „Die Erste Liebe, das ist: Wahre
Abbildung der Ersten Christen nach ihrem leliendigen Glauben usw.",
doch durchaus zurückhaltend gegenüber dessen „Kirchen- und Ketzergeschichte
". „Mit ihr hat Arnold der historischen Forschung ein
ernstes Problem gestellt, dessen Bedeutung M., wie es scheint, gleich
erkannt hat" (S. 15), und wenn es ihn auch weiterhin stark beschäftigt
, ohne daß er es in majorem ecclcsiae gloriam zu lösen
wagt, so spricht das für die theologische Erkenntnistiefe gerade des
aufgeklärten Mosheim: Der rührige Apologet, der bewährte Propagandist
von theologischer Wissenschaft und Kirche gegenüber den
Gebildeten zeigt gerade an diesem Punkte, daß er mehr ist als das.

Das Heft bringt ferner den VIIL Teil (Schluß) des
im 25. Heft beginnenden Aufsatzes von Geh.- u. Oberbaurat
H. P fe if e r - Braunschweig über „Die Kirchenglocken
der Stadt Braunschweig" (S.
50—75).

Er enthält die Geschichte der Glocken des St. Blasius-Domes,
der heute 11 Läute- und 2 Uhrschlagglocken besitzt, von denen die

älteste aus dem 15. Jhdt. stammt, drei 1502 von Gerdt Wou van
Campen, sechs 1506 von dessen Schüler Hinrick van Campen gegossen
sind, eine 1700 umgegossen ist. Vf. gibt außer einer genauen
glockentechnischen und künstlerischen Beschreibung der Glocken (mit
5 Abbildungen) einen Bericht über deren Gebrauch und musikalische
Bewertung und bietet für Fachleute viel Wertvolles.

Der Beitrag von Lic. theol. Hugo Höver (jetzt
Ihlienworth) „Untersuchungen über die Re-
formationsgeschichte des Fürstentums
Osnabrück unter den Bischöfen Erich II. von Grubenhagen
und Franz I. von Waldeck" ist der Abdruck
einer Göttinger theol. Dissertation.

Hövers „Ausführungen sollen die Lücke ausfüllen, die durch
| den Mangel einer kritischen Darstellung der Osnabrücker Refor-
i mationsgeschichtc hervorgerufen wird." Auf Grund eingehender Verwertung
der Quellen (wie Dietrich Lilies Bischofschronik, Caspar
: von Scheies Biographie des Bischofs Franz von Waldeck, der Werke
j Hermann Hamelmanns u.a.m.) leistet Vf. für die Kenntnis der Ref.-
i Gesch. Osnabrücks, zumal unter Franz von Waldeck, den gleichen
j Dienst, wie es für Münster F. Fischers Werk „Die Reformationsver-
I suche des Bischofs Franz von Waldeck im Fürsthistum Münster"
i (Hildesheim 1907) tut. Die Eigenart der vorreformatorischen Ver-
1 hältnisse in Osnabrück — „Mangel einer zentralisierten Verwaltung
und Rechtspflege", „überragender Einfluß der Landstände", auch,
wie Vf. meint, besondere sittliche Verwahrlosung des Klerus — wird
durch den Vergleich mit den allgemeinen Zuständen im vorrefor-
: matorischen Deutschland herausgestellt. Ist auch die Politik des
I Bischofs Erich II. von Grubenhagen (gest. 1532) für die Entwicklung
i der Reformation in Osnabrück nicht ungünstig, so führt doch das
I Auftreten des Augustiners Gerhard Hecker und Adolf Clarcnbachs
I noch keinen vollen Erfolg herbei. Erst Franz von Waldcck, aus
persönlichen und auch aus politischen Gründen der Reformation zu-
j getan, doch selbst durch Bindung ans Domkapitel wie durch außen-
| politische Verhältnisse vielfach gehemmt, ermöglicht ihre Durchführung
: Dietrich Buthmaun, dessen Persönlichkeit durch Höver
j eine einleuchtende Ehrenrettung erfährt und dessen hier erstmalig
seit 1533 wieder abgedruckten „44 Thesen" das „unverfälschte
Luthertum" Butlnnanns ans Licht rücken sollen, und endgiltig der
| Lübecker Superintendent Hermann Bonnus, dessen Kirchenordnungen
j für Stadt und Land ausführlich gewürdigt werden, verwirklichen
j die Reformation. Trotz ungünstiger Einwirkungen c!es verlorenen
; Schmalkald. Krieges hält sich die Reformation in Osnabrück nach
j dem Urteil des Vf.s gerade deshalb, weil sie nicht landesherrlichem
I Machtspruch sondern der Einwurzelung im städtischen Bürgertum
I ihre Festigkeit verdankt. — Störend sind die offenbar ans einer
| ersten Publikation stehen gebliebenen, der vorliegenden nicht angepaßten
Hinweise auf Seitenzahlen des Textes.

Friedrich Uhlhorn-Meensen untersucht „Die Be-
I deutungGeorgCalixtsfürdie lutherische
i Kirche der wel fischen Lande" (S. 201—217).

Entgegen dem Urteil Hases vom „spurlosen Vorübergehen" der
Theologie Calixts weist Vf. dessen „tiefe Einwirkung" auf das kirchliche
und theologische Leben fast ganz Niedersachsens nach. „Vor
allem hat er (Calixt) den Geist der .Moderation', der den Nieder-
| Sachsen im Blute liegt, gestärkt und Pastoren und Gemeinden vor
| allen Extremen bewahrt", doch zugleich dem Rationalismus nicht un-
I erheblich vorgearbeitet. So überzeugend Vf. Calixts theologische Be-
j deutung gegenüber der erstarrten Orthodoxie nachweist, so wenig
vermag doch auch er sich den höchst bedenklichen Seiten seiner
j Einwirkung auf das kirchliche Leben wie theologischer Dünkel-
i haftigkeit — daher die durch ihn stark geförderte Bekämpfung des
Pietismus — und zumal der bewußten Förderung des staatlichen Absolutismus
auch im innerkirchlichen Leben bis hin zum „Servilismus"
(S. 205) zu verschließen. Der Hinweis auf zeitgeschichtliche Not-
, wendigkeiten reicht da nicht aus, um eine wirklich „theologische"
und „kirchliche" Bedeutung Calixts nicht doch recht fraglich erscheinen
zu lassen, und Uhlhorn gibt selbst zu, daß „Calixts Fehler
darin steckte, daß er im Grunde kein Verständnis für die Reformation
" gehabt habe (S. 212).

Der Vf. der Wichernbiographie, Lic. Dr. Gerhardt-Hamburg,
berichtet (S. 277f.) über „Die Vorfahren Johann Hinrich
Wicherns".

Als Miszellaneen sind dem Heft beigefügt: „Ein Goethejubiläum
, 30. Novbr. 1927" mit Wiedergabe des Entwurfs
der Predigt, die Superintendent Roitzsch in Ilfeld gehalten hat an
jenem Sonntage, da Goethe in Ilfeld nächtigte, um von da aus seine
„Harzreise im Winter" anzutreten, vom Hsgbr. Ferner von demselben
eine ausführliche Besprechung von Zimmermanns „Album
der Hclmstedter Universitä t". Von Lic. Ernst ein Verzeichnis
über „Die Prediger der Gemeinde Beverstedt
seit der Reformation".

Hannover____Aug. Ferd. Cohrs.