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Ausgabe:

1929 Nr. 13

Spalte:

295

Autor/Hrsg.:

Taylor, Arthur F.

Titel/Untertitel:

Meditations in Ecclesiasticus 1929

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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295

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 13.

296

zurückreichen. Auch die Beziehung des Bundesbuches
auf die Jehurevolution hängt in der Luft; denn das, was !
wir von dieser allein sicher zu fassen vermögen, ihre J
Spitze gegen den phönikischen Kult und das diesen be- !
günstigende Königshaus, kommt darin gar nicht zum
Ausdruck. Und über den griechischen Parallelen werden
die doch immer noch wichtigen orientalischen mit einer !
Handbewegung abgetan (S. 44 f.). Schade, daß die
so manchen guten Gedanken enthaltende Arbeit nicht
etwas vorsichtiger ausgeführt ist und der Lückenhaftigkeit
des Materials und der Unsicherheit aller solcher
Konstruktionen besser Rechnung trägt.
Gießen. w". Baumgartner.

Taylor, Arthur F., M. A.: Meditations in Ecclesiasticus. with i
Foreword bv the Very Rev. G. K. A. Bell, D. D., Dean of Ganter- ,
bury. London: J. Clarke & Co. 1928. (238 S.)
Von Interesse als Versuch eines Kirchenmannes, eines der sonst !
selten unter diesem Gesichtspunkt betrachteten Apokryphenbiicher
— und ohne Frage dasjenige, das dafür besonders geeignet ist — |
praktischer Verwertung dienstbar zu machen. In schlichter natür- I
lichcr Weise, ohne dem Wortlaut oder Sinn Gewalt anzwtun, aber !
mit großer religiöser Warme werden einzelne Stellen kurzen Be- j
trachtungen zugrunde gelegt: 1,1 The soiirce of all wisdom, 2,1 i
The diseipline of life, 2,2 The folly of impatience, 3,3 Filial affec- j
tion, 3,21 The limit of metaphysics usw. Den im praktischen Amt
stehenden Theologen sei das Buch zur Beachtung empfohlen.
Gießen. W. Baumgartner.

Weber, Wilhelm: Römische Kaisergeschichte und Kirchengeschichte
. Stuttgart: W. Kohlhammer 1929. (öS S.) gr. S".

RM 3-.

Der auf der Jahrestagung der kirchengeschicht-
lichen Gesellschaft gehaltene Vortrag behandelt das im
Titel genannte Thema vom Standpunkt des Historikers
des Imperium Romanum. Der Verfasser sucht keine
Gesamtübersicht, sondern einzelne charakteristische Bei- |
spiele zu geben. Zunächst wird über die sprachlichen
Probleme gehandelt, die Erhebung der „christlichen"
Sprache in die griechisch-philosophische Sphäre, und j
die Bedeutung Tertullians für die Christianisierung der j
lateinischen Sprache. Es folgen Bemerkungen über die j
literarischen Formen christlicher Schriften im Vergleich |
mit heidnischen, über die Ausnutzung der Inschriften,
der Münzen und der Kunstdenkmäler für die Geschichte
des Christentums im römischen Reich. Endlich
wird auf das Verfassungsproblem der Kirche hingewiesen
, das durch die Beziehung auf die Verfassungs-
formen im römischen Reich, die selbst stark in Umbildung
begriffen waren, aufgehellt werden kann. An diesen
Einzelbeispielen werden die Beziehungen der beiden
Disziplinen der Kaisergeschichte und Kirchengeschichte
in recht anregender Weise klarzulegen versucht. Wenn
es natürlich bei der Beschränktheit des Raumes nur
eine Skizze sein konnte, die Weber vorlegt, so kann der
Kirchenhistoriker aus diesem Vortrag mancherlei lernen, j
Münster i. W. G. Grützmacher.

Seeberg, Erich: Luthers Theologie. Motive u. Ideen. 1.: Die
Gottesanschauung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1929. (6*, j
218 S.) gr. 8°. RM 14—.

Man kann Luthers Theologie dogmatisch-systemati- j
sierend herausarbeiten oder psychologisch-religionsge- j
schichtlich analysieren oder ihm spekulativ-ideengeschichtlich
nahe kommen. Das groß angelegte Lutherwerk
, dessen 1. Teil vorliegt und das noch die Sakramentslehre
, die Christologie und die Anschauung von
Leben und Tod untersuchen will, gehört seiner Methode
nach in die ideengeschichtliche Forschung. Durch
gründlichste Quellenarbeit, welche sich vorwiegend auf
die beiden großen Kommentarwerke von 1513—16, auf
die Schriften des Abendmahlsstreites und De servo
arbitrio stützt, sucht der Verf. Motive und Ideen der
Theologie Luthers, theologische Leitlinien herauszu- j
stellen, die häufig in das Grenzgebiet von Theologie j
und Philosophie hinüberführen. Er sieht im religiösen |

Erleben oder Erfahren das Primäre; zutiefst liegt das
religiöse und ethische Urgestein (S. 31. 34. 41), aber
vom Fühlen ist das Denken untrennbar (108), das Erlebte
nimmt gedankliche Form an, und diese, sei es daß
sie aus Metaphysik (31), Logik oder Naturphilosophie
(35) oder Scholastik (108) stamme, gibt dem Ganzen
das Gepräge und schafft die theologische Individualität
durch Umbildung, Neuerung, ja durch produktives Mißverstehen
(Luthers Deus absconditus 144). Die Arbeit
Seebergs ist in diesem Sinn geistesgeschichtlich eingestellt
; sie sucht die Leitlinien der Theologie Luthers wie
die Verbindungslinien, die nach rückwärts zu den Großen
des Mittelalters wie vorwärts in die Neuzeit führen.
Zweierlei kennzeichnet den großen geschichtlichen Horizont
: die scharfe Heraushebung der theologischen Eigenart
Luthers, die mehrfach die Gegensätze gegen
frühere wie spätere neu und glücklich trifft, und zugleich
in höherem Maße, als wir es bei der letzten
Lutherforschung gewohnt sind, der Aufweis von inneren
Zusammenhängen: mit Tauler (44f. 52f. 124), dem
Katholizismus (89), dem Humanismus (87), dem deutschen
Idealismus (85): ein Beweis, wie weit bei theologischer
Akribie die geistesgeschichtliche Zusammenschau
des Einzelnen gefaßt ist. Käme man an einzelnen Brennpunkten
m. E. durch den Versuch psychologischen Nachgrabens
noch mehr in die Gründe und Abgründe, so
doch bald wohl an die Grenzen begrifflicher Wissenschaft
, während durch Seebergs theologisch-ideengeschichtliche
Methode wichtigste wissenschaftliche Ergebnisse
geboten werden.

Der erste Teil schildert (wie der Aufsatz des Verf.s
in ZKG. 46, 537, der eine vorherige Zusammenfassung
der vorliegenden Arbeit bildet) an Thomas, Biel, Tauler,
Erasmus vier für Luther wichtige Typen mittelalterlicher
Gottesanschauung. Die Gotteslehre des Thomas
wird nicht aus der abendländischen Fragestellung nach
der salus anhnarum sondern aus dem griechischen Intellektualismus
hergeleitet. Obgleich in die Gottesvorstellung
des „actus purus" im Unterschied von Aristoteles
der Gedanke willentlichen Handelns eindringt, ist
das Ergebnis: „diese Gotteslehre ist philosophisch, aus
metaphysischen Erwägungen über das Universum und
sein Leben hervorgegangen" (16). Bei Gabriel Biel ist
der Ansatzpunkt der Gotteslehre entscheidend verschoben
: Gott wird nicht gefunden aus dem Begriff der
prima causa sondern vom Seligkeitsideal des Deo frui
aus, also „analytisch". Der Verf. denkt dabei an mystische
Einflüsse durch die Brüder vom gemeinsamen
Leben; wie steht es mit dieser methodischen Frage bei
Occam? Die nominalistische Gotteslehre bedeutet so
„die Wendung vom Griechisch-Intellektualistischen fort
und zum spezifisch Okzidentalisch-Heilsmäßigen hin"
(20). Stark wird sodann die Zweischichtung der Gottesauffassung
nach potentia absoluta und ordinata, Irrationalismus
und Rationalismus, unbekanntern und durch
Denken erreichbarem Gott, „Macht und Moral" als
Niederschlag zweier Frömmigkeitsweisen herausgehoben,
die in Discrepanz bleiben (31). Der Sinn des Ganzen:
„Das Drängen der Zeit auf Persönlichkeit und Innerlichkeit
ist auch in den Nomirialismus hineingeschlagen"
(25). In Taulers Gottesbegriff werden, obgleich der
sittlich-religiöse Prozeß das letzte Verständnis gibt (31),
die metaphysisch-theologischen Motive gesucht, so wenn
es heißt, daß das Denkerlebnis auf seiner Höhe zum
Gotteserlebnis wird (37), eine treffende Formulierung,
wobei freilich dies Denken in seiner Einzigartigkeit gefaßt
werden muß. Und die tiefe Scheidung von der
Welt des Thomas bleibt bestehen, wie auch die Substanzmetaphysik
der Gotteseinung durchkreuzt wird durch
psychologische und ethische Umformung der Einung;
das Gottesverhältnis ist eher theopantistisch als panthe-
istisch (55). Die Verwandtschaft mit Luther scheint mir
ebenso überzeugend wie der Abstand ron ihm getroffen
zu sein: die gleiche via passionis, aber bei Tauler das
gottverwandte Fünklein, das selbsttätige Anfangen des