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Ausgabe:

1929 Nr. 1

Spalte:

9-11

Autor/Hrsg.:

Günther, V. H.

Titel/Untertitel:

Hans Nielsen Hauge, Norwegens Erwecker 1929

Rezensent:

Moe, Olaf

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 1.

Ii)

Papst mit weißer Sutane (S. 135), die Kardinäle mit
dem Purpur (S. 139), er baut den Cisterziensern
Glockentürme, die sie verschmähten (S. 143. 156 u. o ).
S. 90 erfahren wir, daß nach dem Tode Julius' III.
1185 die Tiare" an „Mgr. Crivelli" als Urban III. kam.
Bedenklich ist, daß S. 226ff. statt Innocenz III. beharrlich
Innocenz IV. steht (S. 84 muß es statt 1284
natürlich heißen 1184). Auch wäre Aegerter kein Franzose
, wenn er nicht geschlechtliche Erinnerungen weckte
(S. 34) und die Begegnisse besonders ausmalte, in denen
die Weiblichkeit eine Rolle spielt (S. 38 f. 48 f.). Er
will aber über den keuschen Pilger nicht lächeln: „la
virginite est utile aux prophetes" (S. 49). Ist die Lebensbeschreibung
, die Dom Gervaise dem Abte von
Floris widmete,' salbungsvoll, wie Ae. hervorhebt, so
entbehrt die seine nicht des prickelnden Reizes. Er versteht
es aber anderseits auch, sich in die Gedankenwelt
(oachims hineinzudenken. So ist S. 105 ff. der Zusammenhang
seiner, nachher kirchlich beanstandeten, Drei-
faltigkeitslehre mit seiner apokalyptischen Geschichtsbetrachtung
gut getroffen. Auch die Fäden, die ihn mit
der griechischen Kirche verbinden, sind nicht übersehen
(S. 61. 104). Freilich hätte erwähnt werden können,
daß er sich mit seiner Zuweisung des A. T.s an den
Vater allein ebenso von der griechischen wie von der
abendländischen Theologie entfernte, die beide in der
Schöpfung und in den alttestamentlichen Gotteserscheinungen
und Offenbarungen bereits den Sohn wirksam
fanden. Übrigens bereitet sich ja auch bei Joachim je
inmitten eines Zeitabschnittes bereits der folgende vor.
Der Gedanke aber, daß das A. T. die Zeit der Verheirateten
, das N. T. die des Klerus und die kommende
Herrschaft des Parakleten und des „ewigen Evangeliums
" die Zeit der Mönche sei, läßt sich unschwer als
Erweiterung und Fortführung tertullianischer Gedanken
verstehen. Nicht übel nennt Ae. die ganze Geschichtszeichnung
Joachims eine „theologische Algebra"
(S. 16), ihn selber einen „Geschichtsgeometer" und „Logiker
der Zukunft" (S. 177). Seine ganze Mystik entspringt
grübelndem und rechnendem Verstände, nicht
irgendwelchen Wallungen des Gemüts, wie er ja auch
nicht Prophet, sondern nur Schriftdeuter sein wollte.
Trotzdem liegt in seiner Schrifterklärung etwas von dem
..moralischen Dynamit" der „Paroles d'un croyant" des
Lammenais (S. 212). Vielleicht wäre es näher gelegen,
dem „geometrischen Geist" des Abtes von Floris den
sich als wirklichen Propheten fühlenden Prior von San
Marco gegenüberzustellen. Der II. Band bringt Auszüge
aus der Concordia Novi et Veteris Testamenti, der Erklärung
der Apokalypse und dem Psalterium decem
cordariim in französischer Übersetzung aufgrund der
Venediger Ausgabe 1519, mit verbindenden Bemerkungen
und erläuternden Anmerkungen. Diese letzteren
härten da und dort vermehrt werden dürfen, z. B. S. 59
zu dem die Siebenzahl beleuchtenden Satz, daß in der
römischen Kirche „sept eveques furent designes". Damit
werden die 7 Kardinalbischöfe gemeint sein. Daß
seine Übersetzung bei aller Feinheit manchmal recht ungenau
ist, hat Buonaiuti in den Ricerche Religiöse
192S, Nr. 3, S. 269 f. hervorgehoben und an einem bezeichnenden
Beispiele dargetan.

München. Hl|gu Koch.

Günther, Pfarrer Dr. V. H.: Hans Nielsen Hauge, Norwegens
Enrecker. Neumünster: Christopherus-Verlag 1928. (288 S. m.
Abb.) gr. 8°. Seb. RM 6.50.

Der große Laienprediger Norwegens, der 1824 gestorbene
Bauernsohn Hans Nielsen Hauge und die von
ihm entfachte norwegische Erweckungsbewegung verdient
auch in anderen evangelischen Ländern besser gekannt
zu werden, als die bisherige Literatur über ihn es
möglich machte. Daß in den allerletzten Jahren das
Interesse für Hauge gerade in Deutschland erwacht ist,
beweist u. a. die Übersetzung von Jacob B. B u 11 s dichterischen
Bearbeitung seines Lebens (durch Pauline

! Klaiber-Gottschau, Stuttgart 1926), gleichwie der Vortrag
des Pfr. Erling Grönlands über Hauge auf
der Tagung der allgem. ev. luth. Konferenz in Oslo
1925 in einem deutschen Verlag erschienen ist (im Heftchen
: „Henric Schartau und Hans Nielsen Hauge".
Stuttgart 1926).1 Zwar hatte das Auftreten von Hauge
zunächst nur landeskirchlich beschränkte Bedeutung und
seine Schriften wurden außerhalb Norwegens und Dänemarks
Grenzen kaum beachtet (Nur eine, seine Lebensund
Reisebeschreibung wurde ins Deutsche übersetzt,
1819). Allein, indirekt hat dieser klassische Laienprediger
auch viel weiter gewirkt, und es war gewiß eine
richtige Empfindung des Christophorus-Verlages in Neumünster
, wenn er meinte, daß die Hauge'sche Bewegung
nicht bloß lokal-geschichtliches Interesse hätte, sondern
aktuelle Bedeutung für die protestantische Kirche auch
in anderen Ländern, indem sie Licht werfe auf die namentlich
in Deutschland stets brennende Frage des Verhältnisses
zwischen der Gemeinschaftsbewegung und der
Kirche. Daher veranlaßte der Verlag den deutsch-evangelischen
Pfarrer in Oslo, den literarisch sehr rührigen
Dr. V. H. Günther, dazu, eine wissenschaftlich zuverlässige
Bearbeitung von Hauges Leben und Wirken für

i deutsche Leser zu liefern. Auf Wunsch des Verlegers ist
die Darstellung populär gehalten, damit möglichst weite
Kreise erreicht werden können. Aber andererseits hat

l der Verfasser auch die Forderungen der Wissenschaft

i nicht zurückgestellt, sondern sowohl Hauges eigene
Schriften als die vorhandene Literatur über das Thema
vollauf ausgenützt.

| Allerdings befand er sich hier insofern in einer
schwierigen Lage, als es auf norwegisch bisher noch

i keine streng wissenschaftliche und erschöpfende, Bear-

| beitung des Gegenstandes gab. Die umfassendste Darstellung
von Hauges Leben und Wirken, die Mono-

i graphie des damaligen Professors und nachmaligen Bischofs
von Oslo, D. A. Chr. Bang, „Hans Nielsen
Hange og hans Samtid", 1874 erschienen und noch 3

j mal aufgelegt, war zu sehr aus einer übrigens berechtig-

: ten Reaktion gegen die harte Verfolgung des Laienpredigers
seitens der zeitgenössischen Landeskirche her-

' ausgeboren; um die kirchliche Berechtigung von Hauges
formell ungesetzlichem Auftreten darzutun (es verstieß
gegen den sogenannten „Konventikelplakat") hat Bang
ihn vor allem als den Vertreter des alten Glaubens

| gegenüber dem Rationalismus der damaligen norwegi-

! sehen Geistlichkeit dargestellt, wobei er dieselbe in ail-

1 zu dunklen Farben geschildert hat. — Bei dem populären
Zwecke von Günthers Buch konnte es nicht verlangt
werden, daß er ein ganz Neues pflügen sollte; er
mußte sich darauf beschränken, die vorhandene Literatur
mit Kritik zu benutzen. In der Darstellung von Hauges
Leben und Reisen konnte er im ganzen Bang folgen,
indem er nur seinen einseitigen Urteilen möglichst entging
. In seiner Charakteristik von Hauges Persönlich-

: keit, Glaubenslehre, Verkündigung, Schriften usw. (vgl.

| den Abschnitt „Wesen und Wege") dagegen geht Dr.

■ Günther mehr seine eigenen Wege. Die Auffassung
von Hauges christlicher Anschauung und Stellung zur

. Kirche scheint mir im ganzen durchaus treffend, und die
ganze Charakteristik überhaupt sehr wohlgelungen, obwohl
das sogenannte „Testament Hauges an seine
Freunde" zeigt, daß derselbe doch wohl der rechten

1 Lehre eine größere Bedeutung beigelegt hat, als der
Verfasser es wissen will.

Ein ganz besonderes Interesse hat der letzte Teil

! von Günthers Arbeit: „Laien und Kirche in Norwegen

[ vom Tode Hauges bis zur Gegenwart". Hier vergleicht
er die Entwicklung der späteren norwegischen
Laienbewegung mit den in Hauges Testamente aufgestellten
Grundsätzen, indem er besonders die Fragen
der Organisation und der Stellung zur Kirche ins Auge
faßt. Hauge selbst hatte die erste Frage im negativen,

1) Schon früher erschien eine Biographie auf französisch von Paul
Büchsenschütz, Ganors 1901.