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Ausgabe:

1929

Spalte:

273-275

Autor/Hrsg.:

Hagen, August

Titel/Untertitel:

Staat und katholische Kirche in Württemberg in den Jahren 1848-1862 1929

Rezensent:

Bossert, Gustav

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griff der Metaphysik konstituierenden Momente werden
herausgehoben und das sachlich Zusammengehörige auch
unabhängig von der Anordnung des Suarez behandelt.
Dadurch wird das Verständnis dieser Disputation wesentlich
erleichtert. Laßt bei der Aufhellung eines Begriffes
Suarez selbst uns im Stich, weil er seine Bedeutung
als bekannt voraussetzt, so werden die betreffenden
Ausführungen „gleichzeitiger" Scholastiker
(z.B. Mastrius, Arriaga, Fonseca) zur Erläuterung herangezogen
. Ferner liegt die kommentierende Leistung
des Verf.s vor allem in der Aufhellung der Beziehungen
der Gedanken des Suarez zu Aristoteles und zur scholastischen
Tradition. Bergen doch „die Scheuern der 1.
Disputation die Ernte von zwei Jahrtausenden". Der
dritte Teil, der die literarische Form der Disputationes
.Wetaphvsicae behandelt, stellt dieses Werk als Ganzes
in die scholastische Tradition hinein und zeigt, wie diese
erste vom Text des Aristoteles losgelöste, selbständige
Untersuchung über das Gesamtgebiet der Metaphysik in
der Form des Svstems aus mannigfachen Vorformen
herausgewachsen Ist. Ein Schlußabschnitt über den „Gegenstandsbereich
der Metaphvsik bei Suarez und bei
Wolff" zieht die Linie bis zu' dem Punkt aus, wo diejenige
Form von Metaphvsik geschaffen war, die Kant
zum Ausgangspunkt seiner Kritik gemacht hat. Während
Suarez durch seine Begriffsbestimmungen die Ontotogie
als allgemeine Metaphysik und die natürliche
Theologie als besondere Metaphysik zu einein einheitlichen
Gesaintgebiet zusammenzufassen versucht, treten
bei Wolff allgemeine und spezielle Metaphysik auseinander
. Die erstere umfaßt die Ontotogie, die letztere
außer der natürlichen Theologie auch die rationale Psychologie
, die in der Scholastik zur Physik gehörte, und
die allgemeine Kosmologie, die Wolff nach seinen eigenen
Worten als Wissenschaft neu geschaffen hat. Obwohl
Wolff darauf verzichtet, diese Erweiterung des
üegenstandsbereiches der Metaphvsik zu begründen, vermag
der Verf. von der scholastischen Tradition ausgehend
die Gründe aufzuweisen, die Wolff zu dieser
Neugestaltung veranlaßt haben.

S. 8 Z. S v. u. lies 1,1, 24 statt 1, 1, 34.
GieBen. P. Brunner.

Hagen, Dr. theo), et rer. pol. August: Staat und katholische
Kirche in Württemberg in den Jahren 1848—1862. 2 Tie.
Stuttgart: F. Enke 192S. (X, 272 u. VI, 334 S.) gr. 8°. m Kirchen-
rechtliche Abhdlgn., H. 105/106 u. 107 108. RM 49 -.

Das umfangreiche Buch über die württembergischen
Konkordatsverhandlungen in den fünfziger Jahren
des 19. Jahrh.s verdankt seine Entstehung nicht den
gegenwärtigen Verhandlungen der einzelnen deutschen
Länder mit der römischen Kirche, sondern ist der Ertrag
langjähriger Vorarbeiten, welche der einstige Repetent
am "Tübinger Wilhelmsstift und jetzige Pfarrer in Poltringen
nach gründlichen juristischen und staatswissenschaftlichen
Studien gesammelt hat. So haben wir jetzt
eine eino-ehende und wohl abschließende Darstellung der
früheren" Konkordatsverhandlungen von katholischer
Seite. Der Leser wird jedoch gut tun, auch die früher
auf evangelischer Seite erschienenen Arbeiten mit zu berücksichtigen
, vor allem die knappe, aber gute Darstellung
Christoph Kolbs in der Württ. Kirchengeschichte
1893, S. 669—683, welche an der vorliegenden
Arbeit gemessen nur an wenigen, mehr nebensächlichen
Punkten richtig zu stellen oder zu ergänzen ist. Die
katholische und evangelische Beurteilung wird nie ganz
zusammen stimmen. Auf katholischer Seite darf man
sich über den wertvollen Beitrag zur Geschichte des
jetzt über lOOjähr. Rottenburger Bistums freuen. Für
die württ. Landesgeschichte ist es von Wert, eine solch
umfassende, die benachbarten Länder und Bistümer berücksichtigende
Beschreibung der Entstehung des wichtigen
Gesetzes vom 30. Januar 1862 betreffend die
Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen
Kirche zu besitzen. Dieses Gesetz bedeutete

den Abschluß eines jahrzehntelangen Kampfes um die
Selbständigkeit der katholischen Kirche gegenüber einem
absoluten Staat, der seit Jahrhunderten nur mit der evangelischen
Kirche gerechnet hatte und ganz mit ihr verwachsen
war, aber seit der napoleonischen Zeit sich um
eirt Drittel katholischer Bürger vermehrt hatte und deren
religiösem Empfinden entgegenkommen wollte und
mußte.

Eine reiche Literatur lag vor aus den sturmdurch-
tobten Tagen der Verhandlungen mit viel schiefen und
irrigen Parteiurteilen, durch welche eine Bahn für eine

: klare wissenschaftliche und möglichst unparteiische Dar-

| Stellung gebrochen werden mußte. Darum hat sich der
Verf. redlich bemüht. Freilich wird der evangelische
Leser den Eindruck nicht tos, daß die katholische Presse
milder beurteilt wird als die evangelische und daß die

! evangelischen Besorgnisse in ihrer ganzen Tiefe nicht
gewürdigt sind. Der Eintritt des Redakteurs des Deutschen
Volksblatts Florian Rieß in den Jesuitenorden
wird nicht berichtet, dieser nur nebenbei zweimal erwähnt
, überhaupt die Führer der radikal römischen Richtung
kaum mit Namen genannt; auch der Übertritt des
Prinzen Paul von Württemberg wird nur in einer An-

; merkung berücksichtigt, obwohl dieser wesentlich mit
beitrug zu dem seltsamen Gerücht von dem drohenden
Übertritt seines Bruders, des regierenden Kontos

! Wilhelm.

Von Wert sind vor allem die im Anhang mitgeteilten
19 Aktenstücke, von denen 13 seither ungedmekt
und so gut wie unbekannt, die übrigen z. T. nur schwer
i zugänglich und darum wenig beachtet waren. Es handelt
sich dabei um die Forderungen des Rottenburger
j Bischofs von 1848ff. und ihre Berücksichtigung in den
j nicht zur Ausführung gekommenen Verfassungsent-
! würfen von 1849 und 1850, die Übereinkunft zwischen
1 der Regierung und dem Bischof von 1854, die päpstliche
I Verwerfung dieser Übereinkunft, die päpstlichen Grund-
| lagen für eine neue Übereinkunft, den päpstlichen und
, den württembergischen Konventionsentwurf, die Konventionsbulle
„Cum in sublimi prineipis" vom 22. Juni
1 1857, die Bekanntmachung dieser Bulle durch die Regierung
und die Beilagen zur Konvention, darunter die
: päpstliche Instruktion an Bischof Lipp, den Gesetzesent-
i wurf vom 26. Februar 1861, die Erklärung des Papstes
, wegen der Außerkraftsetzung der Konvention, die päpst-
| liehe Antwort auf die Anfrage des Fürsten von Hohen-
1 lohe-Waldenburg, wie sich die Katholiken in der ersten
i Kammer bei der Erörterung des Gesetzes benehmen
sollen, das päpstliche Schreiben vom 17. Dezember 1861
i über die Unverbindlicbkeit des Staatsgesetzes für den Bi-
; schof, das Gesetz vom 30. Januar 1862 und das päpst-
i liehe Schreiben vom 20. September 1S62 an die Regie-
' rung, daß der Bischof sich von jetzt an nur an das ge-
, meine Recht der katholischen Kirche zu halten habe, da
; das Konkordat weggefallen sei und die katholische
! Kirche nicht ohne ihre eigenen Gesetze bestehen könne
i Weiter enthält das Buch (II, 128ff.) die Kanzelan-
! spräche des Königs als summus episcopus an seine Glau-
! bensgenossen über die geplante Neuregelung und das
i Gerücht von dem Übertritt des Königs; die Ansprache
| war aus der Feder des Ministers Rümelin geflossen,
, dessen Liberalismus der Verf. hohes Lob zollt, der aber
l den gleichen Fehler der Unterschätzung der Volksmeinung
und des Parlamentarismus machte wie die Kurie.
Schon der Hinweis auf diese Beilagen zeigt, daß der
i Verf. alle in den württembergischen Ministerien und Ar-
: chiven sowie im Rottenburger Ordinariat liegenden Ak-
I ten benützen konnte; leider war ihm das in Rom liegende
Material „aus naheliegenden Qründen" nicht zugänglich
.

Der Stoff ist zerlegt in fünf Kapitel, deren zwei
erste den ersten Teil des Werkes bilden und die Jahre
1848—1857 umfassen. Die Einleitung gibt einen truten
Überblick über die rechtliche Lage der katholischen
' Kirche in Württemberg vor dem J. 1848. Das erste