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Ausgabe:

1929 Nr. 11

Spalte:

252-253

Autor/Hrsg.:

Holtzmann, Robert

Titel/Untertitel:

Der Kaiser als Marschall des Papstes 1929

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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251

Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 11.

252

Apparat weder dem Text der Rekonstruktion genügt,
noch den Intentionen der Einleitung voll entspricht.

Es ergibt sich zunächst, daß V. wichtige Handschr.
mit Sonderlesarten wie a und r nicht durchgehend verwertet
, während Schreibfehler und überflüssige Rechtschreibungsvarianten
notiert werden. Beispiele: Mt. 25,
42 esurii und esurivi. 25, 14 bei ff. servus (statt servos),
dafür wird ausgelassen, daß r h statt bona „substan-
tiam" lesen. Gegen die Textrekonstruktion wird man,
nach den vorgenommenen Stichproben zu urteilen, kaum
etwas Ernsthaftes einwenden können, auch wenn man
hie und da eine andere Lesart in den Haupttext nehmen
würde, die V. im Apparat unterbringt. Z. B. Mt. 25,18
accepit mit b ff q r h statt acceperat (wie V.) mit
g'ff'vgl. Die Zahl der Abweichungen schwankt auf
den einzelnen Seiten und in den verschiedenen Evangelien
. Auf S. 140 würde Rez. etwa 14 mal anders gelesen
haben, (in 24 Textzeilen) auf S. 137 7 mal, dagegen
S. 173 in dem an Varianten nicht armen Kapitel
7 des Mk. 5 mal in 5 Versen, S. 265 (Luc.) 8 mal,
S. 266 nur 2 mal und in den Versen Joh. 18,1 —15 etwa
8 mal. Oft sind das Kleinigkeiten, oft aber auch erhebliche
Verschiedenheiten, wo man den Wert und die
Zahl der Kodices anders einschätzt. Im Ganzen macht
die Rekonstruktion in ihrer Zuverlässigkeit einen guten
Eindruck. Es ist aber nicht zu verstehen, daß V. ein von
ihm gefundenes Handschriftfragment (Mt. 1,18—9,9),
dessen er auf S. 44 Erwähnung tut als eines altlateinischen
Texttypus, gänzlich unberücksichtigt gelassen
hat. Warum hat er nicht wenigstens eine kurze Charakteristik
mit eingefügt, wenn eine Verwertung im Text
oder Apparat nicht geboten schien? Die Gefahr, daß
man in solchem Falle geäußerte Ansichten hernach stark
ändern muß, liegt immer nahe, und ihr ist V. doch
schon öfter erlegen. Es ist für die Einleitung typisch,
daß V. frühere Ansichten korrigieren muß. S. 18 nimmt
er die früher geäußerte Vermutung, daß schon b Einfluß
von Vulg. aufweise, zurück, S. 19 die andere, daß
e Vulgatadecke trage, S. 43 korrigiert er seine im Textbuch
der neutest. Textkritik (1923) ausgesprochene
Meinung über h und endlich S. 23 eine in Rev. Bene-
dictine (1926) veröffentlichte Ansicht über den Archetyp
aus b e ff i q, der für Hier, zu rekonstruieren sein sollte.
Das oben erwähnte Verfahren mit dem neuen Kodex
zeigt, daß V. offenbar ganz darauf eingestellt ist, immer
nur Vorläufiges zu sagen. Auch in seiner Einleitung
schiebt er aufgeworfene Fragen als später zu behandelnde
beiseite (S. 21. 14. 43), deren Erledigung vorher
wünschenswert gewesen wäre. Es mag bei Veröffentlichung
von Einzeluntersuchungen angehen, sich
Urteile aufgrund von Stichproben zu bilden, bei Veröffentlichung
einer Rekonstruktion in diesem Umfange
wird man erwarten dürfen, daß die Handschriften an
Hand von Tabellen aus allen Evangelien soweit untersucht
sind, daß ihre Charakteristik leidlich scharf und
zuverlässig ist. Dazu gehört ein ausführlicher Textapparat
, der dem Mitforschenden die Möglichkeit gibt,
nachzuprüfen und selbst die Beziehungen der Kodices
zu untersuchen. Daß beides leider nicht der Fall ist,
soll an Einzelheiten bewiesen werden.

Die Beschränkung an Untersuchung auf Stichproben veranlaltt ein
schwankendes Urteil über die Leistung des Hieronymus. (S. 10. 58. 79.
Bald wird H. gelobt wegen seiner Vorsicht, dann ihm unebenmäßige
Arbeit nachgewiesen).

Auf S. 17 stellt V. richtig fest, daß h in Mt. eine Fülle von Prae-
vulgatafassung bietet. Was heißt ,,eine Fülle von" ? Die Frage, ob
h mit b ff oder der Gruppe f vg 1 geht, müßte nach dem Apparat jederzeit
zu untersuchen sein. Sieht man sich diesen an, (z. B. zu Mt. 27),
so ergibt sich, daß h selten notiert wurde (z. B. in Hier, zu 27, 23. 49),
im Italaapparat fehlt er mehr als zwanzigmal, wo sich zeigen ließe, daß
er mit b ff geht, aber auch hie und da Eigentext (Zusätze erklärender
oder verdeutlichender Art) hat. Zu vs. 23 wird in Hier, notiert: + dicen-
tes (= h) und in Itala: + die. q. Warum nicht in einem Apparat
4- die. = qhcfd, was übersichtlicher wäre? In den 20 genannten Fällen
würde h neben b, ff, a, q, c erscheinen und sich daran wieder die
Gruppenbildung verfolgen lassen. So müßte er durch das ganze Evg.
Mt. registriert sein.

S. 44 wird von r gesagt, er mache den Eindruck, ein von vg unberührter
Altlateiner zu sein. Prüft man wieder Mt. 27, so ist er ge-

! legentlich (48. 49) in Hier, zitiert, würde aber etwa 20mal im 2. Appa-

j rat erscheinen müssen, sodali auch hier V.'s vorsichtige Vermutung erhaltet
werden könnte.

Mit Burkitt wird die Meinung, f sei Vorlage von vg, richtig ab-

| gewiesen, aber was hilft uns die Vermutung groß, ,.das altlateinische

; Element sei kaum viel stärker als im irischen Zweig der Vulg"? (13.)
Hier muß man zunächst ein Fragezeichen setzen. Kontrollieren
kann man diese Behauptung so wenig wie die andere (die freilich richtig

! sein dürfte), daß f ein Altlatciner mit Vulgatadecke ist (S. 14). V. will
später erdrückendes Beweisniaterial dazu liefern, hätte er f in beiden
Apparaten regelmäßig notiert, könnte man das Verhältnis von Altlateiner

'. und Vulgatadecke selbst bestimmen,

So würde z. B. in Mt. 24 f sechsmal in den Vulgataapparat neben

i g' ff I, dagegen 8mal (z.T. allein!) in Itala gehören.

Auch hier bringt V. den Benutzer durch seinen unvollständigen

' Apparat um Mitarbeit und Kontrolle.

Ähnliches gilt von c. Er soll in den letzten Kapiteln von Lk. altes

, Gut enthalten, in Job. fast ganz mit vg gehen. In Lk. 21 müßte c

i etwa 5mal in 1t, einmal in vg ergänzt werden, in Joh. 18, lff. stellt er
4mal in It, 3mal bei Vulg, in Mt. 24/5 wäre er häufig neben q r h, dagegen
nicht in Vulg. nachzutragen. In sämtlichen Evangelien geht c

| oft mit bff, oft mit qf vgl oder anderen Gruppen, auch das läßt sich
hier nicht verfolgen.

Die Behauptung (zu Joh S. 40), daß ff einerseits, h r andrerseits
völlig verschiedene Ubersetzungen seien, würde sofort abgewiesen werden
können, wenn der vermißte Kod. a notiert wäre. Es würde sich zeigen,

; daß mit a verglichen ff und !>r nur Zweige derselben Überlieferung

sind. Das Verhältnis von i q r a und deren Beziehung zu vg ließe
sicli bei vollständiger Notierimg von a verfolgen und V's Ansicht betätigen
(S. 10), daß ff b i der Vulg. näher stünden als a. In Mc. 7
z. B. ist a au 0 Stellen allein, an 2 mit b, an 1 mit f, an 1 mit ff ir.
In Joh. 18, 1 —15 müßte a etwa 25 mal in It, 1 mal bei Hier, ergänzt

; werden. Solche Beispiele würden zugleich zeigen, wie verschieden die
Kodd. in den einzelnen Evangelien oder sogar Kapiteln orientiert sind.
In Joh. geht a besonders mit qr zusammen, er ist hier seltener allein

| als in Mc.

Genug. Der Überblick dürfte zeigen, wie gut es gewesen
wäre, neben eine solche Textrekonstruktion auch
einen vollständigen Apparat zu setzen. So wird nur
wieder Vorläufiges geboten, obwohl mit den vorhandenen
Mitteln leicht mehr zu erreichen gewesen wäre, und
unnötig der Eindruck erweckt, als ob die Italaforschung
eine schwierige Geheimwissenschaft sei, bei der man
] ganz dem Urteil weniger Autoritäten ausgeliefert ist, die
I im Besitz der Handschriftenkollationen sind. V. hätte
| sich ein noch größeres Verdienst erworben, wenn ei
durch vollständigen Apparat einem größeren Kreis von
j interessierten Gelehrten eine Nachprüfung und Mitarbeit
ermöglicht hätte.

Marburg. E. F a s c h e r.

Leclercq, Dom Henri: La VIe Chretienne Primitive. Avec

60 planches en heliogravure. Paris: F. Rieder 1928. (87 S.) 8*.=
Bibliothcque generale Illustree, Nr. 9. 16 Fr. 50 c; geb. 20 Fr.
In diesem, für weite Kreise bestimmten und kirchlich
approbierten Handbüchlein werden auf 70 Seiten in
16 Kapp, die Haupterscheinungen des christlichen Lebens
in den drei ersten Jahrhunderten ohne gelehrte Anmerkungen
vorgeführt. Von allen Kontroversen, aber
auch von der Verschiedenheit der Zustände und von der
absteigenden Entwicklung ist abgesehen, die das christliche
Leben bis zum Ende des 3. Jahrhunderts in Theorie
und Praxis erlebt hat. Es ist eine Darstellung auf
Goldgrund. Der Schwerpunkt liegt in den 60 zweckmäßig
ausgewählten Heliogravüren (Katakombenbilder,
Inschriften, Sarkophage usw.), die eine gute Anschauung
gewähren und u. A. die Inschrift von Autun und die
Abercius-Inschrift enthalten. In der „Bibliographie" S.
74 sind ausschließlich französische Werke genannt.
Berlin. A. v. Harnack.

Holtzmann, Robert: Der Kaiser als Marschall des Papstes.

Eine Untersuchg. z. Gesch. d. Beziehgu. zw. Kaiser u. Papst im
M.-A. Berlin: W. de Gruyter & Co. 1928. (IX, 50 S.) 4°.
Schriften d. Straßburger Wissenschaftl. Gesellsch. in Heidelbg., N. F.,
H. 8. RM 1.50.

Es ist bekannt, daß Friedrich Barbarossa bei seiner
ersten Zusammenkunft mit Hadrian IV. bei Sutri im