Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1929 Nr. 11

Spalte:

248-250

Autor/Hrsg.:

Dobschütz, Ernst von

Titel/Untertitel:

Der Apostel Paulus. 2: Seine Stellung in der Kunst 1929

Rezensent:

Beyer, Hermann Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

247 Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 11. 248

Die Zitation des Hymnus findet L. in der Formel an, ob wir es hier mit einer eigenen Dichtung des Pauls
xai sv XgiOTfp 'irjaoi angegeben, die er mit sv 7/A«tor lus und nicht vielmehr mit einem von ihm übernomme-
Röm. 11,2 vergleicht. Zwingend ist diese Auffassung nen Getneindehymnus zu tun haben. Mich dünkt, d i e s e
nicht. Es ist die Person und Gestalt und Geschichte Frage ist noch nicht spruchreif. Der Jerusalemer UrJesu
Christi im allgemeinen hier gemeint (zu ergänzen gemeinde, etwa gar dem ältesten Kreis der Jünger und
ist etwa eifere vgl. Phil. 1,30; 4,9 oder sigia-/.sxs) ; Apostel möchte ich dies Christuslied auf keinen Fall
und das „Zitat", wenn es eins ist, beginnt unvorbereitet zuweisen. Jedenfalls hat L. mit seiner neuen Auffassung
mit og sv uogc^ Vsov v.xl. Diese erste Strophe kann des Textes als eines urchristlichen Psalms unserer Fordann
übrigens nicht der Anfang des Psalms gewesen schung starke Anregungen gegeben, die weiter verfolgt
sein: es muß, wenn wirklich ein Christushvmnus vor- werden müssen. Man wird sich dabei freilich hüten
liegt, etwa ein einstrophiger Lobpreis Jesu Christi voran- mussstn, allzu voreilig synthetisch zu arbeiten. L. bringt
gegangen sein, den Paulus übergangen hat. seiner Interpretation der in unserm Psalm ausge-
rT i ■ a u a u . Ii». „D;,i„;„u, !„+„,. breiteten Chnstologie auch den Logos und den pneuma-
Das Lied handelt nun nach L.'s geistreicher tischen christua herein. Ich möchte beide Gröl en vor-
pretation von der dreifachen Tat des Menschen ,äufj fern ha, & un

seiner Bewahrung in der Versuchung <^Q>™** auch, ob unser Psalm ursprünglich zur eucharistischeu

Opferung (Vs. 7 a) und seiner Se bstern edr.gung 7 b , ku ifi h h b Wj< ^

8) danach von seiner Erhöhung (Vs. 9-11). W.r über- rf „Lebenssitz", von dem konkreten „Ort" der angehen
, die schonen Betrachtungen, in denen uns Paulus christl"iche„ Qesänge, um so spezielle Schlüsse ziehen
zeitweise entschwindet und nur der Georgeschuler L. am k Qber^es sind ja die spezifischen Abend-
Worte ist, und beschranken uns auf die rein sachlichen mahlsmotive die Erlösung, der neue Bund, die Gemein-
Ausfuhrungen, die uns zum richtigen Verständnis des an- schaft> die 'parusie> in ~unscren Psalm nicht aufge-
tiken l extes veineiren. nonimen'

Sehr fruchtbar ist hier der Gedanke der V er- A„es „, a„em: die Studie umfaßt erstaunlkh vie,

suchung, den L. hereinbringt, um Vs.6 speziell das neue 0esichtspunkte. Auch wenn wir manche als nicht

oixag7cayiiav7]yr)acao m erläutern. Er findet hier einen hergehörig ausschalten oder anzweifeln müssen, haben

kosmogomschen Mythus von Schöpfung und Versuchung wir dem Verfasser für die Bereicherung, die die For-

angedeutet indem iranische Kosmogon.e und jüdischer schlmg durch ihn erfahren hat unseren Dank zu zollen.

Teufelsglaube den antithetischen Hintergrund dieser ... ... ,

Worte bilden. Das Gottgleichsein ist die Bestimmung qen'____h. windiscu.

zur Herrschaft; die Versuchung ist die Wahl des Weges, Dobscnütz, Prof. D. Ernst: Dcr Apostel PauIus. 2.: seine

A,'f n,m.d,f- ^rot! !chf ,l erson die Herrschaft erlangt. ^ .„ d ^ m 3_ Ab, (, e ^ Jitcmd ^ ^ § ;

Als Illustration zitiert L. einen schonen, leider spaten Buchh d Waisenhauses 1928. (Vli, 88 S.) er. 8°. RM 8 .

jüdischen Messiasmidrasch (Billerbeck II 287 f ) Viel- Dem ersten Bande des Pauluswerkes, an dem v. D.

leicht wird man hier noch etwas starker als thetische und ß ^ • , , ß Leben des Apostels, das Wesen

antithe ische Vorlage die kanonische Adamuberl.eterung ^ p"ersönlichkeit und seine weltgeschichtHebe Bedeu-

Gen. 1,26; 3,1 ff.; 3,22 und die daraus gezogene t jn ßen z umrissen una ,,ereits durch eine

Lehre vom himmlischen Urmenschen (Christus siv.tuv Rejhe beigegebenel. Biider veranschaulicht war (v<zl

■un: trsov) betonen müssen. meine Besprechung in dieser Zeitung 1927 Sp. 273—75),

Für das Verständnis der Erniedrigung ist wichtig, jst nun der zweite Teil gefolgt, der die Stellung des

daß L. hier den Christus als Menschensohn und als Paulus in der Kunst behandelt. Um es vorweg zu sa<»en:

„Knecht" Gottes gezeichnet findet: er ward ein Leben Auch der kunstgeschichtlich geschulte Fachmann steht

lang m der göttlichen Wurde des „Menschensohns" mit Bewunderung vor der Fülle von Gelehrsamkeit, die
(„oig" ctvtrgw7tog) erfunden und sein Knechtsein hat wie i hier zum Ausdruck kommt, vor dem umfassenden Wissen

in den Ebed-Jahwe-Liedern den Doppelsinn mensch- auch über Einzelfragen der Archäologie und Ikono-

licher Niedrigkeit und göttlicher Erhöhung. Ich habe graphie, das hier entfaltet ist, vor der feinen Beobach-

schon (a. a. O.) bemerkt, daß beide Interpretationen tungsgabe, mit der des Verfassers Augen zu sehen ver-

mir problematisch vorkommen. Gewiß kann in dem mochten.

Hymnus die Figur des Knechtes von Jes. 53 im Hinter- Von Dobschütz hat die Lösung seiner Aufgabe so
gründe stehen, aber «oo^r, dovAov ist kein Titel, ge- umfassend vorbereitet, wie es nur möglich war: Er hat
schweige Ehrentitel, sondern reinweg praktisch-mythi- jn mühevollster Arbeit, bei der das Christlich-archäolo-
sche Bezeichnung für die absolute Erniedrigung des gjsche Seminar in Halle mit seinen Biicherschätzen
Menschgewordenen: seine Erscheinung auf Erden ist und seinen Kräften behilflich war, aber auch in ein-
keine „Epiphanie", sondern vollkommene Kenose, Ver- gehendem Forschen in Museen und Bibliotheken
hüllung, vollkommenes, typisches Menschsein, Kreatur- Deutschlands und Italiens alles gesammelt, was ihm an
sein. Und das svgsirslg ug av&gw7tog kann kein Zitat Paulusdarstellungen zugänglich war. Man denke davon
Dan. 7 sein, da ja hier auf die absolute Erniedri- bei nicht nur an Mosaiken und Tafelgemälde, welche in
gung geschaut wird; höchstens ließe es sich als An- Kirchen und Kunstsammlungen und deren Verzeichnissen
spielung auf Jes. 53, 2—4 verstehen. Wie Sklave, so verhältnismäßig leicht zugänglich sind, sondern an Kata-
bedeutet jedenfalls auch Mensch die absolute Gottes- kombenmalereien, Sarkophage, Elfenbeine, Goldgläser,
ferne die Entleerung von jeglicher göttlicher Würde. Siegel, die oft winzigen Miniaturen in den Initialen der
SoiXog wie ovltgwwog sind keine Ehrentitel, in denen Paulusbriefe so mancher alten Codices, an Bronzepla-
sich göttliche Würde verbirgt, sondern eindeutige Be- ketten, Tonlampen, Fresken vom ägyptischen El Bagha-
zeichnungen des typischen Menschen, wie er auf vat, vom kaukasischen Akhtala, von den Höhlen-
Erden ist. kirchen Kappadokiens und dem spanischen Silos bis hin
In der Interpretation des letzten Stücks wird richtig zu den Grisaillen in der Kuppel der Londoner Paulshervorgehoben
, daß (wie im Hebr.) die Auferstehung kirche, man denke an die Tympana romanischer Portale,
völlig zurücktritt und daß die „Erhöhung" kein pauli- an die unzähligen Apostelfolgen an den Pfeilern goti-
nisches Theologumenon ist. Ich würde noch hinzufügen, scher Kirchen oder auf ihren Schnitzaltären, an all die
daß auch der paulinische Begriff der Erlösung fehlt. Künstler der Neuzeit von Giotto bis Lovis Corinth, um
Die Menschheit wird nicht erlöst, sondern dem neuen sich klar zu machen, welche Arbeit hier zu bewältigen
Herrn unterworfen. So kommt es, worauf auch L. hin- war. Man wundert sich nicht, wenn v. D. mehr als
weist, daß die große Gottestat nicht auf die Gemeinde, 2000 Bildbeschreibungen hat anfertigen müssen, um
sondern auf den Kosmos abzielt. Diese theologische eine vollständige Sammlung zu besitzen. Und dennoch
Eigenart, mehr noch als der Rhythmus, regt die Frage hat er sich nicht an diesen Stoff verloren. Auf 44 Seiten