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1929 Nr. 1

Spalte:

4

Titel/Untertitel:

Studia Orientalia II 1929

Rezensent:

Galling, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 1.

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noch in der Praxis. Der einzige Unterschied ist, daß
die Hinrichtungen wegen dieses Gesetzes auf öffentlichen
Plätzen stattfanden und jetzt, wie allgemein bekannt
, jene Bekehrten verschwinden" (S. 18). Und
wieder (S. 53): „Aus Nord-Afrika hören wir, daß
öffentlich eine Verfolgung der vom Islam Abgefallenen
nicht besteht; daß aber alle, die sich vom Islam zum
Christentum bekehren, von ihren Verwandten gepeinigt
werden durch Mißhandlungen, Beschimpfungen oder
Schmeicheleien; oft sieht man in ihren Augen einen
Blick stummer Seelenangst wegen der Grausamkeit, die
sie innerhalb ihrer Familie erdulden müssen". „Selbst
unter den Distrikten britischer Verwaltung wirkt dem
Geiste nach das Gesetz, das den Abfall mit Todesstrafe
bedroht, weiter" (S. 19). Anders freilich S. 119: „In
ganz Niederländisch Indien besteht vollständige Freiheit
für die Person des Bekehrten, und das Gesetz wider
den Abfall ist ein toter Buchstabe geworden". Gelegentlich
stößt man auf lehrreiche Ausführungen, welche
die orthodox-muhammedanische Auffassung des Wesens
der Abtrünnigen zu illustrieren geeignet sind: „Sie
verneinen, daß ein Mann, mit Namen Judas, die Gestalt
des Jesus annahm und statt seiner gekreuzigt wurde. Sie
verneinen, daß Gabriel dem Mohammed in der Gestalt
eines arabischen Knaben erschien und ihm den Koran
offenbarte. Sie verneinen, daß Mohammeds Fußtritt auf
einem Stein in Jerusalem eine Spur hinterließ. Sie verneinen
, daß die Erde in 500jähriger Reise umwandert
werden kann, daß sie 7 Stockwerke hat und daß diese
von Ochsen getragen werden. Sie verneinen, daß es im
Paradiese Huris und Ghilmans gibt, die heiraten und
Feste feiern. Sie verneinen, daß Jesus am jüngsten
Tage vom Himmel kommen, sterben und im Grabe
Mohammeds bestattet werden wird. Sie haben tausend
Dinge gegen den Koran gesagt, sie sind Abtrünnige"
(S. 104).

Die Gefahren, denen Konvertiten praktisch ausgesetzt
sind, bilden für die christliche Mission ein überaus
schwieriges Problem, und von diesem Gesichtspunkt aus
hat Zw. die ganze Frage behandelt. Er geht aus von der
Tatsache, daß die geringe Zahl der Bekehrten auf dem
Gebiete der Muhammedaner-Mission auffalle (S. 10),
und er stellt als seine Überzeugung hin, daß unter den
vielen Ursachen, die eine Erklärung dafür böten, vielleicht
keine so wichtig und doch so wenig bekannt sei
wie das muhammedanische Gesetz vom Glaubensabfall
(S. 11). „Das Wesen dieses Gesetzes klarzulegen, zu
zeigen, wie es sich in der Allgemeinheit und gegenüber
dem Einzelnen auswirkt, welchen Einfluß es auf die Beziehungen
des Islams zum Christentum gehabt hat, und
wie es nötig ist, dieses Gesetz aufzuheben oder abzuändern
, damit Gewissens- und Bekenntnisfreiheit erlangt
werde, — das ist der Zweck dieses kleinen Buches" (S.
4). Ob er erreicht wird? Ein so guter Kenner des
Orients wie R. Strothmann hat in der Orientalistischen
Literaturzeitung (1928 Nr. 4) auf die Gefahren hingewiesen
, mit denen die Veröffentlichung einer Schrift verknüpft
sei, die wie die vorliegende, in gewissen Islam-
kreisen eifrig gelesen, von ihnen doch als einseitige Anklage
empfunden werden müsse; und dies umsomehr,
als sich Zw. unter der Hand das Problem erweitert, und
er es auf die christlichen Minderheiten des Orients ausdehnt
: „Es ist immer dieselbe Geschichte in Arabien,
in der Türkei, in Afghanistan, Persien, Algier und Indien
— keine Gnade für die Abtrünnigen, keine Freiheit
und Gleichheit für die christlichen Minderheiten
(S. 87).

Eine Gefahr anderer Art liegt in der Tatsache der
„heimlichen Jünger" (vgl. S. 89—112). Sie stellt den
Missionar vor die heikle Frage, unter welchen Bedingungen
die Taufe zu gestatten sei: „kann sie privatim
gewährt werden oder müssen wir immer auf einem
öffentlichen Bekenntnis bestehen? Welche Vorbereitung
ist nötig? Gibt es Fälle, in denen äußere islamitische
Gewohnheiten oder häusliche Forderungen mit unseren

Bedingungen in Übereinstimmung gebracht werden
können? Es ist schwer, solche Fragen zu beantworten"
(S. 93). Man ahnt die Gewissenskonflikte, die der um
Wahrhaftigkeit ringende Missionar gelegentlich hier aus-
zufechten hat, und so wird man auch unter diesem Eindruck
Zw.'s Buch nicht ohne inneres Mitgefühl aus der
Hand legen.

Berlin. Alfred B e r t h o 1 e t.

Studia Orlentalia II. Helsingfors: Akademische Buchhandlung 1928.
(III, 283 S.) gr. 8°. = Societas Orientalis Fennica.

Die Societas orientalia fennica hat nach dreijährigem Abstand
(vgl. meine Besprechung von Stud. Or. 1. in Th.L.Z. 1926 Sp. 8) einen
zweiten Band ihrer orientalischen Studien herausgebracht; darin sind
der 2. und 5. (letzte) Aufsatz englisch bzw. französisch, die übrigen
drei deutsch geschrieben. A. F. Puukko bietet (1—86) eine zusammenfassende
, mit Akribie und zugleich anschaulich und lebendig
geschriebene Arbeit über „Paulus und das Judentum" (1.
Herkunft, Heimat, Erziehung. — 2. Die literarischen Quellen des
Paulus — außerbiblisches Material, Zitierung des A. T. — 3. Paulus
als Ausleger des A.T.). A. Saarisalo (87—104) übersetzt den
Targum zum Buche Ruth, wobei durch verschiedenen Druck
die haggadischen Paraphrasierungen besonders deutlich werden. An
Einzelheiten wäre etwa zu bemerken: Ruth gilt als Tochter des
Moabiterkönigs Eglon, wohl mit Rücksicht auf die David-Genealogie.
Ruth will (1, 16) Proselvtin werden, Naemi erläutert ihr das Gesetz
und Boas (2, 12) verspricht Ruth darauf die Errettung im Gehenna-
gericht. Der erste Löser (4, 6) kann verzichten, weil er im Gegensatz
zu Boas verheiratet ist; der Lösungsakt selbst findet vor dem
Synedrium statt. K. Tallquist (105—185) hat in seiner Studie
über die Himmelsgegenden und Winde eine ungeheure Fülle
von indogermanischem und semitischem Sprachmaterial (Wörterverzeichnis
) ausgebreitet und verfolgt nacheinander die lokal-geographische

Orientierung (vgl. etwa Q"1 das Meer der Westen), die Qibla-

Orientieruug (Südhimmel in Babylon, Westen bei den Pytagoräcrn,
j Osten hei Semiten und Indogermanen), die solare Orientierung (vgl.
etwa 2""!" Abend-Westen), die polare Orientierung (Polarsterne)

und die Zwischcnncliumgen (Sargorts achtseitige Windrose). M.
Hammarström (186—201) behandelt die komplementären
Zeichen des griechischen Alphabets und ü. J. Tall-
gren vergleicht die handschriftliche Überlieferung des ptolemäischen
Sternenkatalogs, Survivance arabo-romane du Catalogue
d'etoilesde Ptolemee (202—283).

Insgesamt wieder, wie der erste Band, eine anerkennenswerte
Leistung der aufstrebenden finnischen Orientalistik und Theologie.

Halle. Kurt Galling.

Catalogue of the Literary Papyri in the British Museum.

Ed. by H. J. M. Milne. London: Oxford University Press 1927.
Der Katalog enthält die griechischen und lateinischen Papyri
des Britischen Museums, soweit sie literarisch, das heißt nicht
dokumentarischer oder privater Natur, sind. Auch die in Ägypten
gefundenen Bruchstücke von Pergament, die Ostraka und Wachstafelii
sind mit berücksichtigt. Die meisten der aufgeführten Stücke waren
schon veröffentlicht; und in diesen Fällen fand nur ausnahmsweise ein
Wiederabdruck statt. Eine erheblich geringere, airer doch nennenswerte
Anzahl, deren Nummern der Index auf p- 223 b zusammenstellt,
erscheinen zum ersten Mal. Die Poesie ist von Homer, die Prosa
1 von Herodot an vertreten.

Für den Theologen besonders wichtig sind, abgesehen von dem
Sprachstoff, einige religionsgeschichtlich lehrreichen Äeußerungen des
Synkretismus (Astrologie u. a.), sodann Fragmente biblischer und
altchristlicher Schriften.

Die Arbeit ist, wie man das an englischen Veröffentlichungen
dieser Art gewöhnt ist, außerordentlich sorgfältig, die Ausstattung
hervorragend.

Göttingen. Walter Bauer.

Haußleiter, Geh. Konsist.-Rat Prof. D. Dr. Johannes: Johanneische
Studien. Beiträge zur Würdigimg d. 4. Evangeliums.
Gütersloh: C. Bertelsmann 1928. (168 S.) 8". RM 5—; geh. 6.50.
Sieben Abhandlungen aus den Jahren 1896—1921 veröffentlicht
1 H. noch einmal. Er möchte gerade gegenüber der gegenwärtig vorherrschenden
Methode der Evangelienforschung seine Behandlung der
joh. Frage und der Evangelienfrage überhaupt wirksam erhalten.
Durch den inzwischen erfolgten Tod des verehrten Verfassers ist das
Buch zu einem Testamente an die Mitforschenden geworden. Die
Aufsätze behandeln: 1. Die Eigenart der beiden apostolischen Evangelien
, 2. Die Geschichtlichkeit des Joh. Evgls., 3. Die Herrlichkeit