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Ausgabe:

1929 Nr. 9

Spalte:

208-209

Autor/Hrsg.:

Warner, H. J.

Titel/Untertitel:

The Albigensian Heresy. Vol. II 1929

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1929 Nr. 9.

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den, so interessant sie ist und so gute Ergebnisse zu
geben sie verspricht. Spanische Literatur, so wenig deren
vorhanden sein mag, ist in Deutschland kaum bekannt
. Es ist wesentlich das Verdienst Kehrs und seiner
Mitarbeiter, das Interesse belebt und bei der Aufnahme
der in Spanien vorhandenen Bestände an Papsturkunden
für die Hispania pontificia bis 1198 gleich die Verarbeitung
der neuen Funde in die Hand genommen zu j
haben und Arbeiten vorzulegen, die das Neue in den
grollen historischen Zusammenhang einordnen und dabei
zeigen, wie bedeutend doch das Neue unsere Kenntnisse
bereichert. Denn nicht bloß mit der diplomatischen
Würdigung der neuen Urkunden hat es Kehr zu tun,
mehr und mehr sind auch die historischen Gesichtspunkte
in den Vordergrund gerückt worden, wie das
auch die Einleitungen beweisen, die den in dem vorliegenden
Hefte abgedruckten Aktenstücken beigegeben j
sind.

In das innerste Wesen der spanischen Kirchenge- j
schichte führt die vorliegende Abhandlung ein. Handelt
es sich auch zunächst nur um die Gebiete an der spanischen
Mittelmeerküste von den Pyrenäen bis zum Ebro,
der karolingischen Marca Hispanica, aus der das kata- j
lanische Reich des Grafen von Barcelona erwachsen ist, j
und ihre Beziehungen zum Papsttum, so kommen doch
gerade auch hier schon die Momente inbetracht, die das
Wesen der spanischen Kirchengeschichte konstituieren:
die Abschüttelung der Herrschaft der Mauren und die
Aufrichtung, resp. Wiederaufrichtung der christlichen j
Kirche. Es wird an der Hand der Urkunden gezeigt, :
welchen Anteil das Papsttum daran gehabt hat. Da I
stellt es sich nun heraus, daß bis weit in das 10. Jahr-
hundert hinein die Initiative zur Erlangung des rörni- !
sehen Schutzes gar nicht beim Papsttum liegt, sondern
hei den lokalen, geistlichen und weltlichen Autoritäten.
Aber es findet doch auch in dieser Zeit schon eine rapi-
de Romanisierung, im Sinne der Abhängigkeit von Rom
statt, bis dann im 11. Jahrhundert, wohl eingeleitet
durch die Legation des Hugo Candidus, dem Kehr auch
hier besondere Aufmerksamkeit widmet, durch die j
großen Päpste Gregor VII. und Urban IL die Maßnahmen
getroffen werden, die zur Aufrichtung des
katalanischen Prinzipats, zur Wiedereinrichtung der alten j
Metropole Tarragona geführt ha en. Die Konzentration
des Klosterwesens unter einheitlicher Leitung ist das !
Verdienst Gregors VII. gewesen, das eine der Voraus- I
Setzungen für die Errichtung des katalanischen Prin-
eipats ist, die Wiederherstellung von Tarragona 1090
die andre Voraussetzung, der dann die Grafen von
Barcelona durch die Vereinigung mit Aragon 1151 die !
nötige staatliche Organisation gaben, sodaß nun auch
Tarragona die Suffraganbistümer erhält, Gerona, Barcelona
, Urgel, Ausona (Vieh), Lerida, Tortosa, Zaragoza,
Huesca, Pamplona, Tarazona und Calahorra. Urban II.
ist es auch gewesen, der die Loslösung Tarragonas von
Narbonne, d. h. von Südfrankreich, und die Unterstellung
unter den Primat Toledos durchgedrückt hat. So
hat er im Wesentlichen den Grund gelegt für die kommenden
Gestaltungen der spanischen Kirchengeschichte
und für die Einwirkung Roms auf die kirchlichen und
staatlichen Verhältnisse des Landes, die von größter
Bedeutung für die Folgezeit gewesen ist. Kehr vergißt
nicht, darauf hinzuweisen, daß ein Grund für das Handeln
Roms das finanzielle Interesse gewesen ist; überwiegend
aber ist sein Interesse gewesen an dem Zusammenschluß
der Gläubigen gegen den Islam. Kehr
bezeichnet seine Abhandlung als eine „eilige Skizze".
Es wird uns außergewöhnlich viel Neues darin geboten,
und ich hoffe, daß sich viele finden werden, die sich
durch sie zur Mitarbeit an der spanischen Kirchenge-
schichte anregen lassen. Es ist auch öfters auf die
Punkte hingewiesen, die der näheren Behandlung wert
sind. Unterdessen hat auch der 2. Teil der Papsturkunden
in Spanien (Navarra und Aragon), Berlin 1928,
die neue Abhandlung Kehrs entstehen lassen: Das Papsttum
und die Königreiche Navarra und Aragon bis zur
Mitte des XII. Jahrhunderts, Abhandlungen der preußischen
Akademie der Wissenschaften, Jahrgang 1928,
Phil.-hist. Klasse. Nr. 4.
Kiel. G. Ficker.

Kehr, P.: Wie und wann wurde das Reich Aragon ein Lehen
der römischen Kirche? Eine diplomatische Untersuche S.-Abdr.
aus den Sitzungsber. d. Preußischen Akademie d. Wissensch. Phil.-
hist. Klasse, 1928, 18. Berlin : W. de Oruyter & Co. 1928. (30 S.) 4".

RM 2—.

Gewöhnlich wird angenommen, daß unter König
Ramiro I. in Aragon anstelle des altspanischen Ritus der
römische eingeführt worden sei und daß Ramiro I. als
der erste unter den spanischen Fürsten sich und sein
Reich Sankt Peter tributär gemacht habe. Diese Annahme
geht auf eine Urkunde Gregors VII. zurück, deren
Original im Archiv der Kathedrale von Jaca erhalten
ist und die Kehr hier mitteilt und bespricht; nach ihm
stammt sie aus der letzten Zeit Gregors 1084—85 und
ist von unzweifelhafter Echtheit, berichtet aber, wie
Kehr nachweist, über die beiden berührten Punkte Falsches
. Denn es läßt sich nachweisen, daß der erste Versuch
anstelle des altspanischen Ritus den römischen einzuführen
, von dem Kardinallegaten Hugo Candidus
schon 1065 in Navarra und Kastilien, noch ohne Erfolg,
gemacht wurde, und daß erst 1071 von demselben Hugo
in Aragon die lex Romana durchgesetzt wurde, dann
noch 1076 in Navarra, in Kastilien und Leon. Ferner
läßt es sich nachweisen, daß der erste päpstliche Lehnskönig
von Aragon nicht Ramiro I. war, sondern sein
Sohn Sancho Ramirez, der im Jahre 1068 sich und
sein Reich in Rom dem Papste Alexander II. kommen-
dierte. Erst dem Nachfolger Gregors VII., Urban II. gelobt
der König auch die Zinszahlung und macht so
effektiv sich und das Reich Aragon dem Apostolischen
Stuhle zinspflichtig. Diese auffallende Fehlerhaftigkeit
der Angaben Gregors, der gerade die ausschlaggebenden
Personen, Ramiro L und Hugo Candidus, nicht nennt,
weiß Kehr unter Heranziehung neuen Materials aus der
Kirchengeschichte des Landes durch den Hinweis auf
den Haß des Bischofs Garcia gegen seinen königlichen
Bruder Sancho Ramirez, des Bischofs, dem die Urkunde
Gregors VII. ausgestellt worden ist, und auf den Groll
der Kurie gegen ihren Todfeind Hugo Candidus, der
Gregor VII. mit allen Mitteln bekämpfte, zu erklären. —
Im Anhang werden die wichtigsten Aktenstücke mitgeteilt
und werden dadurch, weil bisher nur an schwer zugänglichen
Stellen gedruckt, bequem benutzbar. Es ist
hoch erfreulich, daß Kehr die neuen Erkenntnisse, die
ihm die Durchforschung der Papsturkunden Spaniens gebracht
hat, so schnell und so eindrucksvoll der Forschung
zuführt. Für die Bereicherung unserer Kenntnisse
der Kirchengeschichte Spaniens im Besonderen und der
Kirchengeschichte im Allgemeinen können wir gar nicht
dankl ar genug sein. Hier ist es die Persönlichkeit des
Kardinallegaten Hugo Candidus, auf die vor allem
helles Licht fällt.
Kiel. O. Ficker.

Warner, Rev. H. J., B. D.: The Albigcnsian Heresy. Vol. II:
Its Suppression by Crusade and Inquisition. London: S. P. C. K.
1928. (IX, 227 S.) 8°. = Studies in Church History. 6 sh.

Über den ersten Teil dieser lehrreichen und nützlichen
Darstellung ist in dieser Zeitschrift schon 1923
berichtet worden (Theol. Literaturzeitung, 48. Jahrgang,
1923, Sp. 131). Er handelte über die Quellen und die
Lehren der Katharer. In dem vorliegenden zweiten
Bande wird von dem Kreuzzug und der Tätigkeit der
Inquisition zur Unterdrückung der Häresie gehandelt,
kenntnisreich und aufschlußgebend. Es kommt dem Verfasser
besonders darauf an, nachzuweisen, wie der
Kreuzzug von dem Wesen der Kirche des 13. Jahrhunderts
gefordert wurde; darum ist es recht, wenn auf die
Äußerungen und Maßnahmen Innocenz'III. hingewiesen
wird; er ist ja der eigentliche Schöpfer des Kreuzzugs