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Ausgabe:

1928 Nr. 8

Spalte:

175-176

Autor/Hrsg.:

Wreszinski, Walter

Titel/Untertitel:

Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte. II. Teil, Liefg. 8 - 10 1928

Rezensent:

Löhr, Max

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175

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 8.

176

In umfassender Weise wird das Material und werden
die Beziehungen zum Orient seit Beginn des Neolithikum
vorgeführt und interpretiert. Dabei bevorzugt Cle-
men überwiegend die magische Deutung der gefundenen
Reste, vor allem in den älteren Zeiten. Sein Entwurf ist
namentlich darum bedeutsam, weil hier für ein größeres
Gebiet exakt am Material der Nachweis der Anfangsstufen
der Religion zu gewinnen versucht und damit
für die Erkenntnis der Urformen der Religion eine viel
breitere Basis erobert wird als bei dem meist gegangenen
Wege der Behandlung rezentprimitiver Völker. Daß
freilich die Deutung der auf uns gekommenen Reste
mehr oder weniger unbewußt doch wieder von einer
bestimmten, an den Rezentprimitiven gewonnenen Anschauung
über die Anfänge des religiösen Lebens her
bestimmt ist, läßt sich nicht verkennen. Als besonders
deutliches Beispiel dafür nenne ich den Verzicht auf eine
Erklärung der Venus impudique von Brassenpouy und
verwandter Funde (S. 23 f.). Auf die Frage endlich,
wieweit man etwa auch in den älteren Perioden innerhalb
Europas stärker differenzieren müßte als Clemen
es getan hat, vermag ich nicht zu urteilen ; ich verweise
nur auf die nach dem Erscheinen seines Buches herausgekommene
Behandlung des „Nordischen Kreises" durch
Gunnar Ekholm, Hanna Rydh u. R. Beltz im 9. Band
des Reallexikons der Vorgeschichte. Clemens Versuch,
die Religionsgeschichte des prähistorischen Europa in
ihren großen Grundlinien aus dem archäologischen Material
zu erheben, wird als Ausgangspunkt für die weitere
Forschung bleibenden Wert und starkes Interesse für
sich beanspruchen dürfen.

Die ruhige, vorsichtig-abwägende Art, mit der Clemen
die Probleme behandelt, ist aus seinen übrigen
Schriften ja bekannt. Mit großer Umsicht ist ein ungeheuer
weitverstreutes Material gesammelt, besprochen,
zum Teil in den 130 Abbildungen vorgelegt, die den
Wert des Buches noch erhöhen. Daß ich hier und da
eine stärkere Entschlußkraft in der Wahl zwischen
mehreren Möglichkeiten der Deutung und damit eine
straffere, zielbewußtere Linienführung gewünscht hätte,
ist zum Teil Sache der persönlichen Veranlagung. Vor
allem in der mich besonders beschäftigenden Behandlung
der ägäischen Religion ist mir ein gar zu reichlicher
Gebrauch des Konjunktivs aufgefallen. Ich will
aber gern bekennen, daß auch die vorsichtige Art der
Behandlung bei einem so spröden Stoff ihre Vorzüge vor
einer energischeren Ausformung besitzt. Die Einstellung
des Materials in anders gesehene Zusammenhänge wird
ja der nacharbeitende Leser selbst vornehmen können.
Greifswald. Joh. Hempel.

Wreszinski, Walter: Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte
. II. Teil, lig. s u. 9/1». Leipzig: J. c. Hinrichs 1927
u. 1928. 29 X43 cm. RM 95-; Subskr.-Pr. 76 .

Die 8. sowie die Dopellieferung 9/10 des II. Teiles
dieses Standardwerkes bringen in der Hauptsache Darstellungen
aus der Schlacht bei Qadesch zwischen Ram-
ses II. und „dem elenden Unterlegenen von Chatti";
unter diesen Tafeln muß besonders erwähnt werden
no 92, Szenen aus der genannten Schlacht vom Tempel
Ramses II. in Abydos, in der Größe 75x50 cm einen
vorzüglichen und m. W. bisher nicht gebotenen Gesamteindruck
von der ägyptischen Darstellungsweise unsres
Sujets vermittelnd. — Einige andere Tafeln bieten dar:
Kampf spiele vor dem König no 158, 158a. Kampf gegen
die Nordvölker no 113. Libyerkrieg no 127, 129, 141.
Triumphzug des Haremheb no 167. Eroberung einer
syrischen Festung durch Ramses III. no 161. Äußerst
lehrreich sind auch diesmal wieder für den Alttestament-
ler die zu den Abbildungen gegebenen Beschreibungen.
Von allgemeiner Bedeutung ist der Nachweis no 17, daß
man die Abbildungen als Geschichtsquellen insofern
nicht verwerten kann, als sie durch ihre Anordnung der
dargestellten Gegenstände nichts über die Stellung der
Truppen, den Verlauf der Kampfhandlung u. a. aussagen
wollen. Höchstens kann man aus dem Dargebotenen
no 20 folgern, daß die betr. Schlacht (bei
Qadesch) keine bloße Wagenschlacht war, sondern daß
auch die Fußtruppen an ihr einen wesentlichen Anteil
hatten. — Sehr beachtenswert sind die Ausführungen
über die Lage des Landes Tunip no 79 wie die Berechnungen
no 88 über die Zahl der Streitwagen, bei welcher
Gelegenheit die betr. Zahlenangaben des A. T.s in
' Reg und Chron einer eingehenden Kritik unterzogen
werden. — Zu der Übersetzung no 88: „Sie drangen
gerade auf (das Feuer) ein" — gemeint ist mit letztcrem
Ausdruck der Pharao — möchte ich auf Schotts Arbeit
über die Vergleiche in den akkadischen Königsinschriften
S. 73, 83 A 1, 85, 89 verweisen: in Mitteilungen
der vorderasiat.-äg. Gesellschaft 30 (1925, 2)
Leipzig 1926.

Königsberg. Max l.öhr.

Storr, Dr. Rupert: Das Frömmigkeitsideal der Propheten.

Münster i. W.: Ascliciidorff 1926. (59 S.) 8". = Biblische Zeitfragen
, 12. Folge, H. 3'4. RM 1.40.

Die vorliegende Arbeit sucht „hinter dem Objektiven
das Subjektive, aus der Religion der Proffcten ihre
Religiosität" herauszustellen, „das Ideal, das ihnen für
sich und ihr Volk vorschwebte". Dabei will der Verfasser
systematisch und nicht historisch vorgehen, angesichts
der Schwierigkeiten in der zeitlichen Ansetzung
einzelner Stücke und angesichts der Tatsache, daß wir
bei den Profeten „keine Theorien der Frömmigkeit finden
, sondern fließendes Leben in seiner ganzen Unmittelbarkeit
", daß „das Letzte im Leben" aber „über Raum
und Zeit erhaben" ist. So werden denn in einem ersten
Teil die „Elemente der Frömmigkeit" unter den Ueber-
schriften Die Frömmigkeitserfahrung; die Grundlagen
der Frömmigkeit; Betätigung der Frömmigkeit; Typen
der Frömmigkeit; Frömmigkeit und Übel; Frömmigkeit
und Sünde; Frömmigkeit und Erlösung behandelt. Im
zweiten Teile folgt das „Wesen der Frömmigkeit" mit
I den Kapiteln „Charakteristik der Frömmigkeit; Motive
der Frömmigkeit, Folgen der Frömmigkeit. Die entscheidende
Formulierung bietet, wenn ich recht sehe, der
Satz: „Die Frömmigkeit der Profeten ist eine Frömmigkeit
der Tat: Sittlich gute Werke auf Grund der Gotteserkenntnis
und Gottesliebe, das ist ihre echte Frömmigkeit
und Religiosität" (S. 49). Dabei ist die „Gotteserkenntnis
" nähre bestimmt als eine innere, durch Floren
und Sehen vermittelte Gotteserfahrung, nicht ein intellektuelles
Gotterkennen, eine Erfahrung des einen, transzendenten
, geistigen Gottes, der eifersüchtig-zornig und
erbarmend zugleich ist, sodaß das Gotteserlebnis beides
weckt: Liebe und Furcht. Zur Gotteserkenntnis aber
kommt es nur durch die Gabe des göttlichen Geistes,
der in dem Menschen die „Hinneigung zu Gott auf dein
dreifachen Weg des Glaubens, Hoffens und Liebens
weckt", wobei die Liebe zu Gott sich im Halten des
Gesetzes (auch des KultusgesetzesI S. 27), im Gebet
und Fasten sowie in der Nächstenliebe manifestiert.

Schon diese kurze Charakteristik der Grundge-
! danken zeigt, daß wir trotz der entgegenstehenden Ah-
i sieht Storrs vielfach mehr eine profetische Lehre als
eine Darstellung ihrer subjektiven Frömmigkeit erhalten.
Und das kann ja auch nicht anders sein, wenn man wie
Storr die Einzelpersönlichkeit sehr stark in den
Hintergrund treten läßt. So gewiß „das Letzte im Leben
" jedes Entwicklungsschemas spottet und so gewiß
in dem Leben aller Profeten ein ganz charakteristischer
Typus sich geltend macht, so läßt sich doch „das Leben
in seiner Unmittelbarkeit" nicht anders erfassen als in
seiner Einmaligkeit und in der Besonderheit
der Ausprägung auch der typischen Züge. Dafür müßte
freilich zunächst eine bei Storr gänzlich zurücktretende
quellenkritische Besinnung den Boden bereiten. Trotz
einiger richtig und gut gesehener Momente hat daher
Storr die Erkenntnis der israelitischen Profetie nicht
wesentlich gefördert.

Greifswald. Joh. Hempel.