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Ausgabe:

1928 Nr. 7

Spalte:

158-159

Autor/Hrsg.:

Owst, G. R.

Titel/Untertitel:

Preaching in Medieval England. An introduction to sermon manuscripts of the period 1350 - 1450 1928

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 7.

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Den TTaktat „De habitibus" weisi K. als echt nach. Er ist
seiner Ansicht nach zwischen 1312 und 1317, vielleicht 1312 entstanden
(S. 141).

Das Gutachten, das D. auf Veranlassung Johanns XXII. im j
„theoretischen Armutsstreit" abgefaßt hatte (erhalt, in der
Pergam. Hs. Vat. lat. 3740) wird von Koch als echt nachgewiesen j
und auf die 1. Hälfte des Jahres 1322 datiert (S. 170). Durandus |
wendet sich hier gegen das Armutsideal der extremen Franziskaner.

Die (von A. Pelzer edierte) Verurteilung von
51 Artikeln aus dem Sentenzenkommentar Wilhelms i
von Ockham (1326), an der auch Durandus beteiligt
war, zeigt, wie Koch ausführt, daß Durandus
jedenfalls nicht von Ockham beeinflußt {
wurde, denn D. kam 1325/26, als die letzte Redaktion
seines Sent. Kommentars nahezu abgeschlossen war, i
zum erstenmal mit Ockhams Gedanken in Berührung j
S. 171).

Auf S. 184 ff. gibt K. eine äußerst instruktive chro- j
nologische Übersicht über die bekannten Werke des
Durandus und zeigt, wie zwar für die Zeit von 1307 bis
1334 das Schrifttum des D. klar vor Augen liegt, wie
aber andererseits die Zeit vor dem theol. Bakkalaureat
des Doctor modernus noch in Dunkel gehüllt ist.

Auf die mühsame Feststellung der chronolog. Rei- j
henfolge der Schriften gründet K. eine besonders interessante
Darstellung des p h i 1 o s.-t h eo 1. Entwicklungsgangs
des D. (S. 187ff.). Während vielfach
angenommen wird, D. sei anfänglich Thomist gewesen,
zeigt K., daß er zwar stets (auch in späterer Zeit) in
aristotelischen Kategorien denkt, daß man aber bereits
im 15. Jhdt. D. an den verschiedensten Orten nur als
Gegner des Aquinaten kannte; D. war also vermutlich
schon bei Beginn seiner literarischen Laufbahn
Gegner des Thomas Aq. (S. 190).

Es ist ein relativ kleiner Kreis von Problemen, mit
denen sich D. beschäftigt. Die wichtigste Frage ist das
Problem der Relation (S. 193). Er sucht es zu bewältigen
mit dem Urteil: „relatio est alia res a suo fun-
damento, et tarnen non facit compositionem" (S. 193).
D. wendet diesen Satz auch auf die Trinität an, wurde
aber gerade deshalb angegriffen (S. 193). Vieles, was
Thomas als Akzidens aufgefaßt hatte, faßt D. als Relation
auf. So ist z.B. in seinen Augen das „Gutsein"
keine objektive Qualität, sondern eine Relation (gut <m
für etwas passend) (S. 193). Auch in seiner Psychologie
spielt der Begriff der Relation eine große Rolle.
Die seel. Akte sind nach D. Relationen der Vermögen
zu ihren Objekten (S. 193). Daraus erklärt es sich, j
daß D. die species und den intellectusagens
ablehnt, ebenso wie die habitus intellectuales und
morales (S. 194).

Für die Erkenntnistheorie ergibt sich daraus ein
neuer Begriff von Wahrheit. Die Wahrheit I
besteht nach D. nicht in der Übereinstimmung der im j
Akte des Erkennens produzierten Form mit dem Gegenstand
der Erkenntnis (denn eine Relation kann nichts
produzieren), sondern in der Übereinstimmung des Gegenstandes
, sofern er erkannt ist, mit dem Gegenstand,
sofern er realiter existiert (S. 194).

In der Gnadenlehre leugnet D. folgerichtig die j
Gnade als qualitas infusa; und der character ;
sacramentalis ist für ihn auch nur „relatio rationis" |
(S. 194).

Die Entwicklung der Lehre des D. war bestimmt 1
von autoritativen und wissenschaftlichen I
Faktoren (SS. 74, 194). jn erster Beziehung war von I
besonderer Wichtigkeit die Empfehlung der Lehre des
Aquinaten auf dem Generalkapitel v. Zaragossa (1309)
und die Liste von 1314. Im Jahre 1317 wurde D. |
Bischof und stand infolgedessen seinen Oberen gegen-
über frei da. Darum kehrt er nun vielfach zu seinen
ursprünglichen Anschauungen zurück. Die wissenschaftlichen
Angriffe auf die l.Aufl. des Sent.
Kommentars von seiten der Thomisten übten vielleicht
noch einen größeren Einfluß auf die Entwicklung seiner

Lehren aus, sofern er dadurch genötigt wurde, die Probleme
neu durchzudenken (S. 195).

Der 2. Abschnitt des Buches handelt von den
Schriften der Gegner des Durandus (S.
197 ff.). Es werden hier besonders die Schriften aus
dem Kreise des Dominikanerordens, aber auch solche
von Karmelitern besprochen. Es tut sich dabei, wie der
Verfasser mit Recht hervorhebt, ein Stück des Pariser
Universitätslebens in der Zeit von 1307 bis 1330 auf,
„von dem bei Du Boulay und Denifle-Chate-
lain kaum ein Wort zu lesen ist" (S. 198).

Dabei zeigt sich, daß der Streit gegen Durandus bis 1313 eine
wissenschaftliche Auseinandersetzung unter der Führung des Herveus
Natalis ist. Dann greift der Dominikanerorden ein und zensuriert den
Sentenzenkommentar des D. unter dem Gesichtspunkt der Rechtgläubigkeit
. Von 1317 an (Beginn des Kanonisationsprozesses
des Aquinaten) handelt es sich um die Frage, wie die Lehren des
Doctor modernus sich zu denen des Thomas von Aquino verhalten
(S. 268, 391). Während für den 2. Abschnitt (vor 1316/17)
das erste Irrtumsverzeichnis (von 1314) bezeichnend ist, ist es für den
3. (nach 1316/17): das Verzeichnis der 235 Punkte, in denen Durandus
von Thomas abweicht (von 1316/17). Beide sind von denselben
Persönlichkeiten zusammengestellt: von Johannes v. Neapel
und Petrus de Palude. Das 2. Verzeichnis sollte als
„Warnungstafel" für die Ordensbrüder bewirken, daß die thomistische
Lehre rein erhalten bleibe (S. 207).

Besonders ausführlich wird die Polemik des Herveus Natalis
gegen D. dargestellt. Dieselbe erreicht ihren Abschluß in der
Herausgabe der „Evidentiae contra Durandum super quartum senten-
tiarum" (S. 262), die frühestens 1317 erfolgte. Außer den Schriften
des Herveus werden aber auch die des Petrus de Palude, des Jakob
v. Lausanne, des Johann v. Neapel, des Bernardus
Lombardi und des Durandellus behandelt. Das Werk des
letzteren bezeichnet K. als die ausführlichste und beste Kritik eines
Thomisten an der I. Ausgabe des Sentenzenwerkes des Durandus (S.
340). Koch zeigt, daß Durandellus weder mit Herveus Natalis,
noch mit Johann von Parma oder Guillelmus de Torto
Collo, noch mit Durandus de Aureliaco identisch ist, daß
die „Evidentiae Durandelli contra Durandum" vielmehr aus der
Schule des Johann v. Neapel stammen und möglicherweise
den Nicolaus de S. Victore zum Verfasser haben (S. 368).
Koch setzt das Werk um 1330 an.

Im übrigen bespricht K. auch einige anonyme Schriften gegen
D. (S. 369ff.), sowie kurz die Polemik zweier Karmeliter (Gerhard
v. Bologna und Guido Terreni) gegen den Doctor modernus.

Diese ganze Darstellung des Streites um Durandus
liefert einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des
Durandus selbst, sofern dieser von den Schriften seiner
Gegner wesentliche Einflüsse empfing. Sie erweitert
unsere Kenntnis vom geistigen Leben an der Universität
Paris in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts
und bereichert in wesentlichen Punkten die Geschichte
des Dominikanerordens. Koch sagt in der Tat nicht zuviel
, wenn er (S. 235) behauptet, eine solch genaue
Kenntnis der Entwicklung eines Denkers, wie sie sein
Buch bezüglich des Durandus vermittle, sei ein Novum
in der mittelalterlichen Literaturgeschichte.

Zum Schluß gibt der Verf. (im 3. Abschnitt) noch
eine Darstellung des Lebens des Durandus de S.
Porciano.

Joseph Koch hat uns mit seinem auf umfassenden
Handschriftenstudien beruhenden Werke die erste großangelegte
Darstellung vom Schrifttum des Durandus und
seiner Gegner geschenkt und damit die Grundlage für
die Schilderung der Entwicklung dieses bedeutenden
Denkers geschaffen. Man sieht mit wirklicher Spannung
dem Erscheinen des zweiten, problemgeschichtlichen Teiles
entgegen, der auf die literargeschichtliche Untersuchung
folgen soll und der vermutlich auch weiteren
Aufschluß über das besonders interessante Problem:
„Durandus und Wilhelm von Ockham" bringen wird,
das im ersten Teil naturgemäß nur gestreift ist.

Rindorfeld bei Mergentheim, Württ. Walter Betzendörfer.

Owst, O. R.: Preaching in Medieval England. An introduetion
to sermon manuscripts of the period 1350—1450. Cambridge:
University Press 1926. (XVIII, 381 S. m. e. Titelb. u. Abb.) gr. 8».

17 sh. 6 d.

Dieses, merkwürdigerweise einem japanischen Prinzen gewidmete
Buch ist hervorgegangen aus der Beschäftigung mit der Summa Pre-