Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1928 Nr. 7

Spalte:

151-154

Titel/Untertitel:

Festgabe für Adolf Deißmann zum 60. Geburtstag, 7. November 1926 1928

Rezensent:

Bauernfeind, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

151

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 7.

152

mir unwahrscheinlich. Sollte nicht das Vorbild der sy-
tischen Vokalisation direkt auf das babylonische System j
eingewirkt haben? S. 81 wird von Piut I gesagt, daß j
er aus 12 Versen bestehe, die akrostichisch mit den je j
zweimal verwendeten ersten 6 Buchstaben des hebrä- |
ischen Alphabets begännen, und von denen je 4 unter- I
einander reimten. Aber in Wahrheit handelt es sich um !
6 Verse mit 2 immer mit demselben Buchstaben be- |
ginnenden Halbversen. Denn je 2 von diesen bilden j
eine Sinneinheit, d. h. sie stehen im Parallelismus mem- i
brorum. Im hebräischen Text erscheinen denn auch 6 |
Zeilen mit je 2 Halbzeilen, und in der deutschen Übersetzung
werden 6 Verse gezählt. Entsprechendes wäre zu j
V S. 83 zu sagen. Das hierher gehörige Stück des Faksimile
82 b läßt auch die Zusammengehörigkeit je zweier j
Halbzeilen deutlich erkennen. — Besonders aufmerksam

femacht sei auf die textkritische Bedeutsamkeit von
. 85, auf der die Varianten der in den Kerobas zitierten

Stellen aus dem A.T. vom textus receptus genannt wer- j

den. — Kleine Versehen (S. 2*, Z. 2 fehlt hinter „sind": !
„gekommen zu dir"; S. 1*, Z. 4. 5 und öfter „Geschick"

statt „Gefangenschaft", vgl. Dietrich, rfptf Sltf, I
1925) und einige Druckfehler (S. 10, Anm. 1, Z. 2 v. u.: j
„Es" statt „Er"; S. 37, Z. 1: riÖfT*)ö statt ftÖnlÖ
S. 47, Z. 1: trer statt jn£n) stören nicht.

Halle/Saale. (>tfo E i B f e I d t.

Festgabe fflr Adolf Delfimann zum 60. Geburtstag, 7. November
1026. Mit e. Bildnis v. Adolf Deißmami. Tübingen : I. C B. Mohr
1927. (VIII, 334 S.) gr- 8°. RM 18—; geb. 21—.

Die Sammlung von Aufsätzen, die Adolf Deißmann
zum 60. Geburtstag überreicht worden ist, will als
„Angeld" auf die Festschrift im Jahre 1937 betrachtet
werden, darum sind ihr vom Herausgeber von vorn- '
herein Schranken gezogen worden; die Vorrede spricht
von einem „»begrenzten« Widerschein" der Lebensarbeit j
Deißmanns. Damit hängt es zusammen, daß manches j
Thema, dem man in einer Deißmann-Festschrift vielleicht
einen weiteren Raum gönnen möchte, nur kurz j
zur Sprache kommt. Auch für die Auswahl der Mit- i
arbeiter ergaben sich Grenzen; von den deutschen Neu-
testamentlichen Forschern sind nur die sechs Universitätslehrer
beteiligt, die bei Deißmann promoviert '
oder sich habilitiert haben. Zu irgendwelcher Art von
Enge hat diese Einschränkung indessen durchaus nicht |
geführt, die Festschrift ist ein reiches, die Forschung in l
mannigfachster Hinsicht förderndes und anregendes !
Buch geworden.

Das Gebiet der drei ersten Beiträge ist das antike Volkstum, j
Ulrich Wücken („Zu den Syrischen Göttern") bespricht einen Freiburger
Papyrus (Inv. Nr. 76, 7), eine an einen Dorfschreiber gerichtete
Beschwerde über eine Heiligtuinsverletzitng aus dem 2. Jahrhundert
v. Chr. Durch die Veröffentlichung und namentlich durch
die Erläuterung des Papyrus wird uns ein neues, lehrreiches Augenblicksbild
zugänglich aus dem groben Prozeß des Vordringens der
orientalischen Religionen in die griechisch-römische Welt, aus der
Vorgeschichte des Christentums. Es ist besonders zu begrüßen, daß
neben dem Papyrusblatt in dieser Festschrift auch die volkstümliche
Geschdchtserzählung nicht fehlt: Wilhelm Webers „Studien zurChro-
nik des Malalas" bringen neue Erkenntnisse über die innere Struktur I
des „verwilderten Gartens", den die Hauptmasse dieser Chronik darstellt
W. zeigt an einigen Stellen des 9. und 10. Buches, daß im |
Zusammenhang mit den wunderlichsten pseudohistorischen Konstruktionen
nicht selten gute Traditionen geboten werden, die den Angaben
weit älterer Historiker, z. B. des Josephus, überlegen sind. Der
Chronist hat sie nicht innerlich verarbeitet und darum auch nicht
verändert — Georg Pf ister (Lanx satura) behandelt Eigentüm- I
lichkeiten der volkstümlichen Sprechweise, die auf allgemeinen Grundformen
des Denkens und Empfindens beruhen und darum unabhängig
voneinander in verschiedenen Sprachen auftreten. Auch die Sprache
des Neuen Testaments wird berührt. Einen eigenen Abschnitt bildet
die Untersuchung des Wortes Saxmns, die eine wertvolle sprachgeschichtliche
Ergänzung zu P.s Artikel „Askese" in der R.G.G2 ist.

Die beiden folgenden Aufsätze behandeln Themen aus der Oe-
schtchte der Neutestamentlichen Sprachforschung. A.T. Robertson
berichtet über die Arbeit an der Grammatik des N.T.s im letzten '

Menschenalter (New Testament Grammar after Thirty Ycars), George
Milligan über eine sehr bemerkenswerte lexikalische Leistung aus
dem Jahre 1658, das N.T.-Lexikon des Andrew Symson (An early
Scotish Lexicon of the Greek New Testament). Robertson ermöglicht
auch dem Nichtfachmann eine rasche zuverlässige Orientierung. R.s
eigene wissenschaftliche Leistung tritt in seinem Bericht sehr zurück,
um sie wenigstens in den Umrissen einschätzen zu können, muß der
Leser seine Aufmerksamkeit auf die Bibliographie richten, die das
Referat abschließt.

Rendel Harris (On the Trail of Mardern) zeigt an einer
Reihe von frappanten Einzelfällen, wie mancher dem ersten Anschein
nach gut katholische Gedanke in der kirchlichen Literatur des
Ostens wie des Westens letztlich aus keiner anderen Quelle abgeleitet
werden kann, als aus der Gedankenwelt Mardons. Benjamin
W. Robinsons Bdtrag ist überschrieben: Influences leading toward
the Conversion of Paul. R. spricht von dem weiten Gesichtskreis des
Diasporajuden und Römisdien Bürgers, von den Erfahrungen am jüdischen
Gesetz (Rom. 7), den Erfahrungen mit verfolgten Christen
und vor allem von der Wirkung, die sich aus dem gleichzeitigen Eindruck
von Stoicismus und Mysterienreligionen einerseits und christlichem
Pfingstglauben andrerseits ergab: Jenes höhere Heidentum
mußte den Paulus anziehen, ihm die Anerkennung mancher Vorzüge
abringen und ihm doch zugleich völlig unannehmbar bleiben. Dagegen
im Christentum mußte er ganz entsprechende Vorzüge erkennen
und die Schranken, die den Juden vom Heidentum trennten,
fielen hier weg! Mir scheint, R. legt zu wenig Gewicht auf das
Ärgernis, das Paulus trotz, allen Weitblickes gerade als Jude am
Christentum nehmen mußte. Außerdem ist manches, was bei Paulus
doch wohl nur im Hintergrunde des Bewußtseins lebendig sein konnte,
hier allzusehr in den Kreis der bewußten Reflexion gezogen worden.
Bezeichnend sind z. B. die Sätze: „Why not let one (seil. Stoicism)
be joined to the other (seil, higher Judaism of Jesus) in a world
religion which would preserve all that was best in both? The more
he thought of it, the plainer and simpler it was". — Wilhelm
Michaelis (Rechtfertigung aus Glauben bei Paulus) stellt sich die
Frage, weshalb Paulus von der Rechtfertigung „aus" Glauben
gesprochen habe. Diese Ausdrucksweise konnte doch leicht dem bis
heute häufigen Mißverständnis Vorschub leisten, als sähe Paulus in
der Rechtfertigung die göttliche Belohnung für eine Leistung, die eben
im Glauben bestelle. M. verweist zur Erklärung dieser Redeweise —
wie ich glaube mit Recht — auf das stilistische Bestreiten des Paulus
, möglichst scharfe Antithesen zu bilden und bei dem Aufbau
antithetischer Sätze möglichst große formale Korrespondenz zu bewahren
. Er stellt der Rechtfertigung aus Werken die Rechtfertigung
aus Glauben gegenüber, um Werke und Glauben kontrastieren zu
lassen; die Frage, ob die Präposition „aus" im zweiten Falle ebenso
gut passe, wie im ersten, mußte dabei zurücktreten. Paulus wird
schon in sehr früher Zeit seine feste Terminologie für diese zentralen
Begriffe gebildet haben, man muß darum auf den Versuch verzichten
, ihr Werden in der uns erhaltenen Briefliteratur zu verfolgen
. — Otto Schmitz bespricht den Begriff iv^upiti bei Paulus
. Der Realismus der körperlich-seelischen Tatsachen, auf die sich
die paulinischen Kraftaussagen beziehen, darf nicht dazu verführen,
diese Aussagen vorschnell aus der hellenistischen Mystik oder Magie
zu erklären. Der Kraftbegriff des Paulus ist weder an die „massive
Gegenständlichkeit des magischen Kraftbegriffs" gebunden, noch an
„die sublime Gegenständlichkeit des mystischen Kraftbegriffs", vom
Hellenismus aus gesehen ist sein Kraftbegriff „nichtgegenständlich".
Die Gegenständlichkeit, die ihm trotzdem eignet, ist aus dem alttesta-
mentlichen Glauben zu erklären, sie ist heilsgeschichtlich bestimmte
Gegenständlichkeit. Aber sie ist auch von dieser Gegenständlichkeit
wieder verschieden, im A.T. handelt es sich um prophetische
Gegenständlichkeit, bei Paulus um die Erfüllung der prophetischen
Aussagen, um pneumatische Gegenständlichkeit. Dazu kommt als
weiteres Kennzeichen die „paradoxe Spannung", die den Kraftbegriff
des Apostels durchdringt, die Kraft ist gegenwärtiger Besitz des
Glaubens und zugleich Gegenstand der Vollendungshoffnung, Gabe
und zugleich Aufgabe, Offenbarung und zugleich Geheimnis. Diese
paradoxe Spannung hebt den paulinischen Kraftbegriff ab von aller
Religionsgeschichte. — Martin Dibelius liefert eine Untersuchung
des Spruches Joh. 15, 13. Der Untertitel des Aufsatzes lautet: „Eine
Studie zum Traditionsproblem des Johannesevangeliums", es handelt
sich um das Verhältnis von Komposition und Tradition, speziell um
die Frage, wie aus Abschnitten ausgesprochen „joh anfletschen" Eigenart
etwa eingestreute ältere Traditionsstücke herausgehoben werden
können. An dem Spruch 15, 13 wird die Antwort auf diese
Frage erarbeitet. Der Evangelist steht 15, 17 an derselben Stelle,
an der er 15, 12 stand, das Dazwischenliegende wird also ein zu einem
bestimmten Zweck eingeschlagener „Umweg" sein. Der Anlaß zu
diesem Umweg war die Unterbringung des Verses 13, dieser Vers
erweist sich als unjohanneisches Traditionsstück, weil der Begriff
„Liebe" hier nicht der „johanneische" ist Je besser es gelingt,
solche nicht im engeren Sinn „johanneischen" Stücke auszusondern,
desto deutlicher wird das Ineinander von johanneischer „Höhen-
terKienz" und volkstümlicher — für das Johannesevangelium gleich-