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Ausgabe:

1928 Nr. 5

Spalte:

104

Autor/Hrsg.:

Wernle , Paul

Titel/Untertitel:

Pestalozzi und die Religion 1928

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 5.

104

bei ihm angedeutet ist, auf diese scharfen Formeln
bringe. Die Durchführung wird ja erst der zweite Band
geben. Der erste schließt mit dem Eintritt Schwedens
in den 30jährigen Krieg, den Paul aber nicht mit der
Landung des Königs bei Peenemünde zusammenfallen
läßt, sondern schon mit dem Hinüberspielen des schwedisch
-polnischen Krieges nach Preußen im Sommer 1626.
Eine kritische Beurteilung der Einzelaufstellungen des

Wunder, daß trotz allem bewunderswerten Festhalten
am Glauben und an der Ordensregel, doch hier und
da ein Abgleiten in die Moral der Umgebung sich bemerkbar
macht. — Die Arbeit des Herausgebers ist, soviel
beurteilt werden kann, tadellos.

Stuttgart.__Ed. Lempp.

Wernle, Paul: Pestalozzi und die Religion. Mit e. Brief-
Faksimile. Tübingen : J. C. B. Mohr 1927. (XII, 196 S.) 8°.

Verfassers muß ich mir für die Zeit vorbehalten, wo ' ' rm 7.50- geh 10

das Ganze gedruckt vorliegen wird. Über Pestalozzi ist unendlich viel geschrieben wor-

Greifswald._Hermann Wolfgang Beyer. ! den; auch die religiöse Seite seiner Gedankenwelt ist

Gollancz, H.: Chronicle of events between the years 1623 dabei, wie es ja nicht anders möglich war, oft berührt
and 1733 reiating to the settlement of the order of Carmelites in j worden; aber eine wirklich eingehende Studie über sein
Mesopotamia (Bassora). Oxford: University Press 1927. (XXIII, 669 S.) j Verhältnis Zur Religion gab es nicht. W. bietet eine
Nach einer Beschreibung des Manuskripts der Chro- i solche in Gestalt einer Wanderung durch das ganze
nik, gibt der Herausgeber zuerst den lateinischen Text der i Leben P.s, wobei, was irgend über seine religiöse Stellung
Schrift, in dem zahlreiche italienische, englische, franzö- Auskunft geben kann, herangezogen wird. Kindheit und
sische, arabische, türkische Briefe und Dokumente (letz- frühe Jugend werden summarisch behandelt; ausführ-
tere mit beigefügter lateinischer Übersetzung) eingestreut lieh beginnt W. zu werden, wo Rousseaus und (indirekt)
sind, dann die englische Übersetzung des Ganzen. In Leibniz' Einfluß auf P. anfängt. P. „hat vielleicht in sei-
Bassra, dem bedeutenden Umschlagshafen für die aus nern ganzen Leben keine Zeile von Leibniz gelesen, und
Europa über Aleppo nach Indien und zurückfahrenden dennoch ruht sein ganzes Denken über den Menschen
Reisenden, war 1623 eine Niederlassung der Karme- und seine Bestimmung so sehr auf Leibniz, daß man ihn
liter gegründet worden. Die vorliegende Chronik bringt , einen der machtvollsten Vertreter der Leibninschen
nun aus den ersten Jahrzehnten fast nur die Namen der Grundgedanken nennen darf" (S. 6). Die Art, wie W.
Ordensbrüder und der Besucher, bzw. Visitatoren, bis mit j für seine Zwecke P.s Schriften durchgeht, ist höchst
dem Eintritt des Bruders Agathangelos von S. Theresa j interessant; überall erhebt sich die Frage, ob und inwie-
im Jahr 1674 die eigentliche Erzählung beginnt, die ! weit P. seine Gestalten das sagen läßt, was seine eigene
dann nach dessen Tod im Jahr 1686 von anderen bis Ansicht ist. W. benutzt Sevffarths P.-Ausgabe, nicht
1733 fortgeführt wurde. j ohne gelegentlich an ihr Kritik zu üben; er stellt z. B.

Für die Geschichte und Kirchengeschichte bietet ; fest, daß Sevffarth das ML, 339—346 abgedruckte, als
die zum Teil sehr ausführliche Chronik kaum etwas, was „Bausteine zu einem christlichen Religionsunterricht" be-
der Erwähnung wert wäre, und doch gibt sie in der j zeichnete Stück gar nicht begriffen hat; es handelt sich
naiven und offenbar wahrhaftigen Erzählung der täg- ( Um eine Art Kommentar zu Matth. 13—25. Den Begriff
liehen Vorkommnisse ein anschauliches Bild solch einer Religion nimmt W. bei seiner Untersuchung nicht etwa
Niederlassung und der Tätigkeit ihrer geistlichen Mit- I eng; man geht nicht fehl, wenn man den Titel der
glieder. Von Mission im eigentlichen Sinn ist nicht die Schrift ergänzt: P.s Welt- und Lebensanschauung; na-
Rede. Unter den Mohammedanern war sie von vorn- türlich spielt auch die Anschauung vom Menschen eine
herein ausgeschlossen, da war man froh, wenn man etwa gro߀ Ro|ie Auch zu staatj Gemeinschaftsleben, Re-
einen abgefallenen Christen vor dem Tod insgeheim ; volution nimmt P. Stellung. Das Quellenmaterial ist
wieder mit der Kirche aussöhnen konnte, oder wenn es überreich; noch reicher ist die Fülle der Variationen, ja
gelang, ein Chnstenmadchen aus den Händen der Mos- der Wandlungen in P.s Anschauungen, (z. B. in den verlern
zu befreien und heimlich nach Indien in Sicherheit schiedenen Ausgaben von „Lienhard und Gertrud"),
zu bringen. Aber auch unter den Akatholiken (Sabaern, J Der junge p steht unter dem Einfluß reformatorischen
Armeniern, Juden und vereinzelten protestantischen Rei- Erbguts; m Zürich wird er Aufklärer; dann begegnet
senden) wurde so gut wie nichts ausgerichtet Die | er auch der Aufklärung mit Kritik. Höchst beachtens-
Sabaer ließen sich zwar anfangs gerne und in Menge wert ist> wie der Schulmeister den Pfarrer verdrängt
taufen aber es stellte sich heraus, daß sie dabei durch- (Lienhard u. Gertrud, III. u. IV.). Allmählich bildet sich
aus blieben und bleiben wollten was sie vorher waren eine neue Einstellung zum Christentum und zu Jesus
und von den etwa übertreten wollenden Armeniern und heraus Die Ansichten über den Religionsunterricht
Juden wurde man gewohnlich betrogen So mußten die schreiten von einer vagen theologia naturalis zur kräfti-
Brüder sich im ganzen darauf beschranken, den wenige n erprobten Bibelsprache und Bibelanschauung" vor.

Christen am Ort (S. 186 werden sie aufgezahlt: 6 Fa- Es jst njcht mögHch hier eiTlcn näheren Einblick in die
miIien..xm!t }' oPernone». dazu 30-40 unverheiratete ungeheure Gedankenfülle des Buchs zu geben; sie steht
Geschäftsleute 8-10 europäische Sklaven im Heer und i unter dem Zeichen der Art wie p. Gedanken bildet und
mehr als 30 Griechen) zu dienen und den häufig ein- ; entwickelt: er war alles Andre als ein Svstematiker! So
treffenden Reisenden, Schaffsleuten und Händlern reli- j kann auch w. absolut keine systematische, sondern nur
gios.e Versorgung Unterkuntt in der eigenen Karawan- dne geschichtliche Darstellung geben, die die
serei und im Bedarfsfall auch Fürsprache bei den Be- Gedarfken Revue passieren und einen vom anderen ab-
horden zu gewahren. Und dafür welche Entbehrungen, ,ösen ,äßt Aber'es entsteht doch ein tiefer Eindruck
Gefahren und Widerwärtigkeiten! In einem Klima, das yon dem Ernst mjt dem p den Fragen der Religion
die Europaer gewöhnlich in kurze;p Zeit zu Boden Warf, nach n jst niemals rastend immer sllchend

,n einer Bevcdkerung, die sie auf jede Weise betrog, , önd wir gewinnen ein Bild von seiner persönlichen

unter einer Obrigkeit, wo fast nur mit Bestechung etwas
auszurichten war (eorum deus est pecunia et justitia
ironice hoc sibi nomen arrogat S. 289), in dem fast
ständigen Krieg zwischen Türken und Arabern lebten sie

Frömmigkeit. Auch damit ging es durch allerhand Nöte;
und die Kraft des Sieges über sich selbst und über die
Verhältnisse gab ihm sein Gottesglaube nicht. Aber im
stanaigen_ «vneg zwisenerii unten unu /vraoernfernen sie Lj w seines Gottesglaubens vermochte er am Wert
abgeschnitten von der Heimat zu zweien oder dreien scj Lebenswerks festzuhalten und für sich selbst
in ärmlicher Behausung, hatten einen steten, fas aus- . wieder an eine Hand Gottes über ihm zu glauben
sichtslosen Kampf um die Erhaltung ihrer Nieder- und v€rtrauen _ W. vcrdient für diese Studie den
lassung und um ihr Daseinsrecht ™ fuhren, und wenn Dank h „ Interessenten für Geschichte der

scrpstf€" oder h" wn"1 ' H°ftn S1C °fV Pädagogik, sondern auch den aller Interessenten an

l! rKfolf€r tZn .Z " " ff o r,£ .Che V°n- : ^r Kirchengeschichte des 18. und 10. Jahrhunderts,
eigenen Christen, denen sie sie hatten überlassen müssen, „ mqs

mehr oder weniger beraubt und ausgeplündert! Kein | —Breslau---—-—Ml Sch'atl-—.