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Ausgabe:

1928 Nr. 3

Spalte:

52-53

Autor/Hrsg.:

Zenker , Ernst Viktor

Titel/Untertitel:

Geschichte der chinesischen Philosophie. II. Bd.: Von der Han-Dynatie bis zur Gegenwart 1928

Rezensent:

Haas, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 3.

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ehrenhalber promoviert hat, zur Erschließung des chinesischen Denkens
geleistet hat, läßt H. auch sonst da und dort ersehen. Wir
danken ihm auch eine kommentierte Verdeutschung der philosophischen
Werke des Sozialethikers Me Ti (1922), dem seine Lehre von der allgemeinen
Menschenliebe (abgeleitet von Gottes Liebe zu den Menschen
) in der Geistesgeschichte Chinas seine Stellung gibt (S. 116).
Bei H. sind es nicht mehr als nur ein Dutzend Seiten, auf denen
die für den Idealisten besonders charakteristischen Gedanken vorgeführt
werden. Ich glaube doch sagen zu dürfen, dieses kurze, klare
Rcsunic wird ihn bei uns weiteren Kreisen bekannt machen, als das
Forkes starker Band "tut, auf dem es seinerseits fußt.

Es kann mir — ich verstehe das — nicht verwilligt werden,
Hackmanns Buch durchhin zu glossieren. So stelle ich anderes zurück
, um nur zu dem dritten Hauptabschnitt noch weniges zu bemerken
. Mißverständlich ist Hackmanns Obersetzung von prajna-
päramitä mit ,,Vollkommenheit der Erkenntnis". Daß der Übersetzer
selbst den Ausdruck richtig versteht (als die in vollkommener Erkenntnis
bestehende Vollkommenheit, d. h. eine, die höchste, von den
in der buddhistischen Dogmatik unterschiedenen Vollkommenheiten),
zeigen manche Stellen seines Buches, wie S. 251, 263, 264, 268 und
besonders 271. Nicht zustimmen kann ich der Konstatierung S. 248,
daß es der Buddhismus in seiner Mahäyäna-aiispniguug gewesen, mit
dem China zuerst in Berührung gekommen sei. Der Herr Verf.
selbst erwähnt S. 242 vorchristliche Berührungen Chinas mit dem
Buddhismus, Berührungen in einer Zeit, in der Mahäyäna sich noch
gar nicht gestaltet hatte. Daß zu dem buddhistischen Prinzen aus dem
parteiischen Königshause, der in der Zeit von 148 bis 170 eine große
Zahl von Obersetzungen buddhistischer Texte ins Chinesische verfertigte
, nichts von dem, was A. Lloyd alles über Anshikao "geschrieben
hat (The Creed of Half Japan S. 117ff., East and West,
Juli-Nummer des Jahrg. 1911, und sonst), notiert ist, wird als stillschweigende
Ablehnung zu deuten sein. Zum Ju leng tch'ieh tching
(S. 290) aber möchte die 1923 von Bunyiu Nanjio besorgte Ausgabe
des Lahkävatära-Sütra genannt worden sein oder, wenn sie nicht,
doch J. W. Hauer's „Das Lari kävatära-Sütra und das S'amkhya'
(1927), ein Aufsatz, der freilich für H. nicht mehr rechtzeitig erschienen
sein wird. Was Hauer in der genannten Schrift bietet, ist
sehr dienlich als Ergänzung der dürftigen Notierungen, die in
Nanjio's Cataloguc zu dessen Nummern 175—177 zu lesen stehen.
Ein bedeutsamer Abschnitt des Textes (Kap. X, 558—623) wird von
Hauer auch in Obersetzung mitgeteilt. Für das in Anm. 469 (zu S.
397) vermerkte Werk gibt H. Lüders jetzt („Kleinere Sanskrittexte,
Heft II) nicht den Namen Kalpanämandinikä, wie ich selbst ihm in
meinem vorletzten Leipziger Dekanatsprogramm nachgeschrieben habe,
sondern Kalpanämanditikä. Und dieser Text gehört nach dem gleichen
Gewährsmann nicht dem Asvaghosa zu, sondern einem Autor
namens Kumäraläta. (Vgl. M. Winternitz in Oriental. Literaturztg.
1927, Nr. 10, Sp. 890). — In der gleichen Anm. 469 hätte die französische
Übersetzung des „Suträlamkära" von Ed. Hnbcr Anführung
verdient. Das Wei mo tch'ieh tching (Vimalakirtti nirdesa sütra) ist
uns, wie zu S. 296 ergänzt werden darf, durch eine in den Jahrgängen
XIII und XIV der eingegangenen Zeitschrift Hansei Zasshi (The
Orient) veröffentlichte englische Übersetzung von Kakitchi Ohara
zugänglich. Eine neuere, von mir selbst noch nicht gekannte, ist
ganz vor kurzem erst erschienen, (wenn ich mich nicht irre, in der
Zeitschrift Eastern Buddh.). — Zu Hackmanns Wiedergabe des
buddhistischen Texttitels Ta scheng tchi hsin lön (Mahäyäna sraddhot-
päda sästra) mit „Mahäyäna-Abhandlung über die Weckuiig des Glaubens
" (S. 291) verweise ich der Kürze halber nur auf D. T. Suzuki,
Outlines of Mahäyäna Buddhism p. 7f und auf Suzuki, Awakening of
Faith p. 48, note 1. Vgl. auch M. Winternitz, Gesch. d. ind. Lit.
II, 210.

Der Korrekturleser hat in den Anmcrkungsbezifferungen öfters
versagt, der Stilist nur einmal, in dem Satz S. 131: „Dabei wird auch
die Parthenogenesis behauptet und die unglaublichsten Belege dafür
vorgebracht." Aufmutzen werden — das ist vorauszusehen — Sinologen
dem Übersetzer, daß er S. 141 T'ien (Himmel) einmal mit
„Gott" wiedergibt.

Indem vor zwei Jahrzehnten Paul Deussen im Vorwort
zu Bd. I, Abt. 3 seiner Allgemeinen Geschichte der
Philosophie schrieb, einer solchen habe, wenn sie diesen
Namen mit Recht beanspruchen wolle, eine kurze
Übersicht auch der philosophischen Anschauungen der
Chinesen nicht fehlen dürfen, wie sie von ihm gegeben
ward, konnte er noch sprechen von „jenem fernen Gebiet
des menschlichen Wissens''. Es ist doch sehr, sehr
dankenswert, wenn einer, der dazu im Stande ist, die
wissenschaftlichen Ergebnisse zur Nutzung für weitere
Kreise jeweils zusammenfaßt. Deussen jedenfalls hätte
sich das Buch von Hackmann von nicht geringem
Nutzen erwiesen.

Leipzig. H. Haas.

Zenker, E.V.: Geschichte der chinesischen Philosophie.

(Zum ersten Male aus den Quellen dargest.) II. Bd. : Von der Han-
Dynastie bis zur Gegenwart. Reichenberg: Verlag Gebr. Stiepel
1927. (XV, 340 S.) 8". RM 8-.

Den ersten, 1926 erschienenen Band dieses Werkes
habe ich in dieser Zeitschrift im 51. Jahrg., Nr. 22,
533 f. vorstellen dürfen. Mittler weile hat H. Hackmann
einen Band von über 400 Seiten herausgebracht, der
sich ganz die gleiche Aufgabe gestellt hat, um in recht
zufriedenstellender Weise mit ihr fertig zu werden, und
mittlerweile ist ferner Alfred Forke, auch er kein Unbe-

! rufener, hervorgetreten mit seinem Buche „Die Gedankenwelt
des chinesischen Kulturkreises". Niemand
wird sich an das Durchstudium dieser Neuerscheinungen
mit größerem Interesse machen als Herr E. V. Zenker.
Ein wenig peinlich muß es ihm nun doch sein, daß sein
Verleger seinem hier nach Jahresfrist nachgelieferten

; zweiten, abschließenden Bande eine Leibbinde umgelegt
hat mit dem Aufdruck: „Erstmalige Darstellung der
Geschichte der chinesischen Philosophie aus den chinesischen
Quellen geschöpft. Es gibt ein ähnliches Werk
weder in einer europäischen Sprache noch selbst im
Chinesischen." Schon in meiner Anzeige des ersten
Bandes habe ich Literatur namhaft gemacht, deren Vor-

; handensein solchem Verlegerrühmen hätte wehren müs-

I sen. Nicht alle. Außer dem, was ich dort aufgeführt
habe, hätte ich auch noch F. E. A. Krause's „Ju Tao
Fo" (1924) nennen können, ebenfalls ja eine Zusammenfassung
nicht nur des religiösen, sondern auch des
philosophischen Stoffes.

Herr Zenker — ich habe das selbst zu erfahren bekommen
— nimmt Kritik, die er selbst doch gelegentlich
durch recht scharfe Urteile über andere, jedenfalls
seitens dieser, provoziert, etwas unwirsch auf. Ersehen
läßt das auch die lange Vorrede zu diesem zweiten
Bande, wennschon er da erklärt, er sei für jede sachliche
Kritik dankbar und gerne bereit, wirkliche Fehler, auf
die man ihn aufmerksam mache, zu verbessern. Erlebt
seine Geschichte der chinesischen Philosophie, wie er
sich das erwartet und ich's ihr wünsche, eine 2. Auflage,
so wird man dieser ganz gewiß abmerken, daß die Arbeiten
von Forke und Hackmann ihrem Verfasser beides,
Zurechtrückungen wie Lücken füllende Ergänzungen zu
geben hatten. Daß sie ihm bis dahin zu Gesichte gekommen
sein werden, ist doch wohl zu hoffen. Daß er
die Schriften zur Geschichte der chinesischen Philosophie
zum Teile nur dem Titel nach kennt, gesteht er
selber S. X zu. Und wie er schon im ersten Bande

j einen Alfred Forke, der eigentlich mit am meisten zur
Erschließung des zu verarbeitenden Stoffes geleistet hat,
zu einem Anton (!) Forcke (!) gemacht hat, so figuriert
auch im zweiten ein Zottoli, nicht einmal nur, sondern
so oft er eben genannt wird, als Zortoli (!). Entnehmen
wird man dem, daß der Herr Autor — seine
Vorrede ist datiert: Gablonz a. N. — eine Bibliothek,

wie sie ihm zu wünschen wäre, nicht in nächster Nähe

I hat, also unter erschwerenden Umständen zu arbeiten
gehabt hat.

Das Kapitel, das den Band eröffnet (Geistige Bewegung
der Han- und Thang-Zeit), liest sich ganz und
gar nicht wie Philosophiegeschichte. Es könnte ebenso
gut oder passender in einer Geschichte oder in einer
! Literaturgeschichte Chinas stehen. Im zweiten stellt
i Z. dem Kapitel des ersten Bandes über die Entwicklung
■ der Logik in China — die diesbezüglichen Ausführungen
j habe ich in meiner früheren Besprechung als das Wert-
I vollste im ersten Bande bezeichnet — ein solches über
die alte Psychologie an die Seite, weil sonst manche Erörterungen
, besonders die naturphilosophischen, unverständlich
geblieben wären. Das dritte, dem chinesischen
Buddhismus gewidmete Kapitel an Hackmanns Parallel-
j leistung messend, wird der Verfasser, wenn er auch S. 66
| (vgl. S. 53) die Kürze der Behandlung zu rechtfertigen
j bemüht ist, doch wohl bereit sein, zuzugeben, daß das
' hier von ihm Gebotene nicht recht zulänglich ist, be-