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Ausgabe:

1928

Spalte:

610-611

Autor/Hrsg.:

Casel, Odo (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Liturgiewissenschaft. 7. Bd 1928

Rezensent:

Schian, Martin

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610

weder der negative noch der positive Teil dieser These.
— Kurze, aber wertvolle Bemerkungen zu Goldbachers
Ausgabe im CSEL 4 enthalten die „Notes sur les lettres
de s. Augustin" von D. de Bruyn e. Schon das Urteil
: le texte que nous avons maintenant est satisfaisant,
il est loin d'etre parfait ist beachtlich; dann geht der
Verfasser auf die Technik der Korrespondenz des Afrikaners
ein: Augustin diktierte seine Briefe, fügte mitunter
persönlich ein Finale hinzu, das, weil ganz persönlich
, später unterdrückt wurde (sogar z.T. noch bei
Goldbacher), schrieb auf Papyrus, signierte die Briefe,
wahrscheinlich mit einem Siegel, das sein Porträt trug,
behielt die Minute bei sich und gab jedem Briefe eine
Inhaltsangabe bei, edierte auch einige Briefe selbst. —
In einer anderen Miszelle: Encore l'Itala de s. Augustin
verteidigt de Bruvne seine bekannte, 1913 ausgesprochene
Ansicht (Itala Vulgata) gegen die Kritik von
Rüting, Cavallera, Krüger, Bardenhewer, Labriolle, Zahn.
Vaccari, d'Ales, Quentin, Lagrange.

Der Kirchengeschichte des Mittelalters gehört
an die Notiz von A. Cabassut über „La mitigation
des peines de l'enfer d'apres les livres liturgiques", ein
Hinweis auf die zuerst im 8. Jh. im Sakramentarium von
Gellone begegnende Missa pro cuius anirna dubitatur;
es schlichen sich daran Missae pro cuius anima despera-
tur (z.B. bei Gerbert: Monumenta veteris liturgiae ale-
mannicae I p. 329 ff.) d. h. Messen für solche, die eines
plötzlichen Todes ohne Sakramentsempfang starben. Es
liegt ihnen zu Grunde der Gedanke einer Milderung der
Höllenstrafen durch das Gebet der Kirche, der viel-
leicht mit dem Judentum (Sabbatruhe der Verdammten)
zusammenhängt, und weit verbreitet war. — Fr. Cal- 1
laey: Lambert Ii Beges et les Beguines verficht gegenüber
van Mierk) (Lambert Ii Beges in verband met
den oorsprong der Begijnenbeweging 1926 — ganz im |
Sinne von J. Greven) die Beziehungen Lamberts zur
Beginenbewegung, non pas comme le fondateur ou le
legislateur, mais bien comme l'apötre d'un mouvement
religieux populaire. — G. Mollat: Episode du siege
du palais des papes au temps de Benoit XIII (1398/99)
schildert eingehend die (vergeblichen) Bemühungen von
spanischer Seite, den in Avignon von den dortigen Bürgern
in seinem Palaste blockierten Papst Benedikt XIII,
den man zur Abdankung zwingen wollte, zu befreien. —
Gr. Peradse: L'activite litteraire des inoines geor-
giens au monastere d'Iviron au Mont Athos veröffent-
ficht einen Katalog der Schriften des h. Euthymius und
des h. Giorgi Mthatzmindeli (gest. 1065). — Eine
äußerst interessante und lehrreiche liturgische Studie,
deren Einzelheiten hier freilich nicht angegeben werden
können, bietet P. B a t i f f o 1: La liturgie du sacre des eve-
ques. In eingehender, durch eine übersichtliche Tabelle
veranschaulichter Untersuchung wird das Eindringen der
verschiedenen konstitutiven Elemente der Bischofsweihe,
z. B. Handauflegung, ersetzt durch Evangeliumauflegung
, Salbung des Hauptes, Übergabe des Ringes, u.
dgl. historisch vorgeführt. Es wird z. B. die Frage aufgeworfen
, ob die Bischofssalbung durch die Königssalbung
beeinflußt ist oder umgekehrt. Die Entwicklung
ist eine mittelalterliche, doch wird die Sachlage in der
alten Kirche auch skizziert. — L. ü o u g a u d : Etüde
sur l'ordo monasticus de Culross zeigt, daß die bei
Migne PSL 59 nach der zweiten Ausgabe von Holste-
nius: Codex Regularum veröffentlichte Mönchsregel
(Ordo monasticus in veteri Scotiae monasterio de Kilros
olim observatus) ein apokryphes Machwerk ist unbestimmten
Datums, dessen Hauptbestandteil der Vita s.
Üavidis von Ricemarch (11. Jh.) entlehnt ist; der unbekannte
Verfasser glaubte durch sie die Disziplin in Culross
wieder heben zu können.

Der neueren K i r c h e n gesc h i c h te gehört an
der Aufsatz von F. Claeys-Bouuaert: L'opposi-
tion de quelques eveques beiges ä la bulle „In Emi-
nenti" (6 mars 1642) d'apres des documents inedits.
Gegen die Jansens Augustinus verurteilende Bulle erhob

sich unter einigen belgischen Bischöfen lebhafter Widerspruch
; sie weigerten die Promulgation, wurden aber
schließlich mit Hilfe der spanischen Regierung zur
Nachgiebigkeit gezwungen, mit Ausnahme von zweien,
die Bann und Interdikt 1652 traf. Dokumente sind beigegeben
. — M. Dubruel setzt seine schon in Jahrgang
1926 begonnene und früher hier gekennzeichnete
Studie: Les congregations des affaires de France sous
Innocent XI fort.

Von jeher bilden eine Zierde dieser belgischen kirchenhistorischen
Zeitschrift die eingehenden Besprechungen
und die glänzende Bibliographie.
Zürich. w. Köhler.

Jahrbuch fflr Liturgiewissenschaft. In Verbindg. m. A. Baumstark
u. A. L. Mayer hrr.g. v. Odo Casel. Bd. 7. Münster
i. W.: Ascliendorff 1027. (III, 404 S.) 4U. = Verein z. Pflege d.
Liturgiewissenschaft. RM 15.30; geb. 17.30.

Bei gleicher Einrichtung, Sorgfalt und Gediegenheit
wie in den früheren Jahrgängen zeigt das Jahrbuch
in diesem 7. Band fast noch stärker das Überwiegen des
historischen Interesses. Systematischen Charakter hat
nur ein Aufsatz von O. Casel zu G. Menschings kleiner
Schrift über katholische Kultprobleme (1927). „Für
den katholischen Christen besteht eine eigentliche Problematik
des Kultus nicht." Aber Casel geht auf Menschings
eindringende Betrachtungen genau ein, dabei
berichtigt er in ruhiger, sachlicher Form manche Formulierungen
M.s vom katholischen Standpunkt aus. Was
M. z. B. über die protestantische und die katholische
Stellung zur Natur sagt, wird von Casel in Frage gestellt
oder (soweit der Katholizismus in Betracht
kommt) als unvollständig beurteilt; wie mir scheint,
nicht ohne Recht. Unter den geschichtlichen Beiträgen
sind bemerkenswert eine Untersuchung von Anton
B a ii m s t a r k über „das Gesetz der Erhaltung des
Alten in liturgisch hochwertiger Zeit". Der nicht ganz
leicht zu verstehende Titel soll besagen, daß gerade in
„liturgisch hochwertiger", d. h. ausgezeichneter gotfes-
dienstlicher Zeit (z. B. in der Osterzeit) sich älterer liturgischer
Brauch besonders zähe erhalten hat; mußte
man sonst Neuerungen zulassen, so hielt man gerade die
bedeutsamsten Zeiten und Tage von ihnen frei. So erklären
sich z. B. eine Reihe von der Norm widersprechenden
Erscheinungen der römischen Liturgie zwischen
Passionssonntag und Osteroktav, für die man
sonst vergeblich eine Erklärung suchen würde. Allgemein
bekannt ist ja, daß die Rezitation des Nicaenums
in Rom erst 1014 eingeführt wurde; in der österlichen
Vigilmesse fehlt es noch heut! — P. Browe S. J. bietet
viel Interessantes zur Entstehung der Sakramentsandachten
, bei denen die konsekrierte Hostie ausgesetzt
und öffentlich verehrt wird; derselbe steuert eine Miszelle
über die ständige Aussetzung des Sakraments im
MA. bei. — Einen „Versuch zur stilgeschichtlichen
Entwicklung eines Gebetsausdrucks" nennt Anton L.
Mayer seinen Aufsatz über „Mater et Filia", wobei
natürlich Maria die Mutter Gottes und zugleich Tochter
Gottes (sein Geschöpf) gemeint ist. — Thomas
Michels bespricht Entstehungszeit und Heimat des
Codex D 47 der Kapitelsbibliothek zu Padua, die Mohl-
berg und Baumstark als die älteste erreichbare Gestalt
des Liber sacramentorum des anni circuli der römischen
Kirche 1927 edierten. — Albert Dold erörtert liturgische
Gebetstexte aus Cod. Sangallensis 18. — Die
große Reihe der in der Rubrik Misz.ellen untergebrachten
kleinen Beiträge kann hier nicht registriert werden;
bemerkenswert ist die Studie über Gebetsostung von
Georg Graf; sie gibt Quellenstücke zur Motivierung
dei üstung in alter Zeit. — Der sehr ausführliche Literaturbericht
1926—1927 umfaßt 706 Stücke, ist also
so vollständig als möglich. Er stellt den Bericht in den
Vordergrund, urteilt aber auch. Für uns ist besonders
bemerkenswert die Art, wie evangelisch-liturgische
Schriften charakterisiert werden. Die kritischen Bemerkungen
zu diesen Schriften beziehen sich keineswegs