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Ausgabe:

1928 Nr. 2

Spalte:

608-610

Titel/Untertitel:

Revue d‘histoire ecclésiastique. Tome XXIII 1928

Rezensent:

Köhler, Walther

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& )7

Theologische Literaturzeitung 1928 Nr. 26.

musausgabe Savifes 1612 zurück. Hier wären einige Mitteilungen über
ihre handschriftlichen Grundlagen erwünscht gewesen.

Die Genauigkeit, die C.-N. bei seinen Kollationen anstrebt, hat
nun freilich dazu geführt, daß er den Apparat reichlich mit ziemlich
gleichgiltigen Mitteilungen üher Abweichungen der Schreibweise in
den Hss. und Drucken überladet: z. 8. hätte für die Streichung des
v-,,ephelkystikon" vor Konsonanten in den bisherigen Drucken entgegen
der Hs. sicherlich der Hinweis S. LXXXVIII Anm. 1 genügt.
Störender ist noch, daß die Noten, die die Belegstellen für die Zitate
geben und auf Parallelen hinweisen, nicht unter dem Text stehen, sondern
im Anhang und noch dazu an zwei verschiedenen Stellen
(S. 148ff. u. 222 ff.) gesammelt sind. Das macht die Benutzung sehr
unbequem, zumal der Leser außerdem noch durch zahlreiche Querverweisungen
in den Noten selbst ermüdet wird. Ein Fehler ist es
endlich auch, daß C.-N. im Text nicht die Grenzen der Seiten nach
Migne bemerkbar macht, die er am Kopf jeder Seite seiner Ausgabe
notiert. — Mit der Textherstellung, die ja angesichts der schmalen
Überlieferung keine besonderen Schwierigkeiten bot, kann man sich
im allgemeinen einverstanden erklären. 'Kufxnuämv . . . üuüf xout/vatSy
S. 129, lOff. halte ich trotz der Bezeugung durch Georg für unmöglich
: man wird entweder nach dem Vorschlag bei Migne etwa eXnio)
yeuovawv oder mit noch leichterer Änderung ihtuo xnummüv zu
lesen haben, denn xoutlco in dieser übertragenen Bedeutung begegnet
auch sonst in klassischer und nachklassischer Zeit. Die wie eine
Erinnerung an Aristoteles klingende Bestimmung der 7tlfia als
fxsaörrji flttgßoXijs xcu eXXtixptio;' vncQßoXrjg -rrXovrov,
iXXsixpemg iU nuoytiag S. 72, 6f. würde ich nicht als Glosse ausscheiden
. Sie entspricht einmal der geistreich sein wollenden Gcsaint-
haltung der Schrift allzusehr und ist zweitens durch zahlreiche Beispiele
kurzer zwischen eingeschobener Nebengedanken als Gepflogenheit
des Schriftstellers wohl gedeckt (vgl. z. B. S. 50, 20f.; 55, 6 ff.;
61, 17; 64, 4f. usw.), zumal die Nebeneinanderstellung von ritmyria
und neyta in dem unserer Stelle vorausgehenden Satz eine Erklärung
geradezu verlangt.

In der Einleitung zu seiner Ausgabe legt C.-N. den
Hauptwert auf die Geschichte der Abfassungsfrage und
führt die verschiedenen Meinungen über den Verfasser
seit den Anfängen vor, um sich zuletzt zugunsten des
Palladius dem Beweise Butlers anzuschließen, dessen
Gründe er aufnimmt und ausbaut (S. XXXI1—LX).

Ich habe hierzu wie zu der vorangehenden Darstellung vom
Lehen des Palladius kaum etwas nachzutragen, da sich auch hier der
Fleiß des Verfassers in der Heranziehung selbst entlegener älterer
Literatur bewährt. Nur auf S. XIV ist ihm gerade die wichtigste und
neueste Zusammenfassung unseres Wissens üher Johannes Chrysostomus
durch Lietzmann bei Pauly-Wissons entgangen. Daß die Angaben
über den Nachdruck der Ausgabe Montfaucons durch Migne verwirrend
und widerspruchsvoll sind (vgl. S. XI Anm. I mit S. LXXXIV
Anm. 8 und S. LXXXVf), liegt wohl an der Verschiedenheit der
Titelblätter in den einzelnen Exemplaren, da Migne hierin mit gewohnter
Großzügigkeit verfahren ist. Jedenfalls darf das nicht dazu
führen, zwei Ausgaben, von denen die eine als „revised" bezeichnet
wird (S. LXXXIV Anm. 8: 1858—1860 und 1859—1865), zu unterscheiden
.

Die auf S. LXIX—LXXVII folgenden Ausführungen
über die literarischen Quellen, sowie Sprache und Stil
des Dialogs sind wohl die schwächsten Teile des ganzen
Werkes. Die Schrift des Palladius ist nicht, wie der
Titel in der Hs. zunächst vermuten läßt, eine eigentliche
Biographie, sondern vielmehr eine Apologie, die bald
nach dem unglücklichen Ende des Bischofs Johannes
entstand, um den großen Toten von den Anwürfen
seiner Gegner reinzuwaschen. Palladius hat für sie die
Form des Dialogs gewählt, eine in der christlichen Literatur
äußerst seltene Erscheinung, der C.-N. in einer besonderen
Studie mit Recht seine Aufmerksamkeit zugewandt
hat (Journ. of theol. Studies 27: 1926, S. 388
bis 395). Seine Einordnung der Schrift in die Klasse der
Vitae Sanctorum weicht allerdings von den eben angedeuteten
Absichten des Schriftstellers selbst erheblich
ab, und es wird hier, sowie in den einschlägigen Abschnitten
der Einleitung zur Ausgabe deutlich, daß der
Verf. die gerade in der literarischen Frage grundlegende
Untersuchung von P. Ubaldi, Appunfi sul ,Dialogo
Storico' di Palladio, Memorie dell' Academia di Torino
Serie II 56 (1906), Scienze Morali etc. S. 217—296
so gut wie gar nicht benutzt hat: nur ein einziges Mal
(S. LXXV1 Anm. 5) werden die sprachlichen Beobachtungen
Ubaldis flüchtig erwähnt. Aber eine so bedeutsame
Entdeckung wie die, daß Palladius allem Anschein
nach bestrebt war, sich Piatons Phaidon in der äußeren

Form und in Einzelzügen als Vorbild für seine Aufgabe
zu nehmen, die ja mit der platonischen in dem zugrunde
liegenden geschichtlichen Anlaß einige Ähnlichkeit hat,
durfte nicht unbeachtet bleiben. Sie allein gibt eine
wirklich befriedigende Erklärung für die dialogische
! Form des Ganzen und für die wahrhaft sokratische Me-
j thode, die Palladius für seinen Erweis der Unschuld des
I Johannes befolgt. Von hier aus verstehen sich vielleicht
: auch die merkwürdigen, philosophisch sein wollenden
Ausführungen über die drei Arten der göttlichen Gnadengaben
, die das Werk eröffnen. Sie verfolgen offensichtlich
keinen anderen Zweck als den, den Leser sofort
auf eine gewisse Höhe der Betrachtungsweise zu heben.
Es ist freilich dabei keinen Augenblick zu übersehen,
daß Palladius nicht imstande ist. seinen Absichten voll
gerecht zu werden. Jene Einleitung steht in gar kei-
; nem Zusammenhang mit dem folgenden und wirkt deshalb
lediglich wie eine Art bibelexegetisches Parade-
j stück. Und weiter: der im Dialog zu belehrende Diakon
| ist von Anfang an eigentlich von der Unschuld des Jo-
i hannes völlig überzeugt, denn ihm als Römer fällt die
Aufgabe zu, die Stellung des römischen Bischofs zum
Prozeß in Konstantinopel zu schildern, und er tut das in
einer Weise, wie kein Johannit es besser hätte machen
können (S. 7, 13—24, 19). Das ist natürlich vom literarischen
(iesdehtspunkt aus recht ungeschickt, hat aber
I eine umso größere apologetische Wirkung, auf die es
dem Schriftsteller in erster Linie ankam. Aber eben daß
1 er diesen praktischen Zweck mit literarischen An-
i Sprüchen verband, ist das Charakteristische seiner
' Schrift. Das zeigt sich fast auf jeder Seite in der Wort-
' wähl, die gern den einfachen und gebräuchlichen Aus-
| druck durch den voller tönenden und ungewöhnlichen
ersetzt (vgl. Ubaldi S. 254) und selbst Zahlen in fast
gespreizter Weise nur durch Zerlegung in die Faktoren
ausdrücken kann (28, 21; 29, 12).

Das zeigt sich feiner auch in den angewandten Bildern, die gelegentlich
für untern Geschmack reichlich gew agt erscheinen (S. 67,12 f.
! wird Johannes mit einem Apfel verglichen, der hoch oben im Baum sich
von der Sonne röten läßt). Und endlich bezeugt diesen Willen zum
höheren Stil neben vielen andern Beobachtungen Ubaldis besonders die,
daß Palladius sieh ausgiebig der rhetorischen Kunstmittel bedient, tun seiner
Sprache eine feste Form zu geben (vgl. Ubaldi S. 280 ff.). Vor allem dies
letzte hätte dem jüngsten Herausgeber des Dialogs wichtig werden müssen,
I und es ist zu bedauern, daß er an alledem mit den Worten vorübergeht
Ihr style . . . is, for the most pari, wholly unadorntd (S. I.XXYII).

Trotzdem werden wir ihm für seine mühevolle Arbeit Dank wissen,
1 durch die uns ein interessantes Stück aus der Blütezeit der patristisehen
, Literatur in weit bequemerer und verläßlicherer Form als bisher zugänglich
gemacht worden ist.

Berlin._____W. Eltester.

Revue d'histoire ecclesiastique. Tom. XXIII. Louvain: Bureau
de la Revue 1927. (983 S.) 8°.

Der 23. Jahrgang dieser belgischen kirchenhistorischen
Zeitschrift wird eröffnet durch einen Aufsatz
von J. Lebon: Une ancienne opiniou sur la condition
du corps du Christ dans la mort. In eingehender Exegese
der einschlägigen Stellen, in Auseinandersetzung
vorab mit dem Mauriner Goustant (in seiner praefatio
generalis zu den Werken des Hilarius v. Portiers 1693)
wird gezeigt, daß wie zahlreiche andere Autoren des
4. und 5. Jahrh. Athanasius und Hilarius von Portiers
den Logos im Tode sich vom Leibe Christi trennen
lassen: „mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich
verlassen!" — P. Galtier: Le veritable edit de Galliste
, nimmt zu einer viel verhandelten Frage das Wort,
kann aber den neuesten Stand der Kontroverse (vgl. darüber
neuestens K. Adam in Theol. Q u a r t a 1 s c h r i f t
1928, S. 161 ff.) noch nicht berücksichtigen und setzt sich
hauptsächlich mit d'Ales, Dieckmann, Preysing, Harbachs
Abhandlung von 1923, Adain und Bardv auseinander
. Ergebnis: Tertullian de pudicitia bezieht sich
, nicht auf Galixt, von dem Hippolyt ein derartiges Edikt
nicht kennt, hingegen hat Galixt ein Edikt erlassen, das
allen Häretikern und Schismatikern die Wiederaufnahme
gewährt, sans leur demander compte de leur conduite
anterieure — /Jyiov tcuaiv vg> aixon a<pleo&ai apiaqtlug,
wie Hippolyt sagt. Meinem Empfinden nach überzeugt